Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsfreiheit von EG-Beamten. Gleichheitsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf Beamte der EG ist die Vorschrift des § 6 Abs 1 Nr 3 AVG (= § 1229 Abs 1 Nr 3) über Versicherungsfreiheit weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

2. Beamte der EG gehören nicht zu dem Personenkreis, für den § 10 Abs 1a AVG (= § 1233 Abs 1a RVO) das Recht zur freiwilligen Versicherung beschränkt.

3. Wenn Beamte der EG nach § 10 Abs 1 AVG (= § 1233 Abs 1 RVO) zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind, können sie nicht nach § 82 AVG (= § 1303 RVO) die Erstattung von Beiträgen verlangen, die sie zur deutschen Rentenversicherung entrichtet haben.

 

Orientierungssatz

1. § 6 Abs 1 Nr 3 AVG erlaubt keine Erweiterung seines Anwendungsbereiches im Wege der analogen Anwendung auf andere als die ausdrücklich geregelten Tatbestände.

2. Die unterschiedliche Lage eines deutschen Beamten ohne Recht zur freiwilligen Versicherung, dem die gezahlten Beiträge erstattet werden, und eines deutschen EG-Beamten, der sich freiwillig versichern kann und deshalb die Beiträge nicht erstattet bekommt, verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

3. Die §§ 6 bis 8 AVG enthalten iVm den §§ 10, 82 AVG eine aufeinander abgestimmte Gesamtregelung über die Ausnahmen von der Versicherung, die im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit eine eindeutige Abgrenzung des betroffenen Personenkreises fordert. Eine Lücke für EG-Bedienstete, die in analoger Rechtsanwendung zu schließen wäre, besteht insoweit nicht.

 

Normenkette

AVG § 82 Abs 1 S 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1303 Abs 1 S 1 Fassung: 1972-10-16; AVG § 82 Abs 1 S 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1303 Abs 1 S 3 Fassung: 1957-02-23; AVG § 10 Abs 1 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1233 Abs 1 Fassung: 1972-10-16; AVG § 10 Abs 1a Fassung: 1972-10-16; RVO § 1233 Abs 1a Fassung: 1972-10-16; AVG § 6 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1229 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1965-06-09; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 20.02.1980; Aktenzeichen L 4 An 57/79)

SG Kiel (Entscheidung vom 29.05.1979; Aktenzeichen S 6 An 169/78)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Versicherungsbeiträgen.

Die Klägerin war in Schleswig-Holstein von 1970 an als Gerichtsreferendarin Beamtin auf Widerruf; im Mai 1973 schied sie nach Ablegung der Großen Juristischen Staatsprüfung aus dem Landesdienst aus und wurde für die Referendarzeit bei der Beklagten nachversichert. Seit Oktober 1973 ist die Klägerin, zuerst als Beamtin auf Probe, dann als Beamtin auf Lebenszeit, bei dem Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften (EG) in Brüssel beschäftigt. Den im März 1978 gestellten Antrag, gemäß § 82 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ihr die Versicherungsbeiträge (6.262,44 DM) zur Hälfte zu erstatten, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 2. Mai 1978, Widerspruchsbescheid vom 8. November 1978), weil die Klägerin nach § 10 Abs 1 AVG zur freiwilligen Versicherung berechtigt sei; als Beamtin der EG gehöre sie nicht zu den von § 10 Abs 1a iVm § 6 Abs 1 Nr 3 AVG erfaßten versicherungsfreien Personen.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Nach der Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) kann die Klägerin die Erstattung verlangen. § 6 Abs 1 Nr 3 AVG sei auf sie entsprechend anzuwenden; dies gebiete zum einen der Zweck des § 10 Abs 1a AVG, der eine Doppelversorgung derjenigen Personen vermeiden wolle, die nach § 6 AVG deshalb versicherungsfrei seien, weil sie eine Versorgung aus öffentlichen Mitteln erhielten, und zum anderen die weitgehend vergleichbare beamtenrechtliche Regelung für deutsche Beamte sowie für Beamte der EG. Könnten die letzteren der Rentenversicherung freiwillig beitreten, dann wären sie doppelt versorgt und zudem besser gestellt als die Beamten des deutschen Rechts. Auch behielten zu den EG entsandte deutsche Beamte als EG-Beamte gleichwohl ihren deutschen Beamtenstatus und seien damit nur unter der Einschränkung des § 10 Abs 1a AVG zum freiwilligen Beitritt in die Rentenversicherung berechtigt, deutsche EG-Beamte, die vorher noch nicht Beamte nach deutschem Recht gewesen seien, dagegen nicht. Eine solche Besserstellung verbiete sich, weil auch für diesen Personenkreis bei einem späteren Übertritt in den deutschen Beamtendienst die Beschäftigungszeit bei den EG versorgungsrechtlich berücksichtigt werde. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR 2200 § 1233 Nr 7 stehe der Auslegung des § 6 AVG in der geschehenen Weise nicht entgegen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Sie rügt eine Verletzung der §§ 6 Abs 1 Nr 3, 10 Abs 1a, 82 Abs 1 AVG. Der Sinn und Zweck des § 10 Abs 1a AVG erfordere seine entsprechende Anwendung auf Bedienstete anderer als der in § 6 Abs 1 Nr 3 AVG genannten Körperschaften nicht. Mit dem Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 habe der Gesetzgeber die gesetzliche Rentenversicherung für breite Bevölkerungsschichten geöffnet, jedenfalls die ausgeschlossenen Gruppen möglichst klein und überschaubar gehalten. Letzteres entspreche der Solidarhaftung, denn im Interesse des regelmäßigen Beitragsaufkommens müsse die Zahl derer übersichtlich bleiben, die erst durch Nachversicherung nachträglich in die Versichertengemeinschaft einzugliedern seien. Dieser Zielsetzung des RRG stehe eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 3 AVG auf deutsche Beamte nichtdeutscher Körperschaften entgegen; sie erweitere die abgegrenzte Gruppe von nicht bzw nur eingeschränkt zur freiwilligen Versicherung Berechtigten. Sei wegen des Ausnahmecharakters von § 10 Abs 1a AVG eine Analogie überdies auch systematisch bedenklich, so sei die unterschiedliche Behandlung der zu den EG abgeordneten deutschen Beamten im Vergleich zu den (deutschen) EG-Beamten ohne deutschen Beamtenstatus durch die deutsche Rentengesetzgebung schließlich auch im Hinblick auf Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) begründet.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist von Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beitragserstattung.

Nach § 82 Abs 1 Satz 1 und 3 AVG in der hier anzuwendenden Fassung des RRG (vgl dazu SozR 2200 § 1303 Nr 5) ist dem Versicherten nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende der Versicherungspflicht auf Antrag die Hälfte der entrichteten (hier: nachentrichteten) Beiträge zu erstatten, wenn die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung entfallen ist, ohne daß ein Recht zur freiwilligen Versicherung besteht. Maßgebend für das Bestehen des Versicherungsrechts ist der Zeitpunkt des Erstattungsantrages (SozR 2200 § 1303 Nrn 4 und 5; § 1233 Nr 7). Im März 1978 war die Klägerin jedoch nach § 10 Abs 1 AVG zur freiwilligen Versicherung berechtigt, da sie weder nach dem AVG noch nach anderen Rentenversicherungsgesetzen versicherungspflichtig war; dabei kann offenbleiben, ob sich ihre Versicherungsberechtigung aus Satz 1 der Vorschrift herleitet (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes) oder aus Satz 2 (Deutsche im Sinne des Art 116 Abs 1 GG mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland).

Das Recht zur freiwilligen Versicherung entfiel nicht aufgrund von § 10 Abs 1a AVG, der die Versicherungsberechtigung für die versicherungsfreien Personen im Sinne von § 6 AVG und die auf Antrag von der Versicherungspflicht Befreiten im Sinne der §§ 7 und 8 AVG dahin einschränkt, daß ihnen das Versicherungsrecht erst nach einer Vorversicherungszeit von 60 Kalendermonaten zusteht. Diese Beschränkung entfällt für die Klägerin, deren Vorversicherung eine kürzere Zeit umfaßt, aus dem Grunde, weil sie nicht zum Kreis der von den §§ 6 bis 8 AVG betroffenen Personen gehört; insbesondere zählt sie nicht zu den Beamten oder sonstigen Beschäftigten im Sinne von § 6 Abs 1 Nr 3 AVG, deren Versicherungsfreiheit - ua - davon abhängt, daß ihr Dienstherr eine der in der Nr 2 der Vorschrift genannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist. Dabei kann dahinstehen, ob sie als EG-Bedienstete überhaupt "Beamter" in dem Sinne ist, wie ihn die Vorschrift versteht (s hierzu Manzanares in DÖV 1971, S 73 ff; Groeben/Boeckh/Thiesing, Komm zum EWG-Vertrag, 2. Aufl, S 515 f; ferner BVerwG, Buchholz 232.5 § 5 BeamtVG für eine Dienstleistung bei der NATO), zumal § 6 Abs 1 Nr 3 AVG "sonstige Beschäftigte" einbezieht. Denn jedenfalls gehören die EG nicht zu von § 6 Abs 1 Nr 3 iVm Nr 2 AVG erfaßten Dienstherren bzw Arbeitgebern. Daß mit "Bund" in § 6 AVG nur die Bundesrepublik Deutschland gemeint ist, hat der Senat bereits entschieden (SozR 2200 § 1233 Nr 7). Darüber hinaus sind auch die weiteren in der Nr 2 aufgezählten Körperschaften solche des innerstaatlichen Rechts, denn ebenso wie der Begriff "Bund" kennzeichnen zB auch die Begriffe "Länder, Gemeindeverbände, Gemeinden" Dienstherren des deutschen Beamtenrechts (so der 12. Senat des BSG in SozR 2200 § 1229 Nr 1 und der 5. Senat in SozR 2200 § 1303 Nr 15 = SGb 1980, 491). Auch ergibt sich daraus, daß nach § 6 Abs 2 AVG für die Versicherungsfreiheit nach Abs 1 Nr 3 (und 4) noch die Entscheidung (Feststellung) des zuständigen Bundesministers oder der obersten Verwaltungsbehörde des Landes über die Gewährleistung der Versorgungsanwartschaft gefordert wird (vgl dazu das Urteil des Senats vom 5. November 1980 - 11 RA 118/79 - sowie den 5. Senat des BSG aaO), daß die Regelung auf den innerstaatlichen Bereich beschränkt ist. War im März 1978 nach dem Sachverhalt für die Klägerin indessen kein deutscher Dienstherr vorhanden und fehlen darüber hinaus Feststellungen des LSG, daß eine Entscheidung der zuständigen obersten Landesbehörde nach § 6 Abs 2 AVG getroffen ist, dann kann die Klägerin Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 3 AVG für sich nicht in Anspruch nehmen.

Entgegen der Ansicht des LSG ist die Klägerin auch nicht in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift versicherungsfrei und - mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 10 Abs 1a AVG - darum berechtigt, die Erstattung der Versicherungsbeiträge nach § 82 Abs 1 AVG zu verlangen. Das LSG hält § 6 Abs 1 Nr 3 AVG für entsprechend anwendbar, weil der Zweck des § 10 Abs 1a, eine Doppelversorgung zu vermeiden, die weitgehende Vergleichbarkeit der beamtenrechtlichen Regelungen für deutsche Beamte und Beamte der EG, die enge Verknüpfung deutscher EG-Beamter mit dem deutschen Beamtenrecht und schließlich der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG die entsprechende Anwendung verlangten. Diese Erwägungen rechtfertigen die geschehene Handhabung des Gesetzes indessen nicht. § 6 Abs 1 Nr 3 AVG erlaubt keine Erweiterung seines Anwendungsbereiches im Wege der analogen Anwendung auf andere als die ausdrücklich geregelten Tatbestände, weil er eine - vom Gesetzgeber nicht gewollte - Lücke, die durch die Gerichte zu schließen wäre, nicht erkennen läßt.

Hierbei ist davon auszugehen, daß die Vorschriften der Rentenversicherung, die Ausnahmen von der Versicherung zum Gegenstand haben, sich in mehreren Regelungen auswirken. So bewirken die §§ 6 bis 8 AVG nicht nur die Freistellung von der Pflichtversicherung, sondern § 10 Abs 1a AVG zufolge im Prinzip auch den Ausschluß von der freiwilligen Versicherung; das hat wiederum zur Folge, daß die Betroffenen die Beiträge im Rahmen des § 82 Abs 1 AVG erstattet bekommen können, falls sie nicht - aufgrund von § 10 Abs 1a - ausnahmsweise zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind. Des weiteren kann bei einem unversorgten Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung bis auf wenige Ausnahmen (§ 6 Abs 1 Nr 1 sowie zum Teil bei § 7 AVG) die Nachversicherung gemäß § 9 AVG durchgeführt werden; sie erstreckt sich auf diejenigen Beschäftigungszeiten, die in der Rentenversicherung an sich versicherungspflichtig und nur infolge einer der in § 9 Abs 1 AVG genannten Ausnahmevorschriften versicherungsfrei waren. Dabei läßt die Rechtsprechung (s Urteil des Senats vom 5. November 1980 aaO mit weiteren Nachweisen) die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 3 AVG nur für Beschäftigungen gelten, die im Beamtenverhältnis verrichtet wurden.

Angesichts dieser komplexen und aufeinander abgestimmten Gesamtregelung kann § 10 Abs 1a AVG nicht isoliert betrachtet werden. Zwar trifft die Ansicht des LSG zu, daß bei der Vorschrift im Vordergrund die Erwägung steht, die Versicherung nicht Personen zu eröffnen, für deren soziale Sicherung bereits anderweit gesorgt ist. Hierin erschöpft sich indessen nicht ihr Sinn und Zweck. § 10 Abs 1a AVG ergänzt vielmehr die darin aufgeführten Bestimmungen über die Ausnahmen von der Versicherungspflicht, er verdeutlicht das Bestreben des Gesetzgebers, dem in den §§ 6 bis 8 AVG erfaßten Personenkreis zugleich grundsätzlich den freiwilligen Zugang zur Rentenversicherung zu verschließen, ihm dann aber auch über § 82 AVG die Erstattung früher entrichteter Beiträge zu ermöglichen. Diese Regelungen erfordern, schon im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, eine eindeutige Abgrenzung des betroffenen Personenkreises. Deshalb ist in den §§ 6 bis 8 AVG bis ins einzelne festgelegt, unter welchen Voraussetzungen Versicherungsfreiheit besteht bzw Befreiung von der Pflichtversicherung allein erfolgen kann. So sind in § 6 Abs 1 Nr 2 und in § 8 die infrage kommenden Arbeitgeber, daneben sowie in § 6 Abs 1 Nr 3 bis 6 die Gruppen der Beschäftigten enumerativ genannt. Darüber hinaus verlangen § 6 Abs 2 eine besondere Gewährleistungsentscheidung, §§ 7 und 8 AVG einen Antrag sowie die - konstitutive - Entscheidung des Versicherungsträgers oder anderer in § 6 Abs 2 genannter Verwaltungsstellen über die Versicherungsbefreiung. Außerdem wird ein bestimmter Umfang der anderweitigen Sicherung gefordert. Das alles zeigt, daß die §§ 6 bis 8 AVG eine erschöpfende Regelung treffen wollen, so daß bei den davon nicht erfaßten Personen keine Lücke, vielmehr ein bewußter Ausschluß anzunehmen ist. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob die §§ 6 bis 8 AVG unmittelbar oder mittelbar über die §§ 10 und 82 AVG anzuwenden sind.

Die in § 6 Abs 1 Nr 3 AVG getroffene Regelung kann daher entgegen der Auffassung des LSG nicht als lückenhaft angesehen werden, sie ist vielmehr Teil einer Gesamtkonzeption, die keine Ausnahme zuläßt. Dies gilt um so mehr, als die Versicherungsfreiheit nach dieser Vorschrift überhaupt nur eintritt, wenn eine der in § 6 Abs 2 AVG genannten Stellen festgestellt hat, daß die in Abs 1 Nr 3 geforderte Anwartschaft gewährleistet ist; wer bei einer entsprechenden Anwendung von § 6 Abs 1 Nr 3 AVG solche Feststellungen treffen müßte, bliebe in vielen Fällen unklar. Vom Standpunkt des LSG müßte zudem fraglich erscheinen, ob hier die Nachversicherung der Klägerin (die nun Erstattung der Hälfte dieser Beiträge verlangt) überhaupt zu Recht durchgeführt worden ist; denn nach § 125 Abs 1 Buchst a AVG wird die Nachentrichtung von Beiträgen aufgeschoben, wenn der Beschäftigte in eine "andere versicherungsfreie Beschäftigung" übertritt.

Dies hat zur Folge, daß Beschäftigte der EG, die als Dienstherren bzw Arbeitgeber im Gesetz unerwähnt sind, als versicherungsfrei nicht betrachtet werden können. Das bedeutet, daß für die deutschen EG-Beamten auch im übrigen die Regeln des deutschen Rentenversicherungsrechts gelten: Sie können sich versichern, falls die Voraussetzungen dafür vorliegen. Darauf, ob für die Klägerin als Beamtin der EG eine Versorgung gleicher oder besserer Art vorhanden ist als für deutsche Beamte bzw andere in den §§ 6 bis 8 AVG genannte Personen, kommt es nicht entscheidend an; die Vermeidung einer "Doppelversorgung" ist nur ein Teil des Grundgedankens dieser Vorschriften und des § 10 Abs 1a AVG. Im übrigen ist es durchaus fraglich, ob die Klägerin in doppelter Weise versorgt ist bzw sein würde, denn bei einem möglichen Ausscheiden aus dem EG-Dienst ohne Versorgungsanspruch würde sie nicht "nachversichert"; sie könnte in einem solchen Fall schlechter stehen als ein Beamter nach deutschem Recht (s Art 47 ff, 77 ff und Anhang VIII des Statuts der Beamten der EG, ABl 1972 C 100/17, 25, 53).

Gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt das gefundene Ergebnis nicht. Abgesehen davon, daß unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes die Beitragserstattung nicht gesondert, sondern zusammen mit dem Recht der freiwilligen Versicherung zu sehen wäre, die freiwillige Versicherung als solche aber nur als Vorteil gewertet werden könnte, ist die gesetzliche Regelung jedenfalls nicht erkennbar sachwidrig. Die unterschiedliche Lage eines deutschen Beamten ohne Recht zur freiwilligen Versicherung, dem die gezahlten Beiträge erstattet werden, und eines deutschen EG-Beamten, der sich freiwillig versichern kann und deshalb die Beiträge nicht erstattet bekommt, erklärt sich daraus, daß der deutsche Gesetzgeber das Versicherungsrecht der deutschen Beamten - erschöpfend - geregelt und daß er im Recht der Rentenversicherung (anders als im Beamtenversorgungsrecht, vgl §§ 6 Abs 4 Nr 4, 56 BeamtVG) keine Sonderbestimmungen für EG-Beamte getroffen hat. Dies kann jedoch nicht willkürlich genannt werden, denn der Gesetzgeber ist grundsätzlich nur gehalten, den Normenschutz für die im Inland Lebenden unter Beachtung der hier vorhandenen Gegebenheiten sicherzustellen; er ist nicht verpflichtet, alle außerhalb dieses Gebiets möglichen Abweichungen zu berücksichtigen. Das gilt um so mehr deshalb, weil es sich dabei um sehr unterschiedliche Gestaltungen handeln kann; auch im vorliegenden Zusammenhang wäre zB nicht nur an die Beschäftigungsverhältnisse von Deutschen bei der EG, sondern auch bei zahlreichen sonstigen zwischen- und überstaatlichen Organisationen zu denken (die Entsendungsrichtlinien vom 25. September 1973, GemMinBl S 456, führen 90 Stellen in der Anlage auf). Der Gesetzgeber muß deshalb nicht die Tätigkeit eines deutschen Beamten bei einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung der Tätigkeit bei einem deutschen Dienstherren in jeder versorgungs- bzw versicherungsrechtlichen Hinsicht gleichstellen (BVerwG, Buchholz 232.5 § 5 BeamtVG). Für den versicherungsrechtlichen Unterschied zwischen einem EG-Beamten mit deutschem Beamtenstatus und einem EG-Beamten ohne deutschen Beamtenstatus sprechen hiernach gleichfalls sachliche Gründe. Auch hier handelt es sich für den Gesetzgeber, der sich auf die deutschen Verhältnisse ausrichten darf, allein um eine Abgrenzungsfrage.

Nach alledem war, wie geschehen, zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 157

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