Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Umschüler. berufliche Reha-Maßnahme. internatsmäßige Unterbringung in Berufsförderungswerk. Bowlingabend. sachlicher Zusammenhang. Betriebssport. Ausgleichssport. unternehmensbezogene Organisation. private Freizeitgestaltung

 

Orientierungssatz

1. Die Tatsache, dass Umschüler in einem Berufsförderungswerk (BFW) internatsmäßig untergebracht sind, führt für sich allein nicht zur Beantwortung der Frage nach dem Unfallversicherungsschutz bei einer zum Unfall führenden sportlichen Betätigung. Denn auch bei einer internatsmäßigen Unterbringung lassen sich regelmäßig Tätigkeiten unterscheiden, die mit der beruflichen Umschulung nicht in einem inneren Zusammenhang stehen, beispielsweise Aktivitäten im Rahmen der Freizeitgestaltung. Unfallversicherungsschutz besteht nur dann, wenn die Sportausübung im inneren Zusammenhang mit der Aus- oder Fortbildung steht. Zur Feststellung dieses Zusammenhanges ist auf die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Betriebssport auch für Umschüler zurückzugreifen (vgl BSG vom 20.1.1987 - 2 RU 12/86 = SozR 2200 § 539 Nr 118 und vom 5.10.1995 - 2 RU 36/94 = SozR 3-2200 § 539 Nr 33).

2. Als gesetzlich unfallversicherter Betriebssport kommt jede sportliche Betätigung mit Ausgleichszweck in Betracht, zB auch das Bowling. Die sportliche Betätigung muss mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfinden. Bei einmaliger monatlicher Durchführung wird die unterste Grenze der Regelmäßigkeit berührt, wobei erforderlich ist, dass ein fester Turnus in diesem Zeitabstand vereinbart ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist auch die erstmalige Teilnahme versichert, sofern die Absicht besteht, dauerhaft daran teilzunehmen.

3. Der von einem BFW finanzierte und organisierte Bowlingabend fällt nur dann unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn das BFW gestaltend auf den Inhalt der Veranstaltung einwirkt und dafür Sorge trägt, dass es sich um eine Veranstaltung des Betriebssports und nicht um eine solche bloßer Freizeitgestaltung handelt. Dies ist nicht der Fall, wenn die inhaltliche Gestaltung letztlich den jeweils teilnehmenden Umschülern überlassen bleibt und die maßgeblich betriebssportliche Ausrichtung vom BFW bzw einem von ihm Beauftragten nicht gewährleistet wird, es danach letztlich dem jeweiligen Teilnehmerkreis obliegt, ob der Bowlingabend "betriebssportlich" oder als "Freizeitaktivität" gestaltet wird.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. September 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin streitet um die Feststellung eines Unfalles als Arbeitsunfall.

Die 1971 geborene Klägerin hielt sich ab 4. Januar 2010 im Rahmen einer individuellen Trainingsmaßnahme und Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die gesetzliche Rentenversicherung nach SGB VI und IX im Berufsförderungswerk (BFW) Q-Stadt auf, wo sie internatsmäßig untergebracht war. Die individuelle Trainingsmaßnahme sollte bis 3. April 2010 dauern und ein Lehrgang zur Fertigungskontrolleurin sollte sich anschließen. Die Maßnahme war erforderlich geworden, da die Klägerin wegen eines Bandscheibenvorfalles ihre körperlich schwere Tätigkeit als Chemiearbeiterin bei der Firma XY. in X-Stadt nicht mehr ausüben konnte. Am 28. Januar 2010 hatte die Klägerin nach dem Unterrichtsende gegen 16:30 Uhr zu Abend gegessen, hatte sich anschließend die Sportklamotten angezogen und sodann an einer vom BFW im Bowlingcenter Q-Stadt organisierten Bowlingveranstaltung zusammen mit 11 weiteren Umschülern teilgenommen. Diese Bowlingveranstaltung fand regelmäßig am letzten Donnerstag im Monat von 18:00 bis 20:00 Uhr statt. Die Klägerin rutschte beim Bowling aus, stürzte und zog sich einen Bruch des rechten Außenknöchels zu. Dies hatte zur Folge, dass sie die Maßnahme zunächst beenden musste und erst ab 10. Juni 2010 erneut aufnehmen konnte, sodass sie diese fünf Monate später abschloss als ursprünglich geplant. Vorstehende Feststellungen ergeben sich aus der von der Beklagten eingeholten Auskunft des BFW vom 12. Juli 2010 sowie den Angaben der Klägerin im Termin vom 16. Oktober 2012.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2010 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 28. Januar 2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen, da es sich bei der Bowlingveranstaltung um eine rein eigenwirtschaftliche Tätigkeit ohne inneren Zusammenhang mit der Reha-Maßnahme gehandelt habe.

Die Klägerin legte dagegen am 19. August 2010 Widerspruch ein, den sie damit begründete, der Freizeitbereich beim BFW einschließlich der Bowlingveranstaltung sei dem ärztlichen Fachdienst zugeordnet und sei als solche mit Betriebssport vergleichbar. Das Bowlen diene der Gesundheit und dem Ausgleich zum Unterrichtsalltag. Die Organisation erfolge durch eine Mitarbeiterin des BFW und teilnehmen könnten nur BFW-Mitglieder und Umschüler. Die Beklagte holte daraufhin die ergänzende ...

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