Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillige Krankenversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer Lebensversicherung. Versorgungsbezüge. Direktversicherung. private Altersvorsorge. "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" sind nur Verwaltungsvorschriften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aufgrund verfassungskonformer Auslegung der §§ 240 Abs 1 und 217e Abs 2 SGB 5 handelt es sich bei den "Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler" um bloße Verwaltungsvorschriften, mit denen nur klarstellend auf bestehende gesetzliche Normen zur Beitragsbemessung nach §§ 226ff SGB 5 verwiesen wird. Insbesondere wegen einer fehlenden hinreichenden demokratischen Legitimation des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes und der fehlenden Rechtssatzform sind die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" nicht geeignet, die Generalklausel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abweichend vom gesetzlichen Leitbild der §§ 226ff SGB 5 mit eigenständigen Beitragsbemessungstatbeständen iS von untergesetzlichen Rechtsnormen mit belastender Außenwirkung auszufüllen.

2. Der Zahlbetrag einer privaten Lebensversicherung kann nicht zur Bemessung von Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung bei freiwilliger Mitgliedschaft herangezogen werden.

3. Zur Abgrenzung von Direktversicherung und privater Altersvorsorge am Maßstab des Beschlusses des BVerfG vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. Oktober 2010 dahingehend abgeändert, dass die aufschiebende Wirkung der Klage S 10 KR 178/10 angeordnet wird, soweit mit ihr die Aufhebung einer Festsetzung von Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung auf den Zahlbetrag einer Lebensversicherung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2010 begehrt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller in beiden Instanzen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage, mit der er sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf eine zum 1. April 2009 ausbezahlte Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung wendet.

Der 1949 geborene Antragsteller ist seit dem Ende der Beschäftigung bei der Firma C. bei der Antragsgegnerin freiwillig versichert.

Er war Geschäftsführer und Liquidator der Firma Autohaus D. GmbH, deren Auflösung am 10. Januar 1985 in das Handelsregister des Amtsgerichts E. eingetragen wurde. Die Löschung erfolgte am 29. April 1986.

Bereits im Jahr 1979 schloss die Autohaus D. GmbH zugunsten des Antragstellers eine Lebensversicherung bei der E. AG ab. Im Schreiben der E. AG vom 23. November 2009 wurde gegenüber der Antragsgegnerin ausgeführt, dass nach einer Erklärung des damaligen Filialdirektors die GmbH von Vertragsbeginn an nicht in der Lage gewesen sei, die Beiträge zu zahlen. Der Antragsteller habe die Beiträge privat zahlen sollen. Ein entsprechender Vertrag mit der Ehefrau des Antragstellers sei rückwirkend zum Vertragsbeginn aufgehoben worden.

Mit Schreiben vom 22. April 2009 teilte die E. AG der Antragsgegnerin mit, dass aus einem “ursprünglich als Direktversicherung„ abgeschlossenen Vertrag mit Fälligkeit zum 1. April 2009 Leistungen i.H.v. 95.923,61 € angezeigt werden. Ausgezahlt wurden dem Antragsteller ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge 73.938,06 €.

Daraufhin setzte die Antragsgegnerin auch im Namen der bei ihr errichteten Pflegekasse im Bescheid vom 13. Juli 2009 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2009 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 139,49 € fest, die sich zum 1. Juli 2009 auf monatlich 134,69 € reduzierten.

Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Widerspruch unter dem Datum vom 15. Juli 2009, mit dem er geltend machte, dass die Lebensversicherung kein Bestandteil der betrieblichen Altersversorgung sei, da niemals Beiträge von seinem früheren Arbeitgeber, der Firma D. GmbH gezahlt worden seien. Der Vertrag sei zwar über eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen worden, jedoch ausschließlich von ihm selbst finanziert worden, weil die Firma finanziell nicht in der Lage gewesen sei, die geforderten Beiträge zu entrichten. Der Versicherungsvertreter sei darüber informiert worden. Dieser habe gesagt, dass es keinen Einfluss habe, auf wen der Vertrag geschrieben sei, da die fälligen Prämien ohnehin privat gezahlt werden würden. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 7. Mai 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beitragspflicht aus § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in Verbindung mit § 3 der “Beitragsver-fahrensgrundsätze Selbstzahler„ folge. Für freiwillige Mitglieder werde die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigke...

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