Zusammenfassung

 
Begriff

Menschen im Alter von 18 bis 27 Jahren bezeichnet das SGB VIII als junge Volljährige.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialrecht: Die Hilfe für junge Volljährige ist in § 41 SGB VIII geregelt. Auch wenn das Defizit in der Persönlichkeitsentwicklung voraussichtlich nicht vollständig behoben werden kann, ist das Jugendamt zur Leistung verpflichtet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23.9.1999 festgestellt (BVerwG, Urteil v. 23.9.1999, 5 C 26.98). Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) vom 9.6.2021 hat dies explizit klargestellt (VG München, Beschluss v. 30.6.2021, M 18 E 21.3326).

Zudem hat es die Nachbetreuung in § 41 a SGB VIII extra geregelt.

1 Anspruchsvoraussetzungen

1.1 Altersstufen

Die Hilfe für junge Volljährige wird in der Regel bis zum 21. Lebensjahr gewährt. Nur in begründeten Einzelfällen kann die Maßnahme auch darüber hinaus geleistet werden. Das ist dann der Fall, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Ziel der Hilfe noch erreicht werden kann.[1]

Die Hilfe ist nicht nur dann zu gewähren, wenn sie eine schon vor Volljährigkeit begonnene Hilfe fortsetzt, sondern auch, wenn sie erst danach einsetzt.

[1] VG Stuttgart, Urt.v.28.10.2021,7 K 4040/20.

1.2 Entwicklungsdefizit

Die Angebote sollen den jungen Menschen helfen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und ein eigenständiges Leben zu führen. In diesen Punkten haben junge Volljährige regelmäßig noch Unterstützungsbedarf. Mithin ist professionelle Hilfe nur bei einem deutlichen Entwicklungsdefizit im Vergleich zu Altersgenossen notwendig. Dieses kann seine Ursache z. B. in einem schwierigen familiären Umfeld, einer gesundheitlichen Einschränkung, einem Schulabbruch oder Straffälligkeit haben.[1]

 
Hinweis

Persönlichkeitsentwicklung als Prozess verstehen

Das Ziel der Hilfe ist nicht zwingend ein bestimmter Entwicklungsabschluss. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts genügt bereits ein Fortschritt im Entwicklungsprozess.[2] Um den Hilfebedarf zu bejahen, genügt es folglich, wenn eine bessere Persönlichkeitsentwicklung und mehr eigenverantwortliches Handeln erwartet werden kann.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht[3] hält einen Anspruch auf Hilfeleistungen auch dann für gegeben, wenn eine eigenständige Lebensführung wegen einer geistigen Behinderung nie erreicht werden kann.

[1] Zu weiteren Ursachen siehe VG München, Beschluss v. 30.6.2021, M 18 E 21.3326.
[3] OVG Sachsen, Urteil v. 25.11.2014, 1 A 742/12.

1.3 Antrag/Mitwirkungspflicht

Die Hilfen für junge Volljährige müssen nicht beantragt werden. Die Bereitschaft des jungen Menschen, am Erfolg der Maßnahme mitzuwirken, ist nicht notwendig. Das betont das Verwaltungsgericht des Saarlandes[1] und stellt klar, dass ein gewisser Veränderungswunsch des jungen Volljährigen und ein bei ihm erkennbarer Leidensdruck für den Einstieg in die Maßnahme sprechen.

 
Hinweis

Careleaver

Nicht selten brechen junge Menschen eine Hilfe ab. Mit dem KJSG wurde die sog. Coming-Back-Option klar geregelt: Auch in diesen Fällen kann erneut Hilfe gewährt bzw. fortgesetzt werden.[2]

Auch das geplante Ende der Hilfe nach § 41 SGB VIII oder der Wechsel in ein anderes Leistungssystem, wie z. B. die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) oder die Ausbildungsförderung (BAföG, BAB o. dgl.), muss künftig frühzeitig in die Wege geleitet werden.[3]

[1] Saarl. VG, Urteil v. 31.1.2014, 3 K 686/12.

2 Leistungskatalog

Als Leistungen stehen nahezu alle Angebote der Erziehungshilfe bzw. der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen zur Verfügung.[1] Der Schwerpunkt der Hilfen liegt auf erzieherischen, (sozial)pädagogischen und damit ggf. verbundenen therapeutischen Hilfeleistungen. Ergänzend kann über den Verweis auf §§ 39 und 40 SGB VIII mit materieller Hilfe der Lebensunterhalt sichergestellt werden.[2]

[2] Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Volljährige mit seelischen Behinderungen siehe OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 3.2.2021, 3 B MB 50/20, ZKJ 2021, 204 und OVG NRW, Beschluss v. 9.6.2021, 12 B 636/21, JAmt 2021, 653.

3 Verfahren

Für das Verfahren gilt § 36 SGB VIII mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der nun junge Volljährige tritt. Als Anspruchsinhaber entscheidet er über die Annahme der Hilfe selbst. Dabei dürfen an seine Bereitschaft zur Mitwirkung im Einzelfall keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Ziel der Hilfe zur Voraussetzung gemacht wird.

4 Rechtsanspruch

Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, muss die Hilfe gewährt werden. Darauf hat der junge Volljährige einen Rechtsanspruch. Liegen sie nicht vor, muss geprüft werden, ob Sozialhilfe[1] gewährt werden kann.

5 Nachbetreuung

Auch nach dem Ende der Hilfeleistung kann der junge Volljährige weiterhin unterstützt werden, wenn dies notwendig ist. Der Jugendhilfeträger kann z. B. im Einzelfall ambulant beraten oder den jungen Volljährigen im Umgang mit andern Ämtern unterstützen. Mi...

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