rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Einbeziehung der „Conterganrente” in die eigenen Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, behinderten Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, aufgrund einer Schädigung durch Contergan von Geburt an behinderten Kindes sind die Leistungen der Conterganstiftung (sog. „Conterganrente”) nicht zu berücksichtigen.

2. Dies folgt zum einen aus § 18 ContStiftG, der auch bei der Festsetzung von Kindergeld anzuwenden ist. Zum anderen handelt es sich bei der laufenden Conterganrente sowie der jährlichen Sonderzahlung um Schmerzensgeld mit der Folge, dass die Leistungen nicht zu berücksichtigen sind, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kinds bestimmt oder geeignet sind.

3. Im Streitfall konnte dahinstehen, ob in Höhe der monatlichen Conterganrente ein behinderungsbedingter Mehrbedarf besteht.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, S. 2; ContStiftG § 18 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 30.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.2.2015 wird aufgehoben und Kindergeld für das Kind A.X. für den Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014 in gesetzlicher Höhe festgesetzt und in Höhe von 129,04 Euro an den Kläger abgezweigt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein Träger der Sozialhilfe, dem es um die Abzweigung von Kindergeld für das Kind A.X., geboren am xx.xx.1959, geht, um seine Sozialhilfekosten zu decken. Er begehrt die Auszahlung des Kindergeldes an sich als die unterhaltsgewährende Stelle nach § 74 Einkommensteuergesetz –EStG–.

Das Kind A.X. leidet an einer Behinderung, die vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Die Behinderung besteht seit Geburt. Sie besteht zu 100 vom Hundert. Der Kläger erbringt für das Kind A.X. seit April 1978 als Träger der überörtlichen Sozialhilfe Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch –SGB– XII. Die Leistungen erfolgten in Form der stationären Wohnheimbetreuung an das Wohnheim der Y.., in Z.. Der Kläger legte eine Kostenaufstellung über die monatlichen Kosten der Unterbringung und Betreuung von Januar 2013 bis November 2014 vor. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen (Kindergeldakte, S. 167 f.). Während des Klageverfahrens legte der Kläger die Kosten der Unterbringung und Betreuung für Dezember 2014 dar (Klage-Akte, S. 66).

Frau X. verfügt über Einkünfte aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. 721,21 EUR monatlich bzw. im Jahr 2014 i.H.v. 805,91 EUR monatlich, und einer ergänzenden Grundsicherung i.H.v. 10,81 EUR, welche vom Kläger als Kostenbeitrag vereinnahmt wird. Frau X. zahlt einen Beitrag zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Daneben erhält Frau X. Leistungen der Pflegeversicherung i.H.v. 256 EUR monatlich, welche ebenfalls als Kostenbeitrag vereinnahmt werden. Frau X. erhält auch Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz –ContStifG–, die sich seit 2013 erheblich erhöht haben. Diese betrugen vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 monatlich 6.812 EUR. Seit Juli 2014 erhält das Kind den Höchstsatz von 7.027 EUR monatlich. Hinzu kommt eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 3.680 EUR. Jedenfalls 2014 bezog Frau X. auch Wohngeld in Höhe von 98 EUR. Der Beklagte berechnete u.a. das verfügbare Einkommen des Kinds A.X. einschließlich der Conterganrente und Sonderzahlungen für die Streitjahre 2013 und 2014. Bei der Berechnung des notwendigen Lebensbedarfs setzte er zunächst lediglich den Grundbedarf sowie den Pauschbetrag nach § 33b EStG in Höhe von 3.700 EUR an. Eine neue Berechnung des notwendigen Bedarfs des Kinds unter Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwands sowie der eigenen Mittel des Kinds führte dazu, dass in den Jahren 2010 bis 2012 und ab Januar 2015 abgeholfen wurde. In diesem (ursprünglichen) Streitzeitraum kam es auf die Höhe der Leistungen der Conterganstiftung nicht an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9.11.2016 Bezug genommen.

Die Familienkasse setzte zunächst Kindergeld für das Kind A.X. zugunsten von Herrn C.X., dem Vater des Kinds A.X., geb. xx.xx.1925, fest. Kindergeld wurde bis 2005 ausgezahlt.

In den Streitjahren leistete der Kindsvater einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 54,96 EUR an den Kläger. Die Mutter der Klägerin ist verstorben. Der Vater des Kindes bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Oktober 2013, s...

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