3.1 Allgemeines

[1] Im Recht der Krankenversicherung ist nicht geregelt, wie der überwiegende Unterhalt zu ermitteln ist. Daher ist auf die Regelungen des Familienrechts zurückzugreifen (BSG, Urteil vom 30.8.1994, [korr.] 12 RK 41/92, USK 9449). Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung. Hiervon ausgehend wäre bei der Ermittlung des überwiegenden Unterhalts zunächst im konkreten Einzelfall festzustellen, welche von dritter Seite erbrachten Geld-, Sach- und Betreuungsleistungen zum Lebensbedarf des Kindes gehören, und was als eigene Einnahmen des Kindes zu werten ist.

[2] In den hier vorliegenden Fällen, in denen Stief- und Enkelkinder vom Mitglied getrennt leben, erscheint ein Rückgriff auf die Regelungen des Unterhaltsrechts jedoch nur eingeschränkt sachgerecht und vertretbar. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass Betreuungsleistungen seitens des Mitglieds gegenüber dem Stiefkind oder Enkel angesichts der fehlenden häuslichen Gemeinschaft üblicherweise nicht erbracht werden, sodass in der Regel nur Geld- oder Sachleistungen als für den überwiegenden Unterhalt anrechenbare Leistungen in Betracht kommen.

[3] Leben Stief- und Enkelkinder, deren überwiegender Unterhalt festzustellen ist, vom Mitglied getrennt, so ist der überwiegende Unterhalt nur dann gewährt, wenn das Mitglied mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs des jeweiligen Stief- oder Enkelkindes trägt.

3.2 Ermittlung des Unterhaltsbedarfs für Kinder

[1] Da sich die Unterhaltspflicht für Kinder im besonderen Maße auf Minderjährige erstreckt, wird es für sachgerecht erachtet, den Unterhaltsbedarf des Kindes auf der Grundlage des § 1612a BGB durch unmittelbaren Bezug auf das sächliche Existenzminimum gemäß dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung zu ermitteln. Mit dem sächlichen Existenzminimum bzw. Bedarf sind die Beträge gemeint, die erforderlich sind, um die finanzielle Versorgung eines Kindes in Form des Kindesunterhalts sicherzustellen.

[2] Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) legt den Mindestunterhalt alle zwei Jahre durch Rechtsverordnung (sog. Mindestunterhaltsverordnung), die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, fest.

[3] Nach der [akt.] "Sechsten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung" vom 29.11.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 330) [§ 1 Mindestunterhaltsverordnung] beträgt der Mindestunterhalt ab dem 1.1.2024 monatlich entsprechend dem Alter des Kindes:

Altersstufe Monatlicher Mindestunterhalt
ab 1.1.2024
Monatlicher Mindestunterhalt
vom 1.1.2023 bis 31.12.2023
1. (0 bis 5 Jahre) 480 EUR 437 EUR
2. (6 bis 11 Jahre) 551 EUR 502 EUR
3. (12 bis 17 Jahre) 645 EUR 588 EUR
4. (ab 18 Jahre) 689 EUR[1] 569 EUR[2]

[4] Der Unterhalt einer höheren Altersstufe ist ab dem Beginn des Monats maßgebend, in dem das Kind das betreffende Lebensjahr vollendet.

[1] Dieser Wert ist nicht Gegenstand der Mindestunterhaltsverordnung, sondern der Düsseldorfer Tabelle 2023 entnommen.
[2] Dieser Wert ist nicht Gegenstand der Mindestunterhaltsverordnung, sondern der Düsseldorfer Tabelle 2022 entnommen.

3.3 Feststellung des überwiegenden Unterhalts

[1] Das Mitglied hat ein von ihm getrennt lebendes Stief- oder Enkelkind dann überwiegend unterhalten, wenn es mehr als die Hälfte von dessen Mindestunterhalt aus seinem Einkommen zugunsten des Kindes aufgebracht hat. Ob das Stief- oder Enkelkind selbst über Einkünfte verfügt oder ihm solche einschließlich etwaiger Unterhaltsleistungen von anderer Seite zur Verfügung stehen, ist für die Feststellung des überwiegenden Unterhalts im Sinne der Voraussetzungen der Familienversicherung nicht relevant. Dementsprechend bleiben nicht nur die eigenen Einkünfte des Kindes oder Zuwendungen in Form von Bar- oder Naturalunterhalt von anderer Seite als der des Mitglieds (ungeachtet der Höhe), sondern auch der Betreuungsunterhalt, den das Kind innerhalb der Haushaltsgemeinschaft, in der es lebt, erfährt, bei der Feststellung des überwiegenden Unterhalts unberücksichtigt.

Praxis-Beispiel

Beispiel 1:

Ein Stiefkind (8 Jahre) lebt nicht im Haushalt des Mitglieds, sondern im Haushalt seines leiblichen Vaters. Der leibliche Vater stellt neben der Betreuung auch den Naturalunterhalt (Verpflegung und Unterkunft) zur Verfügung. Das Mitglied leistet Zuwendungen für den Unterhalt des Kindes in Form einer Geldzahlung in Höhe von mtl. 250 EUR.

Ergebnis:

Der Mindestunterhalt des Stiefkindes im Jahr 2019 beträgt mtl. 406 EUR. Da das Mitglied mehr als die Hälfte des Mindestunterhalts (203 EUR) aufbringt, unterhält es das Stiefkind überwiegend. Eine Familienversicherung ist daher – unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen – möglich.

Praxis-Beispiel

Beispiel 2:

Ein Stiefkind (17 Jahre) lebt nicht im Haushalt des Mitglieds, sondern im eigenen Haushalt. Die Schulausbildung des Kindes wird durch BAföG-Leistungen gefördert. Das Mitglied leistet Zuwendungen für den Unterhalt des Kindes in Form einer Geldzahlung in Höhe von mtl. 350 EUR.

Ergebnis

Der Mi...

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