Leitsatz (amtlich)

1. Zum Herstellungsanspruch, wenn ein Versicherungsträger über die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 10 WGSVG für Beschäftigungszeiten iS des § 16 FRG unrichtig informiert hat, der Verfolgte deshalb die Nachentrichtung insoweit unterlassen hat, später jedoch weitere Beiträge nachentrichten will (Kausalität zwischen Fehlinformation und Nichtbelegung von Zeiten).

2. Der Herstellungsanspruch kann auch auf die Verschiebung (Umbuchung) von entrichteten Rentenversicherungsbeiträgen gerichtet sein (Abgrenzung zu BSG 12.10.1979 12 RK 47/77 = BSGE 49, 76 = SozR 2200 § 1418 Nr 6 und zu BSG 18.8.1983 11 RA 60/82 = BSGE 55, 261 = SozR 2200 § 1303 Nr 27).

 

Normenkette

WGSVG § 10 Fassung: 1970-12-22; FRG § 16 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1407 Abs 2; AVG § 129 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 18.06.1985; Aktenzeichen L 12 An 37/84)

SG Berlin (Entscheidung vom 08.05.1984; Aktenzeichen S 3 An 3817/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin aufgrund eines Herstellungsanspruchs zur Nachentrichtung von weiteren Beiträgen nach § 10 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) iVm § 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) berechtigt ist.

Die 1915 in Rumänien geborene Klägerin ist rassisch Verfolgte. Sie lebt seit 1957 in Israel und ist heute israelische Staatsangehörige. Im November 1975 beantragte sie die Nachentrichtung von Beiträgen nach dem WGSVG und dem Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG). Mit Schreiben vom 19. April 1978 teilte die Beklagte der Klägerin informatorisch mit, daß Beiträge in folgendem Umfang nachentrichtet werden könnten:

"Januar 1933 - August 1934

November 1940 - Dezember 1940

Juni 1941 - September 1941

April 1944 - Juni 1944 u. Oktober, Dezember 1944

1947 - 1948 jährlich November und Dezember

Januar 1949 - Dezember 1952

1953 - 1956 jährlich November und Dezember

Juni 1957 - Januar 1971

Februar 1971 - Dezember 1972 nach Art. 2 § 49a Abs. 2

AnVNG

ab Januar 1973 - laufend nach § 9 WGSVG

Eine Nachentrichtung für die Zeit von Januar 1933 - Juni 1934

und Juli 1941 - September 1941 ist jedoch unwirtschaftlich,

da diese Zeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG und § 36 Abs. 1

Nr. 3 AVG als Ausfallzeiten zu berücksichtigen sind, sofern

die Halbdeckung nach § 36 Abs. 3 AVG gegeben ist".

Weiter hieß es in dem Schreiben, aufgrund der beigebrachten Unterlagen seien für die Klägerin folgende Versicherungszeiten zu berücksichtigen:

"25.06.31

- 30.06.34

Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1

Nr. 4 AVG - Schule-Fachschule -

September 1934

- Juni 1941

§ 16 FRG 5/6 Leist.Gr. 4 Juli 1941

Sept. 1941 Ausfallz. n. § 36 Abs. 1 Nr. 3

AVG

Oktob. 1941

- März 1944

Ersatzz. n. § 28 Abs. 1 Nr. 4

AVG

Juli 1944

- Sept. und

Novemb.

1944

§ 16 FRG 5/6 Leist.Gr. 4

Januar und Dezember 1945

Ersatzz. n. § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG

01.02.45 - 30.11.45

§ 16 FRG 6/6 Leist.Gr. 4 bzw. ab

1. 6. 45 LGr. 3

(bereits gekürzt)

ab 01.06.45 Leist.Gr. 3

01.04.46 - 31.12.48

§ 16 FRG 5/6 Leist.Gr. 3

01.01.53 - 30.04.57

§ 15 FRG 5/6 Leist.Gr. 3

Mai 1957 -

Ersatzz. n. § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG

Jan. - März + Dez. 1946

Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 6

AVG".

Die Klägerin beantragte daraufhin eine Beitragsnachentrichtung nach § 10 WGSVG für die Zeit vom 1. Januar 1933 bis 31. August 1934 und für die Zeit vom 1. Januar 1965 bis 31. Januar 1971 (93 Beiträge der Klasse 100 zu je 18 DM). Die Beklagte entsprach dem Antrag durch Bescheid vom 29. August 1978 und bewilligte ihr durch weiteren Bescheid vom 16. Mai 1979 Altersruhegeld.

Im Oktober 1981 bat die Klägerin "um Neuzulassung der Nachentrichtung nach § 10 WGSVG"; das Schreiben der Beklagten vom 19. April 1978 sei, wie die spätere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergeben habe, insofern unzutreffend gewesen, als die nach § 16 FRG anrechenbaren Versicherungszeiten nicht unter den nachentrichtungsfähigen Zeiten aufgeführt worden seien. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 5. Juli 1982 ab und machte geltend, das Nachentrichtungsverfahren sei durch den früheren Bescheid vom 29. August 1978 abgeschlossen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. November 1983).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin durch Urteil vom 8. Mai 1984 den Bescheid aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die Klägerin zur Nachentrichtung für die Zeiträume von September 1934 bis Juni 1941, von Juli bis September 1944, für November 1944, von Februar bis November 1945 und von April 1946 bis Dezember 1948 zuzulassen. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat durch Urteil vom 18. Juni 1985 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Herstellungsanspruch auf Beitragsnachentrichtung für die genannten Zeiten. Dagegen, daß sie durch das Informationsschreiben an der Belegung von Beschäftigungszeiten gehindert worden sei, spreche, daß sie damals, obgleich rechtskundig beraten, sogar das eine Sechstel der Beschäftigungszeiten nicht belegt habe, das nach der Kürzung auf fünf Sechstel frei gewesen sei. Ferner sei nicht mit hinreichender Schlüssigkeit dargetan, daß der Klägerin durch die Unvollständigkeit bei der Benennung nachentrichtungsfähiger Zeiten ein Schaden entstanden sei. Dagegen spreche schon das Offenlassen der weit überwiegenden Teile des Gesamt-Belegungszeitraums. Auch sei nicht auszuschließen, daß schon damals bei anderer Verteilung des Beitragsaufwandes - etwa durch Nichtbelegung der Ausfallzeiten - oder durch "Bildung verschiedener Beitragshöhen" (gemeint offenbar: Wahl verschiedener Beitragsklassen) ein besseres Ergebnis hätte erzielt werden können. Im übrigen könne die Klägerin allenfalls die Nachentrichtung verlangen, die sie bei früher fehlerfreier Auskunft durchgeführt hätte, nicht aber das Einräumen einer neuen, umfassenden Dispositionsfreiheit dahin, daß ihr die gesamte Nachentrichtung neu eröffnet werden müsse. Soweit sie zuletzt vorgebracht habe, sie hätte von den 44 Beiträgen, die sie für die Zeit von Januar 1933 bis Juni 1934 und für die Zeit von Dezember 1968 bis Januar 1971 entrichtet habe, bei richtiger Auskunft vier Beiträge in die Zeit von September bis Dezember 1934 und je zehn in die Jahre 1935 bis 1938 gelegt, sei die damit angestrebte Umbuchung aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

Gegen das Urteil richtet sich die - vom LSG gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassene - Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Sie habe sich vor der Nachentrichtung von einem "Rentenberechner" beraten lassen und damals die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit gewählt. Wären ihr die nachentrichtungsfähigen Zeiten vollständig genannt worden, so hätte das zu einem anderen Nachentrichtungs- und Rentenzahlungsergebnis geführt. Wenn der Herstellungsanspruch gegeben sei, müsse mit ihm auch eine Umbuchung entrichteter Beiträge erreicht werden können.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 18. Juni 1985 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 1984 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des LSG zum Fehlen der Kausalität an; dazu bringe die Revision auch nichts vor. Eine Umbuchung von Beiträgen sei im Gesetz nicht vorgesehen und könne auch im Wege des Herstellungsanspruchs nicht verlangt werden. Eine nachträgliche Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung von Beiträgen sei auch aufgrund eines Herstellungsanspruchs ausgeschlossen. Hierzu verweist die Beklagte auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12. Oktober 1979 (BSGE 49, 76, 80) und das Urteil des 11. Senats des BSG vom 18. August 1983 (BSGE 55, 261).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die bisher vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 15. Mai 1984 - 12 RK 9/83 - (SozR 5070 § 10 Nr 25), von dem auch das LSG ausgegangen ist, ausgeführt, daß in Fällen der vorliegenden Art als Rechtsgrundlage für das Nachentrichtungsbegehren nur der sozialrechtliche Herstellungsanspruch in Betracht kommt. Denn als die Klägerin im Oktober 1981 die weitere Nachentrichtung beantragte, war die Frist für den Antrag auf Nachentrichtung gemäß § 10 Abs 1 Satz 4 WGSVG (31. Dezember 1975) lange abgelaufen und das durchgeführte Nachentrichtungsverfahren seit mehreren Jahren abgeschlossen. Auch eine Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides vom 29. August 1978 nach § 44 bzw § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) kommt nicht in Betracht, weil der Bescheid vom 29. August 1978 über die - von der Klägerin damals nicht beantragte - Nachentrichtung von Beiträgen für Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG nicht entschieden hat. Auch wenn ein Bescheid, der eine positive Entscheidung (Feststellung, Verpflichtung, Zulassung) enthält, damit uU konkludent zugleich eine negative treffen kann (zB die Feststellung, daß weitere Beitragszeiten nicht vorlägen, oder die Entscheidung, daß mehr als die geforderten Beiträge nicht zu zahlen seien), so gilt dies grundsätzlich nicht für Bescheide, die auf Antrag und dem Antrag gemäß erlassen werden; denn hier bestimmt und begrenzt der Antrag den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, ähnlich wie der Klagantrag im Prozeß dessen Streit- und Entscheidungsgegenstand.

Der Senat hat in dem genannten Urteil vom 15. Mai 1984 seine Auffassung bestätigt, daß die Nachentrichtung auch für Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG zulässig ist. Daran hat er im Urteil vom 25. Oktober 1985 - 12 RK 37/85 - auch angesichts der Ausführungen von Hötzel (DAngVers 1985, 149 ff und 204 ff) festgehalten. Demzufolge war hier das Schreiben der Beklagten vom 19. April 1978 insofern unvollständig und daher objektiv unrichtig, als darin die Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG - ausgenommen einige infolge der Kürzung auf fünf Sechstel freie Monate - nicht unter den nachentrichtungsfähigen Zeiten genannt und daher im weiteren Nachentrichtungsverfahren unberücksichtigt geblieben sind. Wegen dieser unrichtigen Auskunft steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Herstellung des Zustandes zu, der bei fehlerfreiem Verhalten der Beklagten bestehen würde. Das bedeutet, daß sie so zu stellen ist, wie sie stehen würde, wenn sie seinerzeit Kenntnis von der Belegungsfähigkeit auch der Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG gehabt hätte. Hingegen hat sie keinen Anspruch darauf, daß sie in den Zustand vor der Konkretisierung ihres Nachentrichtungsantrages zurückversetzt wird, ihr also nochmals die volle "Dispositionsfreiheit" über ihr Nachentrichtungsbegehren eingeräumt wird und sie nunmehr unter Berücksichtigung auch der Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG über die Nachentrichtung nach Umfang und Beitragsklassen völlig neu und anders als früher bestimmen kann; dieses ist schon in den Sachen 12 RK 52/83 und 37/85 (Urteile vom 25. Oktober 1985) ausgeführt worden.

Im vorliegenden Verfahren hat das LSG bisher keine abschließenden Feststellungen zur Ursächlichkeit der unrichtigen Auskunft der Beklagten für die daraufhin erfolgte Konkretisierungserklärung der Klägerin (Nichtbelegung von Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG) getroffen, also dazu, ob unter Würdigung aller Umstände des Falles festgestellt werden kann, daß und für welche Zeiten nach § 16 FRG die Klägerin Beiträge nachentrichtet hätte, wenn ihr die Beklagte auch diese früher als nachentrichtungsfähig benannt hätte. Daß die Ausführungen des LSG, mit denen der Ursachenzusammenhang verneint worden ist, nicht abschließend gemeint sind, entnimmt der erkennende Senat daraus, daß das LSG die Revision ohne nähere Begründung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen hat und als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung hier allein in Betracht kommt, ob im Wege des Herstellungsanspruchs eine Verschiebung (Umbuchung) von Beiträgen verlangt werden kann. Dieses hat das LSG verneint. Der erkennende Senat bejaht die Frage jedoch.

Das BSG hat allerdings bisher in ständiger Rechtsprechung eine nachträgliche Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung bereits entrichteter Beiträge für unzulässig gehalten (vgl zB DAngVers 1968, 67; BSGE 35, 178 = SozR Nr 4 zu § 1407 RVO; BSGE 47, 207 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 24; Urteile vom 8. März 1979 - 12 RK 5/78 - und vom 13. September 1979 - 12 RK 39/78 - sowie st Rspr). Das sei Auswirkung eines den Versicherungsverhältnissen in der Rentenversicherung eigenen Wesenszuges, wonach sie grundsätzlich nachträglich nicht mehr geändert werden könnten; Ausfluß dieses Prinzips seien die Vorschriften des § 1418 Reichsversicherungsordnung (RVO) = § 140 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), nach deren Abs 1 Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge unwirksam sind, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen entrichtet werden, ferner die Vorschriften des § 1407 Abs 2 Satz 1 RVO = § 129 Abs 2 Satz 1 AVG, wonach für jeden Kalendermonat nur ein Beitrag entrichtet werden kann (so BSGE 47, 207, 208 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 24).

Indessen ist schon in der Vergangenheit das Verbot der Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung entrichteter Beiträge nicht als ein schlechthin geltendes Prinzip angesehen worden. Vielmehr sind auch bisher schon gelegentlich Ausnahmen erwogen oder sogar zugelassen worden. So hatte bereits das Reichsversicherungsamt (RVA) in einem Beschluß vom 28. April 1937 (Entscheidungen und Mitteilungen -EuM-Bd 41, S 231) die Aufspaltung eines freiwillig entrichteten Beitrags einer hohen Klasse in mehrere Beiträge einer niedrigeren Klasse zwecks Deckung einer gefährdeten Anwartschaft zwar als "regelmäßig" unzulässig bezeichnet, jedoch erwogen, ob "vielleicht dann unter ganz besonderen Umständen, die im einzelnen Fall zwecks Verhinderung betrügerischer Handlungen der Versicherten einwandfrei und genau dargelegt werden müßten, eine Ausnahme zugelassen werden könnte, wenn ein Versicherter Beitragsmarken höherer Lohnklasse in der irrigen Ansicht verwendet hat, sie seien entsprechend mehreren Einwochenmarken niedriger Lohnklasse mit im Endergebnis gleichem Geldwert gleichzusetzen" (aaO S 233). Ferner war es bis zu der schon erwähnten Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 22. August 1967 (DAngVers 1968, 67), wonach freiwillig nachentrichtete Beiträge später nicht aufgestockt werden dürfen, Verwaltungspraxis bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die nachträgliche Erhöhung bereits entrichteter Beiträge (Aufstockung) zuzulassen, wenn sie innerhalb der Frist des § 140 Abs 1 AVG erfolgte (so Wünnemann in Anm zu dem Urteil in DAngVers 1968, 69). Was schließlich die zur Begründung des hier erörterten Verbots herangezogene (heutige) gesetzliche Regelung angeht, nach der für jeden Kalendermonat nur ein Beitrag entrichtet werden kann (§ 1407 Abs 2 Satz 1 RVO = § 129 Abs 2 Satz 1 AVG), so hat der 11. Senat des BSG in einem weiteren Urteil vom 3. Februar 1977 (BSGE 43, 184 = SozR 2200 § 1407 Nr 1) entschieden, daß, wenn für einen Kalendermonat zwei freiwillige Beiträge entrichtet sind und der zuerst entrichtete Beitrag mit Willen des Versicherten zurückgezahlt worden ist, der zweite Beitrag wirksam ist: Mehrfachbelegungen eines Monats seien nach der zuletzt genannten Vorschrift nur deshalb unzulässig, weil dadurch die Zahl der Beitragsmonate ungerechtfertigt erhöht und die persönliche Rentenbemessungsgrundlage verfälscht würde. Von daher erscheine es aber nicht gerechtfertigt, einem zweiten Beitrag die Wirksamkeit abzusprechen, wenn er zu einem späteren Zeitpunkt als einziger Beitrag für den betreffenden Monat verblieben sei. Das gelte selbst dann, wenn die - mit ausdrücklichem Einverständnis des Versicherten erfolgte - Rückzahlung des ersten Beitrags rechtswidrig gewesen sei.

Seit der Entwicklung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch die Rechtsprechung stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung von Beiträgen neu, sofern es sich um ihre Zulässigkeit gerade aufgrund eines solchen Anspruchs handelt. Anerkannt ist zunächst, daß der Herstellungsanspruch auch auf die (erstmalige) Entrichtung von Beiträgen gerichtet sein kann, von deren Entrichtung der Versicherte früher durch ein Fehlverhalten des Versicherungsträgers abgehalten worden ist (BSGE 49, 76 = SozR 2200 § 1418 Nr 6), und daß dabei Fristen der nachträglichen Beitragsentrichtung nicht unbedingt entgegenstehen (BSGE 56, 266 = SozR 2200 § 1418 Nr 8 = SGb 1985, S 169 mit Anm Oberfeld = DRV 1985, S 50 mit Anm Tannen). Auf der anderen Seite ist stets die Erstattung von rechtmäßig entrichteten Beiträgen aufgrund eines Herstellungsanspruchs abgelehnt worden (BSGE 50, 129, 132 = SozR 2600 § 121 Nr 2), zumal ein früheres Fehlverhalten des Versicherungsträgers an der Rechtmäßigkeit der durchgeführten Beitragsentrichtung nichts ändert (BSGE 55, 40, 43/44 = SozR 2100 § 27 Nr 2) und eine Erstattung solcher Beiträge nur in wenigen Fällen - und dann auch nur zur Hälfte (Ausnahme allerdings Art 2 § 46 Abs 5 ArVNG = Art 2 § 44a Abs 5 AnVNG) - gesetzlich vorgesehen ist. Demgemäß hat der 11. Senat des BSG entschieden, daß im Wege des Herstellungsanspruchs eine (vollständige) Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge - "da im Gesetz der Art nach nicht vorgesehen" - nicht begehrt werden könne (BSGE 55, 261 = SozR 2200 § 1303 Nr 27), auch wenn ein Herstellungsanspruch insoweit die gemäß § 1303 Abs 5 RVO = § 82 Abs 5 AVG rechtsvernichtende Wirkung einer gewährten Regelleistung auszuschalten vermöge (BSGE 52, 145, 148 = SozR 1200 § 14 Nr 12). Nicht entschieden - jedenfalls nicht abschließend - hat das BSG dagegen bisher, ob der Herstellungsanspruch auf die Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung von entrichteten Beiträgen gerichtet sein kann. In mehreren Fällen, in denen es um eine Beitragsaufstockung ging (Urteile vom 4. April 1979 - 12 RK 36/78 -, vom 17. Dezember 1980 - 12 RK 68/79 - und vom 27. September 1983 - 12 RK 75/82 -), war eine Entscheidung hierüber nicht notwendig, weil der Herstellungsanspruch schon daran scheiterte, daß dem Versicherungsträger kein Fehlverhalten nachzuweisen war. Im vorliegenden Verfahren ist dies jedoch der Fall, so daß die aufgeworfene Frage - allerdings nur für die Verschiebung (Umbuchung) von Beiträgen - geklärt werden muß.

In seinem Urteil vom 12. Oktober 1979 (BSGE 49, 76, 80/81) hat der erkennende Senat, ohne daß dies damals für die Entscheidung tragend war, bei Erwägungen zur Reichweite des Herstellungsanspruchs ausgeführt, dieser könne nicht auf Verwaltungsentscheidungen gerichtet sein, für die das Recht keinerlei Grundlage biete; in diesem Zusammenhang hat der Senat unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG auch erwähnt, das Beitragsrecht der Sozialversicherung schließe die nachträgliche Verschiebung und ebenso die Heraufsetzung oder Herabsetzung entrichteter Beiträge aus. Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil vom 29. Juni 1984 - 12 RK 64/82 - (in einem Fall der Aufstockung) angedeutet, daß er daran möglicherweise nicht festhalten werde. Nach nochmaliger Prüfung hält er es für zulässig, daß mit einem Herstellungsanspruch auch eine Verschiebung von Beiträgen begehrt werden kann, der Versicherungsträger die Beiträge also so umzubuchen hat, wie sie ohne sein Fehlverhalten entrichtet worden wären.

Die Verschiebung von Beiträgen (Umbuchung auf andere Zeiten) ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Als eine Maßnahme, die in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein kann, ließe sie sich nur dann ausschließen, wenn ein solcher Ausschluß aus dem Gesetz selbst oder seinen tragenden Gedanken abzuleiten wäre. Die Rechtsprechung hat das Verbot der Beitragsverschiebung (wie das der Aufstockung, Aufspaltung und Zusammenlegung) aus dem allgemeinen Prinzip entwickelt, daß Versicherungsverhältnisse nicht rückwirkend verändert werden dürften, wie in der Rentenversicherung das Verbot der Mehrfachbelegung eines Monats (§ 1407 Abs 2 Satz 1 RVO = § 129 Abs 2 Satz 1 AVG) und die Fristgebundenheit der Beitragsentrichtung (§ 1418 RVO = § 140 AVG) zeigten. Dem genannten Prinzip hat auch der erkennende Senat bisher eine grundlegende Bedeutung für das Recht der Sozialversicherung beigemessen und hält daran auch weiterhin fest. Dennoch meint er, daß dieses Prinzip zurücktreten muß, wenn es um die Zulässigkeit einer Verschiebung (Umbuchung) von Beiträgen aufgrund eines Herstellungsanspruchs geht.

Einer solchen Umbuchung steht zunächst das Verbot der Mehrfachbelegung eines Monats nicht entgegen, weil mit der Umbuchung lediglich Beiträge von Monaten, die nur mit jeweils einem Beitrag belegt sind, auf bisher freie und wiederum mit nur jeweils einem Beitrag zu belegende Monate verlegt werden sollen. Was ferner die für die Beitragsentrichtung geltenden Fristen betrifft, so dienen sie dem Schutz der Versichertengemeinschaft davor, daß einzelne Versicherte aus Gründen, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen, Beiträge verspätet entrichten und damit auch das Versicherungsrisiko zu ihren Gunsten beeinflussen können. Wenn jedoch ein Fehlverhalten des Versicherungsträgers dazu geführt hat, daß die rechtzeitige Beitragsentrichtung unterblieben ist, kann sich der Versicherungsträger nach Treu und Glauben auf den Fristablauf nicht berufen; jedenfalls ist dann sein Fehlverhalten bei der Anwendung des § 140 Abs 3 AVG (§ 1418 Abs 3 RVO) mit zu berücksichtigen (BSGE 49, 76, 81 = SozR 2200 § 1418 Nr 6; BSGE 56, 266, 270 ff = SozR 2200 § 1418 Nr 8 = SGb 1985, 169 mit Anm Oberfeld = DRV 1985, 50 mit Anm Tannen). Damit scheidet auch § 1418 RVO = § 140 AVG beim Herstellungsanspruch als Begründung für das Verbot einer Verschiebung (Umbuchung) aus. Es besteht schließlich kein Anlaß, die Verschiebung (Umbuchung) in zwei Akte - eine Beitragserstattung und eine Beitragsentrichtung - aufzuspalten, eine getrennte Beurteilung beider Vorgänge vorzunehmen und aus der Unzulässigkeit einer Erstattung auf die Unzulässigkeit einer Verschiebung (Umbuchung) zu schließen. Auf diese Weise hat die Rechtsprechung auch früher nicht das Verbot der nachträglichen Aufstockung, Aufspaltung, Zusammenlegung oder Verschiebung begründet. Auch erhält der Versicherte - anders als bei einer Beitragserstattung, die nach rechtmäßiger Entrichtung nur unter engen Voraussetzungen möglich und auf eine Geldleistung gerichtet ist - jedenfalls bei einer bloßen Verschiebung Beiträge weder ganz oder teilweise zurück, noch kann er weitere oder andere einzahlen. Wie zu entscheiden ist, wenn der Herstellungsanspruch nicht auf eine Verschiebung (Umbuchung) gerichtet ist, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Deshalb weicht der Senat hier auch von der Entscheidung des 11. Senats (BSGE 55, 261 = SozR 2200 § 1303 Nr 27) nicht ab, in der ein auf eine vollständige Erstattung gerichteter Herstellungsanspruch für unbegründet gehalten worden ist.

Die Verschiebung von Beiträgen ist in Fällen, in denen der Versicherte ohne das Fehlverhalten des Versicherungsträgers lediglich andere Zeiten mit denselben Beiträgen belegt, nicht aber mehr, weniger oder andere Beiträge entrichtet hätte, in der Regel auch die einzige Möglichkeit, ihn im sozialgerichtlichen Verfahren so zu stellen, wie er ohne das Fehlverhalten des Versicherungsträgers gestanden hätte. Würde die Verschiebung hier abgelehnt, so müßte der Versicherte, wenn er nicht auf einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch verwiesen werden soll, wenigstens zur Nachentrichtung für die noch nicht belegten Zeiten zugelassen werden; das aber könnte, wenn die entrichteten Beiträge nicht verschiebbar sind und bestehen bleiben, dazu führen, daß die frühere Benachteiligung des Versicherten durch die Belegung zusätzlicher Zeiten "überkompensiert" würde.

Kann hiernach der Herstellungsanspruch auch auf eine Verschiebung (Umbuchung) von Beiträgen gerichtet sein, auf die sich die Klägerin möglicherweise anstelle ihres ursprünglichen, auf die Nachentrichtung für zusätzliche Zeiten gerichteten Begehrens beschränken will, so hat das LSG jetzt abschließend festzustellen, ob und für welche Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG die Klägerin - gegebenenfalls anstelle von bisher belegten Zeiten - Beiträge nachentrichtet hätte, wenn ihr auch die § 16 FRG-Zeiten als belegungsfähig genannt worden wären.

Der Senat hat sich bereits in zwei Urteilen vom 15. Mai 1984 - 12 RK 9/83 (SozR 5070 § 10 Nr 25) und 12 RK 26/83 - mit dieser Frage befaßt. Dabei hat er die Kausalität zwischen der früheren Fehlinformation der Beklagten und der Nichtbelegung der jeweils streitigen Beschäftigungszeiten (§ 16 FRG) im erstgenannten Fall bejaht, weil die Klägerin jenes Verfahrens die ihr zunächst nur als nachentrichtungsfähig bezeichneten Zeiten lückenlos mit Beiträgen belegt hatte und daher kein vernünftiger Zweifel daran bestand, daß sie mit den Beschäftigungszeiten ebenso verfahren wäre, zumal sie dadurch ihre ins Ausland gezahlte Rente spürbar hätte erhöhen können. Im anderen Fall (12 RK 26/83) hat der Senat hingegen den Ursachenzusammenhang verneint. Dort hatte der Versicherte von 237 Monaten, die ihm als nachentrichtungsfähig benannt worden waren, nur 68 Monate mit Beiträgen belegt und dabei alle vor 1950 liegenden Zeiten (seit 1937 insgesamt 49 Kalendermonate) ungenutzt gelassen. Da insbesondere auch Zeiten, die unmittelbar Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG folgten, und Zeiten in den ersten fünf Kalenderjahren nach Beginn der Beschäftigung frei geblieben waren, war ein Grund dafür, daß der Versicherte, wenn er eine richtige Auskunft (Nachentrichtungsfähigkeit auch der in den Jahren 1939/1940 liegenden Beschäftigungszeiten) von der Beklagten erhalten hätte, gerade für diese Zeiten Beiträge nachentrichtet hätte, weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Senat hat hier indessen die Kausalität, wie seinem Urteil unzutreffend entnommen worden ist, nicht schon deswegen verneint, weil der Versicherte den weit überwiegenden Teil der ihm ursprünglich benannten Zeiten frei gelassen hatte; entscheidend war vielmehr, daß die erwähnten weiteren Umstände hinzukamen. Aber auch wenn solche Umstände fehlen, kann - selbst wenn früher nicht alle als belegbar genannten Zeiten belegt worden sind - der Ursachenzusammenhang gleichwohl noch zu bejahen sein, sofern das Gericht die Überzeugung gewinnt, daß der Nachentrichtungsberechtigte gerade für die Beschäftigungszeiten Beiträge eingezahlt hätte, wenn er eine richtige Auskunft erhalten hätte. Der Ursachenzusammenhang ist dabei - entsprechend dem Grundsatz der persönlichen Wiedergutmachung - für jeden nachentrichtungsberechtigten Verfolgten individuell, dh nach den besonderen Umständen seines Falles, zu prüfen. Er kann weder aufgrund von Vermutungen allgemein bejaht noch pauschal mit der Begründung verneint werden, die Nachentrichtung von Beiträgen in freie, nicht nach § 16 FRG anerkannte Beschäftigungszeiten hinein sei in der Regel, dh bei der Mehrzahl der Verfolgten, günstiger als die Belegung von bereits nach § 16 FRG berücksichtigten Zeiten. Einen für alle Nachentrichtungsberechtigten geltenden Erfahrungssatz dieses Inhalts gibt es nicht.

Hiernach wird das LSG, wenn es das nicht bereits aus dem bisherigen Vorbringen entnehmen kann, der Klägerin, die sich nach ihrem Vorbringen auch früher die für sie günstigste Nachentrichtung hat berechnen lassen, Gelegenheit geben müssen, darzulegen, welche Beiträge sie für welche Zeiten nachentrichtet hätte, wenn ihr früher auch die Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG als belegungsfähig benannt worden wären; dabei könnte sich bei Zweifeln in Einzelheiten eine Beratungspflicht der Beklagten ergeben, die der Klägerin auch einen Hinweis geben müßte, wenn sie ihre Rechtsstellung durch eine Nachentrichtung auf dem von ihr nunmehr dargelegten Weg verschlechtern würde (Hinweise auf eine unwirtschaftliche Entrichtung von Beiträgen waren schon in dem Bescheid vom 19. April 1978 enthalten, entsprechen auch der Verwaltungspraxis der Beklagten und ihrer richtig verstandenen Funktion in Nachentrichtungsverfahren, besonders bei komplizierten Zusammenhängen, vgl dazu Urteil des Senats in BSGE 50, 16, 18 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 36).

Sodann wird das LSG prüfen müssen, ob es sich davon überzeugen kann, daß die Klägerin bei früher richtiger Auskunft die nunmehr dargelegte Nachentrichtung tatsächlich gewählt hätte und zu einer solchen Nachentrichtung auch in der Lage gewesen wäre. Dazu wird es stets näherer Feststellung bedürfen, wenn ein Nachentrichtungsberechtigter, der früher Zeiten ungenutzt gelassen hat, geltend macht, er hätte gerade für die Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG zusätzliche Beiträge, eventuell sogar höhere als die früher geleisteten entrichtet. Dieses könnte - außer in den Fällen, in denen sich der Nachentrichtungsberechtigte bisher schon darauf berufen hat, nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben oder gehabt zu haben -, dann wenig wahrscheinlich sein, wenn früher erhebliche Zeiträume ungenutzt gelassen worden und nur verhältnismäßig geringe Beträge für eine Nachentrichtung aufgebracht worden sind.

Auch im Falle der Klägerin, die ursprünglich nur 93 Mindestbeiträge zu insgesamt 1.674 DM nachentrichtet und erhebliche Zeiten ungenutzt gelassen hat, wird das LSG deshalb prüfen und ggf näher darlegen müssen, ob und warum die Klägerin bei Kenntnis der Belegungsfähigkeit der § 16-FRG-Zeiten gerade für diese Zeiten ihrem erstinstanzlichen Antrag und dem Urteil des SG entsprechend weitere als die ursprünglich entrichteten 93 Beiträge und noch dazu gerade in die genannten Zeiten hinein entrichtet und dadurch den Nachentrichtungsaufwand damals mehr als verdoppelt hätte. In derartigen Fällen wird häufig eine früher unterlassene Belegung der Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG nur auf Kosten anderer, früher belegter Zeiten, mithin allein eine Verschiebung (Umbuchung) von Beiträgen als diejenige Möglichkeit in Betracht kommen, die der Versicherungsträger durch sein Fehlverhalten dem Nachentrichtungsberechtigten früher genommen hat und die er jetzt auszugleichen hat.

Das LSG hat auch über die Erstattung außergerichtlicher Kosten zu entscheiden.

 

Fundstellen

BSGE, 60

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