Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsausschluß nach § 10 Abs 7 Buchst a BVG. Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung, ob Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 Abs 7 BVG ausgeschlossen sind, obliegt der Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung auch dann, wenn die Behandlungen von der gesetzlichen Krankenkasse durchzuführen sind (Ergänzung zu BSG 1980-07-09 9 RV 72/78).

2. Ansprüche auf Heil- und Krankenbehandlung sind für Schwerbeschädigte, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, nach § 10 Abs 7 Buchst a BVG nur dann ausgeschlossen, wenn die Krankenkassen als Sozialversicherungsträger zu entsprechenden Leistungen verpflichtet sind und wenn die Beschädigten nicht mit mehr als der Hälfte der Beiträge belastet werden.

 

Orientierungssatz

1. Es wäre im Verhältnis zu den Pflichtversicherten nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG zu vereinbaren, wenn freiwillige Mitglieder der Sozialversicherung in jedem Fall, also auch bei voller Beitragslast gemäß § 10 Abs 7 Buchst a BVG von der Heil- und Krankenbehandlung ausgeschlossen würden.

2. Zur Interpretation und Abgrenzung der Ausschlußfälle der Buchstaben a, b und c in § 10 Abs 7 BVG.

3. Nach § 10 Abs 7 Buchst a Alt 1 BVG besteht ein Behandlungsanspruch nicht, wenn und soweit ein "Sozialversicherungsträger" zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet ist. Die AOK, bei der der Beschädigte freiwillig versichert ist, gehört als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung zu den Sozialversicherungsträgern in diesem Sinn (§ 4 SGB 1, § 1 Abs 1, § 29 SGB 4). Der Begriff "Sozialversicherung" ist in einem allgemeinen und umfassenden Sinn so zu verstehen, daß er auch die freiwillige Versicherung bei Sozialversicherungsträgern umfaßt (vgl BSG vom 1964-10-15 7 RAr 63/63 = BSGE 22, 41, 42 f).

 

Normenkette

BVG § 10 Abs 7 Buchst a Fassung: 1974-08-07, §§ 18c, 10 Abs 7 Buchst b Fassung: 1974-08-07, § 10 Abs 7 Buchst c Fassung: 1974-08-07; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; BVG § 10 Abs 7 Buchst a Alt 1; SGB 1 § 4; SGB 4 § 1 Abs 1; SGB 4 § 29

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.04.1980; Aktenzeichen L 9 V 390/79)

SG Stade (Entscheidung vom 25.07.1979; Aktenzeichen S 1 V 27/79)

 

Tatbestand

Der Kläger bezieht Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 vH. Er ist freiwillig bei einer Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) krankenversichert. Im Dezember 1978 beantragte er beim Versorgungsamt einen Bundesbehandlungsschein für sich und seine Familienmitglieder. Dabei erklärte er, 1977 habe sein steuerpflichtiges Einkommen 978,-- DM monatlich betragen. Die Versorgungsverwaltung lehnte den Antrag auf Heilbehandlung von Gesundheitsstörungen, die nicht als Schädigungsfolgen anerkannt sind, und auf Krankenbehandlung für Familienmitglieder (§ 10 Abs 2 und 4 BVG) nach § 10 Abs 7 BVG ab, weil das Bruttoruhegehalt des Klägers die Jahresarbeitsverdienstgrenze von 3.000,-- DM übersteige, der Kläger keine Ausgleichsrente erhalte und die beabsichtigte Behandlung durch eine gesetzliche Krankenversicherung sichergestellt sei (Bescheid vom 29. Januar 1979, Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1979). Das Sozialgericht (SG) wies die Klage aus den gleichen Gründen ab (Urteil vom 25. Juli 1979). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25. April 1980): Den Heil- und den Krankenbehandlungsanspruch sieht das Gericht allein deshalb als unbegründet an, weil ein Sozialversicherungsträger, bei dem der Kläger freiwillig versichert sei, entsprechende Leistungen gewähren müsse. Für den Ausschluß dieser Behandlungen sei es bedeutungslos, ob der Beschädigte als Pflicht-, Weiter- oder Freiwillig-Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung angehöre. Ein Übersteigen der Jahresarbeitsverdienstgrenze hat das Gericht nicht geprüft.

Der Kläger hat die - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene - Revision eingelegt und vertritt die Auffassung, das LSG habe den Begriff "Sozialversicherung" in § 10 Abs 7 Buchstabe a BVG unrichtig ausgelegt. Die ungleiche Behandlung von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung und Personen, die privat versichert sind, verstoße gegen Art 3 Grundgesetz (GG). Schwerbeschädigte, die freiwillig der Sozialversicherung beigetreten seien, müßten ebenfalls unentgeltlich Heil- und Krankenbehandlung erhalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache

zur erneuten Verhandlung und Entscheidung

an das Gericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er tritt der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung bei.

Der Vertreter der Beigeladenen vertritt die gleiche Auffassung; der Kläger sei als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schutzbedürftig in dem Sinn, daß ihm die Versorgungsleistungen nach § 10 Abs 2 und 4 BVG gewährt werden müßten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils muß der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Der Kläger begehrt als Schwerbeschädigter (§ 31 Abs 3 Satz 1 BVG) nach § 10 Abs 2 BVG Heilbehandlung wegen solcher Gesundheitsstörungen, die nicht als Schädigungsfolgen iS des § 1 BVG anerkannt sind, und nach Abs 4 Satz 1 Buchstabe a Krankenbehandlung für Familienmitglieder. Der Beklagte soll zur Erfüllung dieser Ansprüche grundsätzlich verpflichtet werden. Als Ausweis soll ein Bundesbehandlungsschein für den behandelnden Arzt (§ 18a Abs 1 Satz 2, § 18b BVG; BSGE 25, 257, 258f = SozR Nr 4 zu § 10 BVG) ausgestellt werden. Einen solchen Beleg, durch den die Leistungsberechtigung nach dem BVG bekundet wird, hätte die zuständige Krankenkasse auszustellen, in diesem Fall die AOK, bei der der Kläger versichert ist (§ 225 der Reichsversicherungsordnung -RVO-).Sie hätte die Heil- und die Krankenbehandlung "durchzuführen", dh die einzelnen Leistungen zu gewähren oder abzulehnen (§ 18c Abs 2 Satz 1 und 2 iVm § 10 BVG; BSGE 37, 235, 238f = SozR 3100 § 18c Nr 1; Urteil des erkennenden Senats vom 9. Juli 1980 - 9 RV 72/78 - Orientierungssatz in: Versorgungsbeamter 1980, 143). Deswegen und wegen eines möglichen Erstattungsanspruches der AOK gegen den Beklagten sollte das LSG die Krankenkasse, deren Mitglied der Kläger ist, nach § 75 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Verfahren beiladen.

Über das Grundverhältnis, dh darüber, ob überhaupt der Kläger Heil- und Krankenbehandlung nach § 9 Nr 1 iVm § 10 Abs 2 und 4 BVG beanspruchen kann und ob diese Leistungen für ihn als Schwerbeschädigten nicht schlechthin durch einen der Tatbestände des § 10 Abs 7 BVG ausgeschlossen sind, haben allerdings die "Verwaltungsbehörden", dh die zuständigen Stellen der Versorgungsverwaltung, hier des Beklagten (Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung -KOV- vom 12. März 1951 - BGBl I 169) zu entscheiden (im Ergebnis auch zB BSG SozR 3100 § 10 Nr 14). Das hat der erkennende Senat bereits für die "Grundelemente des Versorgungsanspruchs" als Voraussetzung für die Heilbehandlung von Schädigungsfolgen nach § 10 Abs 1 BVG im Urteil vom 9. Juli 1980 (Seite 8 des Abdrucks) klargestellt. Das selbständig Tätigwerden der Krankenkasse bei der Durchführung gemäß § 18c Abs 2 BVG setzt voraus, daß dem Krankenversicherungsträger diese Aufgabe für den Einzelfall überhaupt gesetzlich übertragen ist. Wenn dies als gesetzlicher Auftrag im sozialrechtlichen Sinn zu verstehen ist (vgl § 94 des Entwurfes des Dritten Kapitels des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB 10 - BR-Drucks 526/80; dazu Begründung, Seite 20), so kann der Beauftragte nicht selbst mit Außenwirkung darüber befinden, ob er beauftragt ist. Diese Zuständigkeitsverteilung ist auch für die Versorgungsberechtigten praktisch. Entweder wenden sie sich direkt zur Regelung dieser Versorgungsangelegenheit an ihr Versorgungsamt, oder die zuständige Krankenkasse, an die sie sich als grundsätzlich für Heilbehandlungen zuständige Verwaltung halten, führt die Entscheidung der Versorgungsbehörde herbei, ohne den Beschädigten besonders an diese zu verweisen (§ 16 SGB 1, § 86 Entwurf des SGB 10).

Ob die umstrittenen Ansprüche nach § 10 Abs 7 Buchstabe a oder b BVG im Fall des Klägers ausgeschlossen sind, läßt sich aufgrund der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht entscheiden.

Nach der ersten Alternative des Buchstaben a dieser Vorschrift besteht ein solcher Behandlungsanspruch nicht, wenn und soweit ein "Sozialversicherungsträger" zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet ist. Die AOK, bei der der Kläger freiwillig versichert ist, gehört als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung zu den Sozialversicherungsträgern in diesem Sinn (§ 4 SGB 1, § 1 Abs 1, § 29 SGB 4). Der Begriff "Sozialversicherung" ist in einem allgemeinen und umfassenden Sinn so zu verstehen, daß er auch die freiwillige Versicherung bei Sozialversicherungsträgern umfaßt (§ 2 Abs 1 SGB 4; dazu Merten in: Krause/von Maydell/Merten/Meydam, GK-SGB IV, § 2, Rz 81; zu §§ 12 und 16 Sozialgerichtsgesetz: BSGE 22, 41, 42 f = SozR Nr 17 zu § 16 SGG). Diese weite Wortbedeutung muß den § 10 Abs 7 Buchstabe a BVG nicht ausnahmslos beherrschen. So hält die Revision eine verfassungskonforme Beschränkung des Wortsinnes für Fälle wie den des Klägers für geboten. Sie meint, andernfalls würde der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG verletzt. Dies ist je nach der noch aufzuklärenden Sachlage nicht ausgeschlossen.

Der allgemeine Begriffsinhalt muß nicht stets und in jedem rechtlichen Zusammenhang gelten, wenn das Wort "Sozialversicherung" verwendet wird. Vielmehr ist der Sinn dieses Begriffes jeweils aus dem Zweck der Vorschrift, in der er verwendet wird, zu erschließen (vgl zu einer ähnlichen Ausdrucksweise: BSGE 14, 181, 183 f = SozR Nr 24 zu § 165 RVO). Dies ist zB in Buchstabe b des § 10 Abs 7 BVG angezeigt. Dort ist "Sozialversicherung" in einem engeren Sinn zu verstehen.

Schwerbeschädigte erhalten eine Heilbehandlung wegen anderer Gesundheitsstörungen als der anerkannten Schädigungsfolgen sowie Krankenbehandlung für Familienangehörige wohl als eine Versorgung im weiteren Sinn (§ 9 BVG), jedoch außerhalb der Versorgung im engeren Sinne, die die wahrscheinlichen Folgen bestimmter schädigender Einwirkungen ausgleichen soll (§ 1 Abs 1 und 3 Satz 1, Abs 5 Satz 1 BVG, § 5 SGB 1). Es handelt sich - ähnlich wie bei der Ausgleichsrente (§§ 32, 33 BVG) - um eine fürsorgerische Leistung aus der Kriegsopferversorgung am "Rande ihrer Obliegenheiten" nach einer "Auffangvorschrift" (BVG SozR 3100 § 10 Nrn 6 und 13). Sie wird nach dem Maße der Schutzbedürftigkeit erbracht. § 10 Abs 7 BVG enthält, ungeachtet des gemeinsamen Grundgedankens der Subsidiarität (BSG SozR Nr 3 zu § 10), verschiedenartige Maßstäbe der Bedürftigkeit. Die Bedürftigkeit ist in den anderen Tatbeständen negativ und klarer als unter dem Buchstaben a bestimmt. Aus diesem systematischen Zusammenhang heraus sind die Ausschlußfälle des Buchstaben a, um die es hier vor allem geht, zu interpretieren. Gemäß Buchstabe b, worüber das LSG überhaupt noch nicht entschieden hat, werden die umstrittenen Leistungen grundsätzlich durch ein Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsverdienstgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung und gemäß Buchstabe c durch eine Sicherstellung der Heil- und Krankenbehandlung kraft eines anderen Gesetzes (vgl BSG aaO; Verwaltungsvorschrift Nr 10 zu § 10 BVG) ausgeschlossen. Diese beiden Fallgruppen lassen zwei unterschiedliche Bewertungsgesichtspunkte erkennen: Im ersten Tatbestand (Buchstabe b) wird eine Bedürftigkeit verneint, weil dem Schwerbeschädigten nach einem typisierenden Maßstab zugemutet wird, aus eigenem Einkommen die notwendigen Heil- und Krankenbehandlung zu bezahlen oder für ganz oder teilweise abdeckende Versicherungsleistungen Vorsorge zu treffen (vgl dazu BSG SozR 3100 § 10 Nr 14). Hingegen wird nach dem letzten Tatbestand (Buchstabe c) ein Schwerbeschädigter allein deshalb als nicht fürsorgebedürftig iS des § 10 Abs 2 und 4 BVG angesehen, weil die erforderliche Behandlung bereits aus anderen öffentlichen Mitteln kraft Gesetzes sichergestellt ist; dabei wird es sich im allgemeinen um Zuwendungen handeln, für die der Berechtigte keine eigenen Gegenleistungen in Form von Beiträgen aufzubringen braucht. Für die Pflichtversicherten, die "entsprechende Leistungen" iS des Buchstaben a von einem Sozialversicherungsträger beanspruchen können, trifft weder der eine noch der andere Gesichtspunkt, der eine Bedürftigkeit nach den Buchstaben b und c ausschließt, allein zu. Den Pflichtversicherten hat ein Sozialversicherungsträger wohl in der Regel aufgrund eines Gesetzes ihre Heilbehandlung zu sichern. Aber sie müssen andererseits üblicherweise die Hälfte der erforderlichen Beiträge selbst aufbringen (für die Krankenversicherung: § 381 Satz 1 RVO). Ihnen wird schließlich wegen ihrer beschränkteren Einkommensverhältnisse nicht zugemutet, eine hinreichende Vorsorge für den Fall der Krankheit uneingeschränkt selbst zu treffen. Als typische Leistungsberechtigte gegenüber den Sozialversicherungsträgern nehmen sie eine Mittelstellung zwischen den unterschiedlichen Personengruppen ein, die von den Buchstaben b und c betroffen werden. Die gleiche Rechtslage muß für Schwerbeschädigte zutreffen, die in der Sozialversicherung freiwillig gegen Krankheitsfälle versichert sind, wenn und soweit sie von Heil- und Krankenbehandlungsansprüchen nach dem Buchstaben a ausgeschlossen werden sollen.

Aus der Sozialversicherung erhalten sie regelmäßig die gleichen Leistungen wie Pflichtversicherte (§ 2 Abs 1 SGB 4 iVm § 4 Abs 2 und § 21 SGB 1, §§ 206 bis 209, 215, 310 RVO; BSG SozR 3100 § 36 Nr 1 S 4). Wenn ein Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen werden kann, allerdings bei entsprechender Beitragsermäßigung (§ 215 RVO), so trifft dies auch für pflichtversicherte Rentner zu (§ 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 RVO). Die Sachleistungen, insbesondere ärztliche und zahnärztliche Behandlung sowie Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Heilmitteln, um die es dem Kläger in erster Linie gehen wird, werden hingegen regelmäßig in vollem Umfange bei Notwendigkeit erbracht (§ 182 Abs 1 Nr 1 und Abs 2, §§ 182b ff RVO). Sie sind nach sozialen Gesichtspunkten unabhängig von der Höhe der Beiträge, die nach der Einkommenshöhe gestaffelt werden (§ 385 iVm § 180 RVO; BSGE 6, 213, 217, 227 ff), und schließen Familienhilfe ohne Beitragszuschläge ein (§§ 205f RVO). Das rechtfertigt grundsätzlich die gleiche Behandlung der beiden Versichertenkreise in diesem Zusammenhang, dh den Ausschluß einer nach Bedürftigkeit zu gewährenden Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 Abs 7 Buchstabe a BVG auch für freiwillig Versicherte. Gleiches gilt für die Versagung einer Beihilfe im öffentlichen Dienst, einer ebenfalls durch ein Fürsorgeprinzip begründeten Leistung, falls Sachleistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung erbracht werden (Nr 3 Abs 3 der Beihilfevorschriften - jetzt idF vom 1. Februar 1979 - GMBl 1979, 67; Bundesverwaltungsgericht Buchholz 23891 Nr 3 BhV Nr 17). In diesen Merkmalen unterscheidet sich die Sozialversicherung sowohl für Pflicht- als für Freiwillig-Versicherte von der Privatversicherung. Vertragliche Ansprüche aus einer privaten Kranken- oder Unfallversicherung schließen nach § 10 Abs 7 Buchstabe a BVG solche nach den Absätzen 2 und 4 nicht aus. Ob diese Ausnahme von einem Ausschlußtatbestand innerhalb des Zusammenhanges der übrigen Fallgruppen des § 10 Abs 7 BVG systemgerecht ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls rechtfertigen jene Gemeinsamkeiten im Leistungsrecht für die gesetzlichen und für die freiwilligen Mitglieder der Sozialversicherung, die ihre Stellung von derjenigen der Privatversicherten unterscheidet, auch grundsätzlich die freiwillig Sozialversicherten dem Ausschlußtatbestand des Buchstaben a zuzuordnen.

Allerdings kann der Sinngehalt des § 10 Abs 7 Buchstabe b BVG nicht hinreichend systemgerecht erschlossen werden, wenn allein auf die Leistungsseite abgestellt wird. Die freiwillig Sozialversicherten haben auch bei geringerem Einkommen, als es unter dem Buchstaben b festgelegt ist, selbst die vollen Beiträge aufzuwenden, um überhaupt in den Genuß der Leistungsansprüche wie Pflichtversicherte zu kommen (für die Krankenversicherung: § 381 Abs 3 Satz 1 RVO). Insoweit stehen sie den Privatversicherten näher. Den freiwillig sozialversicherten Schwerbeschädigten dürfen aber konsequenterweise, wenn das Gesetz allein auf ihre Ansprüche aus der Sozialversicherung abhebt, Heil- und Krankenbehandlung nur bei gleichartigem Beitragsaufwand, wie er die Pflichtversicherten trifft, versagt werden. Sie dürfen infolgedessen mit keinem höheren Beitragsanteil belastet sein, als sie im Status des Pflichtversicherten bei gleichen Einkommensverhältnissen höchstens selbst aufbringen müßten. Den Pflichtversicherten können sie wirtschaftlich dadurch gleichgestellt sein, daß ihnen zB der Arbeitgeber oder ein Versicherungsträger wenigstens die Hälfte der Gesamtschuld erstattet (§ 381 Abs 2, 3a, Abs 4a, § 405 RVO; vgl dazu BSGE 44, 45, 47 ff = SozR 2200 § 381 Nr 17).

Falls freiwillige Mitglieder der Sozialversicherung in jedem Fall, also auch bei voller Beitragslast, von der Heil- und Krankenbehandlung ausgeschlossen würden, wäre dies im Verhältnis zu den Pflichtversicherten nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG zu vereinbaren. Dieser Verfassungsgrundsatz gebietet die Gleichbehandlung und verbietet die ungleiche Behandlung wesentlich gleicher Tatbestände (ständige Rechtsprechung). Ohne eine umfassende Angleichung, die auch die Beitragsseite umschließt, wäre die Gleichstellung der freiwillig Versicherten mit den Pflichtversicherten in bezug auf Heil- und Krankenbehandlung nicht gerechtfertigt. Der Beitragsaufwand darf bei den unter Buchstabe a behandelten Fällen nicht außer acht gelassen werden, weil er die Sonderstellung gegenüber den Tatbeständen des Buchstaben c kennzeichnet. In diesem Sinn ist § 10 Abs 7 Buchstabe a BVG, insbesondere der darin enthaltene Begriff der "Sozialversicherung", verfassungskonform auszulegen, damit die aufgezeigte Verfassungswidrigkeit vermieden wird (BVerfGE 8, 38, 41).

In einem ähnlichen Sinn hat der erkennende Senat bereits die Vorschrift des § 36 Abs 4 BVG einschränkend ausgelegt.Nach ihr ist auf das Bestattungsgeld (Abs 1 bis 3) eine "auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften für den gleichen Zweck zu gewährende Leistung" anzurechnen. Darunter fällt ein Sterbegeld, das auf freiwilliger Mitgliedschaft in der Krankenversicherung beruht, nur dann, wenn der Arbeitgeber zum Krankenversicherungsbeitrag einen Anteil in gleicher Höhe wie bei einer Krankenversicherungspflicht gezahlt hat (BSG SozR 3100 § 36 Nr 1). Mit den Gründen dieser Entscheidung läßt sich auch die vorstehende einschränkende Auslegung des § 10 Abs 7 Buchstabe a BVG ergänzend rechtfertigen, obgleich das Bestattungsgeld eine andersartige Leistung als die Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 Abs 2 und 4 BVG ist.

Das LSG hat nunmehr aufzuklären, wie die Beiträge des Klägers finanziert werden. Nur dann, wenn der Kläger nicht mehr als die Hälfte selbst aufbringen muß, ist ihm die begehrte Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 Abs 7 Buchstabe a BVG zu versagen.

Trifft hingegen dieser Ausschlußtatbestand nicht zu, so bleibt zu prüfen, ob der Beklagte und das SG mit Recht angenommen haben, daß die begehrten Leistungen nach § 10 Abs 7 Buchstabe b BVG ausgeschlossen sind. Beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens besteht kein Anlaß, im einzelnen vorweg zu entscheiden, wie das nach dieser Vorschrift maßgebende "Einkommen" zu bestimmen ist (vgl dazu Verwaltungsvorschrift Nr 9 zu § 10 BVG). Grundsätzlich wird der Inhalt dieses Begriffes, der in einer Bestimmung des Kriegsopferrechts enthalten ist, in erster Linie durch Maßstäbe dieses Rechtsgebiets geprägt (ebenso zu § 9 Abs 2 Nr 2 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG: Urteile des erkennenden Senats vom 29. Oktober 1980 - 9 RV 6/80 und 9 RV 12/80 -). Da die nach § 10 Abs 2 und 4 BVG zu gewährenden Leistungen die fürsorgerische Natur mit der Ausgleichsrente gemeinsam haben, liegt es nahe, für die Bedürftigkeitsgrenze grundsätzlich ebenso wie bei dieser Leistung das Bruttoeinkommen maßgebend sein zu lassen (vgl § 33 Abs 1 Satz 2 BVG). Im übrigen ist auch in der gesetzlichen Krankenversicherung die Bruttojahresarbeitsverdienstgrenze, auf die § 10 Abs 7 Buchstabe b BVG wegen der Höhe des einen Anspruch ausschließenden Einkommens verweist, ausschlaggebend (BSGE 47, 1, 3 = SozR 2200 § 205 Nr 15; jetzt: § 14 Abs 2, § 15 SGB 4). Der Gesetzgeber hat die betroffenen Personen als nicht schutzbedürftig danach typisierend abgegrenzt, daß ihnen auch unter Berücksichtigung der individuell verschiedenen Steuerabzüge eine Eigenvorsorge zugemutet werden kann.

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1654727

Breith. 1982, 227

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