Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Organisation. Programmgestaltung. Teilnahmemöglichkeit auch für Dritte. Mindestbeteiligung eines Kleinbetriebs. angebotene Bierwanderung eines Sportvereins für jedermann. Kanzlei mit zehn Mitarbeitern. drei Teilnehmer

 

Orientierungssatz

1. Eine von einer Kanzlei "organisierte" (Anfahrt, Auswahl der anzusteuernden Stopps während der Veranstaltung) Teilnahmemöglichkeit an einer von einem externen Veranstalter angebotenen "Bierwanderung für jedermann" stellt ohne eigene Programmgestaltung bzw ohne eigenes Zusatz- oder Rahmenprogramm keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung dar, auch wenn die Kosten für Speisen und Getränke und eine Zeitgutschrift von Seiten der Unternehmensleitung erfolgt.

2. Des Weiteren spricht auch die Teilnahme von nur drei Beschäftigten eines Kleinbetriebes von insgesamt zehn Mitarbeitern eher gegen die Annahme der erforderlichen Mindestbeteiligung für das Vorliegen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. August 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung des Ereignisses vom 11. Juli 2015 als Arbeitsunfall.

Die 1959 geborene Klägerin ist als Lohn- und Finanzbuchhalterin in der Steuerfachanwaltskanzlei B. und Kollegen (Mitgliedsunternehmen der Beklagten) beschäftigt. In der Kanzlei sind außer dem Inhaber (gleichzeitig Prozessbevollmächtigter der Klägerin) weitere neun Personen beschäftigt. Die Klägerin und die beiden weiteren Mitarbeiterinnen der aus drei Personen bestehenden Lohnbuchhaltungsabteilung haben am Samstag, dem 11. Juli 2015, an dem von dem TSV D-Stadt e. V. (im Folgenden: TSV D-Stadt) ausgerichteten "Wandertag/Bierwanderung" teilgenommen. Beim Ausklang der Bierwanderung um 22:30 Uhr stürzte die Klägerin und zog sich eine distale Radiusfraktur links zu. Die Klägerin war anschließend für sechs Wochen arbeitsunfähig.

In der Unfallanzeige vom 13. Juli 2015 war als Arbeitszeit am 11. Juli 2015 angegeben: 16:00 Uhr bis 23:55 Uhr. Die Klägerin gab an, die Wanderung sei sechs Wochen vorher im Teammeeting angekündigt worden. Der Inhaber hätte den Beginn auf 16:30 Uhr mit offenem Ende festgesetzt. Die gesamte Abteilung Lohn/Verwaltung habe daran teilnehmen sollen. Es hätten 20 km gewandert werden sollen mit gemeinsamem Ausklang. Die Veranstaltung habe der Teambildung dienen sollen und die Kosten seien vom Unternehmen getragen worden.

Mit Bescheid vom 27. August 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 11. Juli 2015 ab. Es habe sich um eine interne Veranstaltung der Abteilung gehandelt. Ort und Zeit seien ohne Vorgabe des Unternehmers festgelegt worden. Die Veranstaltung habe nicht dem Zweck gedient, die Betriebsverbundenheit zwischen dem Arbeitgeber und den Mitarbeitern zu fördern. Es habe sich um eine private Veranstaltung der Mitarbeiter der Abteilung gehandelt.

Mit Schreiben vom 8. September 2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2015 zurückwies. Es sei nicht ausreichend, dass nur eine ausgewählte Gruppe an der Veranstaltung teilgenommen habe. Die Wanderung sei nicht unternehmensbezogen organisiert und durchgeführt worden. Vielmehr sei die Wanderung durch den TSV D-Stadt veranstaltet worden. Das Tragen der Poloshirts des Betriebes genüge nicht, um die unfallbringende Wanderung der versicherten Tätigkeit gleichzustellen und eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung anzunehmen.

Die Klägerin hat am 21. Dezember 2015 beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass es sich bei dem Unfall vom 11. Juli 2015 um einen Arbeitsunfall handele. Sie habe an diesem Tag an einer betrieblich angeordneten Wanderung teilgenommen, die die Mitarbeiter der Lohnabrechnungsabteilung durchgeführt hätten. Die Lohnbuchhaltung der Steuerfachanwaltskanzlei bestehe aus drei Mitarbeitern (der Klägerin sowie Frau E. und Frau F.), fachlich geleitet durch den Betriebsinhaber. Daneben gebe es noch die mit vier Personen besetzte Finanzbuchhaltungsabteilung und die aus drei Personen bestehende Jahresabschluss- und Steuerberatungsabteilung. Es handele sich um klar abgegrenzte Betriebsbereiche unter der ständigen Aufsicht des Betriebsinhabers. So erkläre sich, dass nur drei Mitarbeiter der Lohnbuchhaltungsabteilung an der Bierwanderung teilgenommen hätten. Die Größe der Abteilung sei unerheblich. Die Betriebsveranstaltung sei sechs Wochen vorher durch den Betriebsinhaber festgelegt worden. Die teilnehmenden Mitarbeiter hätten nur die Uhrzeit für den Beginn und das Ende festlegen dürfen. Die Mitarbeiter seien zum Tragen der betrieblichen Poloshirts verpflichtet worden. Die Lohnbuchhaltung habe...

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