Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsuchen des Arbeitsamtes. Antrag auf Arbeitslosenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

§ 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO findet keine Anwendung auf Personen, die das Arbeitsamt aufsuchen, um – nach Erschöpfung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld – einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe abzugeben.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 09.02.1978; Aktenzeichen L-3/U-111/77)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Februar 1978 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die im Jahre 1919 geborene Klägerin stürzte am 7. Februar 1977 im Flur des Erdgeschosses des Arbeitsamtes Wetzlar (im folgenden: Arbeitsamt) und zog sich hier eine Unterarmradiusfraktur links zu. Nach der förmlichen Unfallanzeige des Arbeitsamtes hatte sie beabsichtigt, im Anschluß an das ihr bis zum 3. Februar 1977 bewilligte Arbeitslosengeld – Alg – Arbeitslosenhilfe-Alhi – zu beantragen. Den Antrag gab sie bei dem Arbeitsamtsangestellten M. nach dem Unfall noch ab, ehe sie einen Arzt aufsuchte. Mit Schreiben vom 21. April 1977 teilte das Arbeitsamt mit, daß die Klägerin zur Unfallzeit nicht der Meldepflicht nach § 132 des Arbeitsförderungsgesetzes – AFG – unterlegen habe und der Antrag auf Alhi mangels Bedürftigkeit zurückgewiesen worden sei. Mit Bescheid vom 8. Juni 1977 lehnte die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung – BAfU – die Gewährung der Unfallentschädigung ab, da die Klägerin am Unfalltag mangels Meldepflicht nicht zum versicherten Personenkreis gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung – RVO – gehört habe. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Gießen – SG – am 27. Juni 1977 Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei auf Aufforderung des Vermittlers B. am Unfalltag zum Arbeitsamt gegangen. Das SG hat die Akten des Arbeitsamtes (II/4-9000/91487) beigezogen, die Klägerin persönlich gehört und die Auskünfte des Vermittlers B. vom 7. Dezember 1977 und 3. Januar 1978 eingeholt. Die Klägerin hat angegeben, daß ihr von dem Vermittler B., der im erstem Stockwerk des Arbeitsamtes sein Dienstzimmer habe, empfohlen worden sei, wegen einer Vermittlung alle vier bis sieben Wochen vorzusprechen. Am Unfalltag habe sie im Erdgeschoss des Arbeitsamtes den Antrag auf Anschluß-Alhi abgeben wollen. Der Vermittler B. teilte mit, daß die Klägerin bei ihm zuletzt am 3. Januar 1977 zwecks Arbeitsberatung bzw. Vermittlung vorgesprochen habe. Es könne nicht mehr festgestellt werden, ob für die nächste Vorsprache ein fester Termin, vereinbart gewesen sei. Arbeitslosen Arbeitsuchenden würde es im allgemeinen empfohlen, Leistungsanträge persönlich zu stellen, damit evtl. bestehende Unklarheiten sofort beseitigt werden könnten. Der Antrag auf Alhi sei der Klägerin von der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit – BA – in Nürnberg direkt mit einem Vordruck zugesandt worden, in dem es u.a. heiße, daß sie den Antrag persönlich abgeben solle. Sodann hat das SG die BAfU am 9. Februar 1973 verurteilt, der Klägerin den Sturz vom 7. Februar 1977 als Arbeitsunfall zu entschädigen und die Forderung ab 1. Januar 1978 in gesetzlichem Umfange zu verzinsen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 29. März 1978 zugestellte Urteil hat die BAfU bei dem Hess. LSG am 20. April 1978 schriftlich Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgebracht: Das SG habe nicht beachtet, daß nach ständiger Rechtsprechung Wege im Zusammenhang mit der Beantragung von Alg oder Alhi nicht dem Versicherungsschutz unterlägen. Auf einem solchen Wege sei die Klägerin aber verunglückt. Sie habe nicht der Meldepflicht unterlegen. Auch das mit den Anträgen auf Alhi übersandte Anschreiben der Hauptstelle der BA habe keine Meldepflicht begründet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Februar 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streit- und Arbeitsamtsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SozialgerichtsgesetzSGG –).

Im Urteilseingang ist – entgegen dem Urteil des SG – die BA als Beklagte aufzuführen. Die BAfU hat mit dem angefochtenen Bescheid lediglich die der BA gemäß §§ 3, 249, 251 AFG als Träger der Versicherung obliegenden Aufgaben wahrgenommen (§ 766 Abs. 1 S. 1 RVO; vgl. BSG, Urt. v. 29.5.1973 – 2 RU 97/71 – in E 36, 39).

Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.

Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufrecht erhalten bleiben. Das SG hat den angefochtenen Bescheid zu Unrecht aufgehoben. Er ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat am 7. Februar 197...

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