Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für werdende Mütter. Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung. keine Anwendung bei stillender Mutter. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine stillende Mutter hat wegen des Stillens keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach dem SGB 2.

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), insbesondere über die Gewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter für die Klägerin zu 1).

Die Beklagte bewilligte der 1979 geborenen Klägerin zu 1) und ihrem 2008 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2), mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 für den Zeitraum Juli 2008 bis Dezember 2008 Leistungen nach dem SGB II. Für den Monat Juli 2008 wurde auch noch Herr D. C. als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geführt.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 24. November 2008 Widerspruch ein, der sich gegen die Berücksichtigung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Herrn C., die Berechnung von berufsbedingten Fahrtkosten, die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung sowie die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs der Klägerin zu 1) als stillende Mutter richtet. Stillende Mütter hätten auf der Grundlage der Daten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in den ersten vier Monaten nach der Geburt des Kindes einen um 635 kcal erhöhten Energiebedarf, ab dem fünften Monat etwa 525 kcal. Dagegen ergebe sich in der Schwangerschaft lediglich ein Mehrbedarf von 255 kcal. Es stelle eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung dar, dass schwangere Frauen einen Mehrbedarf erhielten, stillende Mütter dagegen nicht.

Die Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 dem Widerspruch wegen des Nichtvorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft ab und verwies hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Nachzahlung auf einen gesonderten Bescheid, der am 22. Juli 2011 erging. Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung stellte die Beklagte den Widerspruch auf Antrag des Bevollmächtigten der Kläger ruhend. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Einen Mehrbedarf für stillende Mütter sehe das Gesetz nicht vor. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden zu 1/3 von der Beklagten übernommen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig erachtet.

Mit ihrer am 10. August 2011 bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage haben die Kläger weiterhin die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Klägerin zu 1) als stillende Mutter sowie eine weitergehende Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens durch die Beklagte begehrt. Nach einer Einigung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens haben die Beteiligten die Klage mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 (Beklagte) und vom 3. Februar 2012 (Kläger) insoweit für erledigt erklärt.

Die Kläger haben geltend gemacht, die Nichtgewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter verstoße wegen einer Ungleichbehandlung gegenüber schwangeren Frauen gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie). Der Klägerin zu 1) sei im Wege verfassungskonformer Auslegung entweder über § 21 Abs. 5 oder über § 21 Abs. 6 SGB II ein entsprechender Mehrbedarf zuzugestehen. Sollte sich das Gericht nicht in der Lage sehen, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 5 SGB II oder des § 21 Abs. 6 SGB II einen Mehrbedarf für stillende Mütter zuzugestehen, haben die Kläger beantragt, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26. April 2012 hat die Klägerin zu 1) erklärt, dass ihr während der Stillzeit auf jeden Fall zusätzliche Kosten entstanden seien für Stillhütchen, Stillbüstenhalter etc. und auch für das Einfrieren der Milch im Gefrierfach, die speziellen Aufbewahrungsbecher für die Milch und die Handmilchpumpe, die angeschafft werden musste. Sie hätte auch gerne eine elektrische Milchpumpe gehabt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2012 als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin zu 1) stehe kein Mehrbedarf wegen erhöhter Kosten durch das Stillen ihres Sohnes zu. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger erfüllten im streitgegenständlichen Zeitraum (dieser wird versehentlich mit 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 bezeichnet, gemeint ist aber der Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2008) unstreitig die Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 und 2, § 9 SGB II. Die Klägerin zu 1) sei älter als 15 Jahre ohne die Altersgrenze des § 7a SGB II zu erreichen und sie sei erwerbsfähig. Der Kläger zu 2) erhalte Leistungen nach § 7 Abs. 2 SGB II, weil er mit der...

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