Leitsatz (amtlich)

Kinderzuschüsse oder ähnliche Leistungen, die für das Kind gezahlt werden oder zu gewähren sind, mindern bzw kürzen den Kinderzuschlag nach BVG § 33b ohne Rücksicht darauf, wer der Empfänger dieser Leistungen ist.

 

Normenkette

BVG § 33b Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 4 Buchst. a Fassung: 1960-06-27, Abs. 5 Fassung: 1964-02-21, Abs. 5 Fassung: 1966-12-28; RVO § 1262 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Juni 1966 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Versorgungsbehörde setzte die der Klägerin wegen einer als Schädigungsfolge anerkannten Lungentuberkulose gewährte Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v. H. mit Bescheid vom 14. September 1961 wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vom 1. November 1961 an auf 60 v. H. herab. Mit Bescheid vom 14. März 1962 berechnete die Versorgungsbehörde die Rente nach dem Ersten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453 - 1. NOG -) neu, wobei sie ebenfalls von einer MdE von 60 v. H. ausging. Mit dem gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruch machte die Klägerin neben der Erhöhung ihrer MdE auch geltend, daß ihr als Schwerbeschädigten der Kinderzuschlag nach § 33 b BVG für ihre am 14. Mai 1955 geborene Tochter Ines Christiane zustehe. Der Widerspruch war erfolglos. In dem Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1962 führte der Beklagte ua aus, der Klägerin stehe deshalb kein Kinderzuschlag nach § 33 b BVG zu, weil der ihrem Ehemann aus der Arbeiterrentenversicherung (ArV) gewährte Kinderzuschuß nach § 33 b Abs. 4 Buchst. a BVG auf den Kinderzuschlag anzurechnen sei.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat sich der Streit über die der Klägerin zuzuerkennende MdE durch ein vom Beklagten abgegebenes und von der Klägerin angenommenes Anerkenntnis dahin erledigt, daß ihr vom 1. November 1961 bis 31. August 1963 Rente nach einer MdE um 70 v. H. und vom 1. September 1963 an nach einer MdE um 60 v. H. gewährt wird. Die Klägerin hat ihre Klage hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf Kinderzuschlag aufrechterhalten. Das SG hat mit Urteil vom 26. November 1964 "die Bescheide des Beklagten vom 14. September 1961 und 14. März 1962 in Gestalt des angenommenen Angebotes vom 28. November 1963 dahingehend abgeändert, daß der Beklagte der Klägerin ab 1. November 1961 den Kinderzuschuß für einen Schwerbeschädigten zu zahlen hat". Das SG hat die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 24. Juni 1966 auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Reutlingen vom 26. November 1964 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide vom 14. September 1961 und 14. März 1962 abgewiesen, soweit sie über das Angebot des Beklagten vom 28. November 1963 hinausgeht. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf den Kinderzuschlag gemäß § 33 b BVG zu; dies treffe für die Geltung der Vorschrift sowohl in der Fassung des 1. NOG als auch in der des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 17. August 1964 (BGBl I 640 - 2. NOG -) zu. Die vom Gesetzgeber gewählte Fassung des § 33 b Abs. 4 Buchst. a BVG idF des 1. NOG und § 33 b Abs. 5 Buchst. a BVG idF des 2. NOG lasse deutlich erkennen, daß nicht nur solche Kinderzuschüsse oder ähnliche Leistungen auf den Kinderzuschlag anzurechnen seien, die der Beschädigte selbst für das Kind erhalte, sondern daß alle derartigen Leistungen anzurechnen seien, die für dieses Kind gezahlt würden oder zu zahlen seien. Daher müßten alle Kinderzuschüsse oder ähnlichen Leistungen, unabhängig von der Person des Empfängers, auf den Kinderzuschlag nach dem BVG angerechnet werden, andernfalls hätte der Gesetzgeber eine andere Fassung der bezeichneten Bestimmungen gewählt oder wählen müssen. Dies ergebe sich auch aus dem Buchst. b des § 33 b Abs. 4 BVG idF des 1. NOG und § 33 b Abs. 5 BVG idF des 2. NOG, in denen Bestimmungen über die Anrechenbarkeit des Nettoeinkommens bzw. anzurechnenden Einkommens des "Schwerbeschädigten" enthalten seien. Die Auffassung des LSG stehe auch im Einklang mit ähnlichen früheren Regelungen. Insoweit verweist das LSG auf die Bestimmungen des § 30 Abs. 5 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) sowie die hierzu erlassenen Ausführungsvorschriften und auf die Fassung des § 30 Abs. 7 RVG in der Neufassung vom 9. Juli 1956 für das Saarland (Amtsblatt des Saarlandes, Gesetz ... Nr. 515 vom 9. Juli 1956 S. 957).

Das LSG hat weiter ausgeführt, daß dem Gesetzgeber bei Abfassung des 1. NOG diese früheren Regelungen bekannt gewesen seien und er die Anrechnungsvorschrift des § 33 b BVG dann anders gefaßt hätte, wenn nur die Kinderzuschüsse, die der Schwerbeschädigte selbst für das Kind erhalte, auf den Kinderzuschlag nach dem BVG angerechnet werden sollten. Dem stehe auch nicht der Abs. 3 des § 33 b BVG idF des 2. NOG entgegen. Damit werde lediglich klargestellt, daß der Kinderzuschlag nach dem BVG nur einmal zu gewähren sei, wenn mehrere Beschädigte die persönlichen Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 des § 33 b BVG erfüllten. Somit sei der dem Ehemann der Klägerin aus der ArV gewährte Kinderzuschuß auf den Kinderzuschlag nach § 33 b BVG anzurechnen; bei dieser Anrechnung ergebe sich für den geltend gemachten Zeitraum kein überschießender Betrag. Demnach habe die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung eines Kinderzuschlages, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen gewesen sei.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses der Klägerin am 21. Juli 1966 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 8. August 1966, der beim Bundessozialgericht (BSG) am selben Tage eingegangen ist, Revision eingelegt und diese mit einem am 31. August 1966 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 26. August 1966 begründet.

Sie beantragt,

1. das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24. Juni 1966 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 26. November 1964 zurückzuweisen,

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

In ihrer Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, rügt die Klägerin eine Verletzung des § 33 b Abs. 1 und Abs. 4 Buchst. a BVG (1. NOG) bzw. § 33 b Abs. 1 und Abs. 5 Buchst. a BVG (2. NOG) durch das LSG. Sie ist der Auffassung, daß diese Vorschriften vom LSG unzutreffend ausgelegt worden seien; insbesondere hat ihrer Meinung nach das LSG nicht berücksichtigt, daß der Gesetzgeber mit der Gewährung des Kinderzuschlages an einen Schwerbeschädigten auch die Nachteile und besonderen Belastungen habe ausgleichen wollen, die diesem durch die körperlichen Leiden auch in der Sorge um seine Kinder entstünden. Die Gewährung des Kinderzuschlages an Schwerbeschädigte sei damit aber eine auf den Schwerbeschädigten beschränkte besondere Versorgungsleistung, die nicht dadurch eingeschränkt oder verhindert werden dürfe, daß ein Dritter für das Kind ebenfalls einen Kinderzuschuß erhalte. Ein solcher Kinderzuschuß entschädige den Schwerbeschädigten selbst für die durch die Beschädigung bedingten besonderen Aufwendungen materieller und immaterieller Art nicht; deshalb könne der Auffassung des LSG auch insoweit nicht gefolgt werden, daß andernfalls eine unzulässige Doppelversorgung vorliege. Die Kinderzuschüsse und ähnliche Leistungen im Sinne des Gesetzes seien nach Wert und Zweck von dem Kinderzuschlag der Schwerbeschädigten zu unterscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Baden-Württemberg, 8. Senat, vom 24. Juni 1966 als unbegründet zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß die vom LSG getroffene Entscheidung materiell-rechtlich zutreffend ist. Wegen seines weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 12. Oktober 1966 verwiesen.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin gemäß § 33 b BVG in der jeweils gültigen Fassung vom 1. November 1961 an ein Kinderzuschlag zusteht.

Nach § 33 b Abs. 1 BVG idF des 1. und 2. NOG wie auch des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 20. Januar 1967 (BGBl I 141 - 3. NOG -) erhalten Schwerbeschädigte für jedes Kind einen Kinderzuschlag. Nach § 33 b Abs. 4 BVG idF des 1. NOG ist der Kinderzuschlag in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes zu zahlen, das für das dritte und jedes weitere Kind vorgesehen ist, während nach § 33 b Abs. 5 BVG idF des 2. und 3. NOG der Kinderzuschlag in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes zu zahlen ist, das für das dritte Kind vorgesehen ist. Nach § 33 b Abs. 4 Buchst. a BVG idF des 1. NOG sind auf den Kinderzuschlag Kinderzuschüsse oder ähnliche Leistungen, die für das Kind gezahlt werden oder zu zahlen sind, anzurechnen, bzw. ist nach § 33 b Abs. 5 Buchst a. BVG idF des 2. NOG der Zuschlag um diese Leistungen zu mindern bzw. nach § 33 b Abs. 5 Satz 2 BVG idF des 3. NOG zu kürzen. Die verschiedenen Wortfassungen der bezeichneten Vorschriften sind ohne Bedeutung, denn mit den Worten "sind anzurechnen", "ist zu mindern" oder "ist zu kürzen" wird jeweils eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß der Kinderzuschlag nach dem BVG unter bestimmten Voraussetzungen nicht oder nicht in voller Höhe zu zahlen ist.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung eines Kinderzuschlages gemäß § 33 b BVG hat. Nach den nicht angegriffenen und daher für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG erhält der Ehemann der Klägerin für das Kind I C einen Kinderzuschuß aus der ArV, der höher ist als der Kinderzuschlag nach dem BVG. Dieser Kinderzuschuß aus der ArV für die Tochter der Klägerin ist auf den Kinderzuschlag nach dem BVG anzurechnen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der oben bezeichneten Anrechnungsvorschriften, wonach Kinderzuschüsse oder ähnliche Leistungen, "die für das Kind gezahlt werden oder zu zahlen sind", auf den Kinderzuschlag angerechnet werden müssen oder um ihn zu mindern oder zu kürzen sind. Der Wahl der Passivform - "für das Kind gezahlt werden oder zu zahlen sind" - muß entnommen werden, daß alle Leistungen der bezeichneten Art auf den Kinderzuschlag angerechnet werden sollen, die für das Kind gezahlt werden, ohne Rücksicht darauf, wer der Empfänger dieser Leistungen ist.

Das LSG hat in diesem Zusammenhang zutreffend auf frühere gesetzliche Regelungen hingewiesen, aus deren Vergleich mit der jetzigen Fassung des § 33 b BVG die hier vertretene Rechtsauffassung bestätigt wird. So sah § 30 Abs. 7 RVG vom 9. Juli 1956 für das Saarland vor, daß eine "dem Beschädigten" aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften für die Kinder "gewährte Leistung" auf die Kinderzulage nach dem RVG anzurechnen ist. Schon der Vergleich dieser Vorschrift mit der Anrechnungsvorschrift des § 33 b Abs. 4 bzw. Abs. 5 BVG bestätigt die vom Senat getroffene Auslegung der Anrechnungsvorschrift des BVG. Während § 30 Abs. 7 RVG ausdrücklich die Anrechnung von solchen für das Kind gewährten Leistungen auf die Kinderzulage vorschreibt, die "dem Beschädigten" gewährt werden, und somit alle für das Kind an Dritte gewährten gesetzlichen Leistungen von der Anrechnung ausnimmt, spricht § 33 b Abs. 4 bzw. 5 BVG ganz allgemein von Kinderzuschüssen und ähnlichen Leistungen - also ohne den Empfänger zu bezeichnen -, die für das Kind gezahlt werden oder zu zahlen sind. Ferner sah § 30 Abs. 5 RVG idF vom 22. Dezember 1927 (RGBl I 515) vor, daß nur die günstigere Kinderzulage gewährt wird, wenn für dasselbe Kind mehrere Kinderzulagen nach dem RVG in Betracht kamen. Dieser Vorschrift liegt der gleiche Zweck zugrunde, der mit der jetzigen Anrechnungsvorschrift in § 33 b BVG in der jeweils gültigen Fassung erreicht werden soll, nämlich Doppelleistungen zu vermeiden. Der Hinweis der Klägerin auf § 33 b Abs. 3 BVG idF des 2. und 3. NOG zur Stützung ihrer Auffassung, daß nur solche Kinderzuschüsse auf den Kinderzuschlag angerechnet werden dürfen, die sie selbst und nicht ihr Ehemann empfängt, geht fehl. Gerade aus dieser Vorschrift ergibt sich nämlich, daß ein Doppelbezug von Leistungen für ein Kind verhindert werden soll. Der § 33 b Abs. 3 BVG idF des 2. und 3. NOG sieht nämlich ausdrücklich vor, daß der Kinderzuschlag "nur einmal" zu gewähren ist, wenn mehrere Beschädigte für dasselbe Kind die Voraussetzungen für den Kinderzuschlag nach Abs. 1 und Abs. 2 BVG erfüllen. Diese Vorschrift kann - entgegen der Meinung der Klägerin - nicht dahin gedeutet werden, daß eine Anrechnung von Kinderzuschüssen und ähnlichen Leistungen, die für das Kind gezahlt worden oder zu zahlen sind, nur dann erfolgen soll, wenn der Beschädigte selbst diese anderen Leistungen bezieht. Weder dem § 33 b Abs. 3 BVG idF des 2. und 3. NOG noch dem § 33 b Abs. 4 Buchst a BVG idF des 1. NOG oder dessen Abs. 5 idF des 2. und 3. NOG ist insbesondere dafür etwas zu entnehmen, daß - wie die Klägerin weiter vorträgt - der Kinderzuschlag dem Beschädigten auch deshalb gewährt wird, um dadurch teilweise die Nachteile und besonderen Belastungen auszugleichen, die ihm durch seine körperlichen Leiden auch in der Sorge um seine Kinder entstehen. Dieses von der Klägerin dem Gesetzgeber unterstellte Motiv für die Gewährung eines Kinderzuschlages wäre nur dann zutreffend, wenn der Zuschlag einem Beschädigten nur für das Kind gewährt wird, für das er in seinem Haushalt persönlich sorgt. Eine derartige Einschränkung sieht § 33 b Abs. 2 BVG in der jeweils gültigen Fassung nur in Nr. 4 und Nr. 5 bei Stiefkindern und Das LSG hat somit im Ergebnis zutreffend entschieden, so daß die Revision der Klägerin unbegründet ist und dementsprechend gemäß § 170 Abs. 1 SGG zurückgewiesen werden mußte.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324309

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