Leitsatz (amtlich)

1. Die Zuziehung von Landessozialrichtern zu den Verhandlungen des Landessozialgerichts in der Reihenfolge, daß jeweils der am längsten an Sitzungen nicht beteiligte Landessozialrichter zugezogen wird, verstößt nicht gegen SGG §§ 26, 36 S 2, GG Art 101 Abs 1 S 2. GVG §§ 44, 45 finden im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung.

2. Verwandtschaft iS des ZPO § 41 Nr 3 mit dem Bediensteten der Außenstelle des Landesversorgungsamts, der die Berufung eingelegt hat, begründet keinen Ausschluß vom Richteramt.

 

Normenkette

SGG § 26 Fassung: 1953-09-03, § 36 S. 2 Fassung: 1953-09-03, § 60 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 41 Nr. 3 Fassung: 1950-09-12; GVG § 44 Fassung: 1950-09-12, § 45 Fassung: 1950-09-12; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. Oktober 1959 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der 1893 geborene Kläger leistete von 1914 bis 1917 Wehrdienst in der österreichisch-ungarischen Armee, geriet dann in italienische Kriegsgefangenschaft und wurde am 20. September 1919 in seine sudetendeutsche Heimat entlassen. 1945 wurde er dort wegen deutscher Volkszugehörigkeit inhaftiert und 1950 nach Bayern ausgewiesen. Hier beantragte er Versorgung nach dem Bayerischen Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG). Er gab zunächst an, er habe sich in der tschechischen Haft ein chronisches Glaukom und einen Vitamin- und Eiweißmangelschaden zugezogen. Wegen dieser Gesundheitsstörungen wurde in einem vorläufigen ärztlichen Ausweis für Heimkehrer vom 24. Mai 1950 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. angenommen. Ferner brachte der Kläger vor, im Winter 1914/15 habe er sich in den Karpaten einen Gelenkrheumatismus zugezogen, "der sich später auf die Augen schlug". Im Frühjahr 1916 sei erstmalig eine starke Iridozyklitis (Entzündung der Iris) aufgetreten, derentwegen er von April bis Dezember 1916 im Reservelazarett R. in Prag gelegen habe. Nach Entlassung aus der Gefangenschaft habe er sich in ständiger augenfachärztlicher Behandlung bei Prof. E..., Prag, Dr. St..., Karlsbad und Prof. Dr. K..., Prag-Eger, befunden und sich sechs Badekuren zur Linderung seiner rheumatischen Beschwerden unterzogen. Versorgung habe er in der CSR wegen seines Einkommens nicht erhalten. Später teilte der Kläger noch mit, er habe 1923 in Falkenau/Eger Rente beantragt; es sei damals eine MdE um 60 v.H. angenommen worden, wegen welcher Leiden wisse er nicht mehr. Den 1939 ergangenen Rentenbescheid habe er bei der Aussiedlung bzw. Internierung eingebüßt.

Die Sachverständigen Dr. O... und Dr. T... stellten beim Kläger eine durch die tschechische Internierung hervorgerufene rechtsseitige Oberfeldtuberkulose sowie eine verschlimmerte Magensaftübersäuerung fest und nahmen eine MdE um 30 v.H. an. Der Augenfacharzt Dr. M... erklärte, der postoperative Zustand an den Augen stehe sicher nicht mit einem Rheumatismus aus dem ersten Weltkrieg in ursächlichem Zusammenhang, riet aber, das Augenleiden als Schädigungsfolge anzuerkennen, wenn es bereits nach dem ersten Weltkrieg anerkannt worden sei. Das Versorgungsamt erkannte mit Bescheid vom 29. September 1952 nach dem KBLG und mit Umanerkennungsbescheid vom 30. September 1952 nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Lungentuberkulose im Sinne der Entstehung und Magenschleimhautentzündung und Übersäuerung des Magensaftes im Sinne der Verschlimmerung als Schädigungsfolgen an und bewilligte dem Kläger ab 1. Juni 1950 Rente nach einer MdE um 30 v.H.; es verneinte den ursächlichen Zusammenhang einer hochgradigen Schwachsichtigkeit mit schädigenden Einflüssen im Sinne des KBLG und BVG.

Mit der Berufung zum Oberversicherungsamt begehrte der Kläger Anerkennung seines Augenleidens; er stützte sich dabei auf die Bescheinigung des Augenarztes Dr. S... vom 14. Oktober 1952. Das Sozialgericht (SG), auf das die Berufung als Klage überging, holte ein Gutachten der Universitäts-Augenklinik Erlangen ein. Nach diesem Gutachten leide der Kläger infolge einer Regenbogenhautentzündung an grünem und grauem Star. Die Erkrankung gehe nach der Bescheinigung des Dr. St... auf einen Rheumatismus in den Jahren 1914/15 zurück; sie bedinge eine MdE um 45 bis 50 v.H. Dem hielt der Augenfacharzt Dr. M... entgegen, es sei nicht erwiesen, daß die rheumatische Erkrankung Schädigungsfolge sei. Dr. B..., der den Kläger 1919 nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft wegen rheumatischer Beschwerden behandelte, sagte aus, es habe sich im Laufe der Zeit eine Regenbogenhautentzündung gebildet. Das SG verurteilte den Beklagte mit Urteil vom 4. Februar 1955, Zustand nach Staroperation beiderseits als Folge abgelaufener Regenbogenhautentzündung auf rheumatischer Grundlage als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen und dem Kläger ab 1. Juni 1950 Rente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren. Die Berufung stützte der Beklagte u.a. auf eine Mitteilung des Österreichischen Bundesministeriums für Inneres vom 31. März 1955, welche lautet: "K..., J..., Leutnant im F.K.R. Nr. 22, 1. Batterie, geboren 1893 in Suhl, ist am 13.5.1916 aus dem Res. Spital Nr. 2 in Prag geheilt zu seinem Ersatzkörper abgegangen. Diagnose: krank." Der Kläger erklärte, wenn er auch in der CSR wegen seines Einkommens keine Rente bezogen habe, so folge daraus nicht, daß eine Kriegsbeschädigung bei ihm nicht festgestellt worden sei. Das Gutachten der Universitäts-Augenklinik Würzburg vom 1. April 1959 hielt beim Kläger einen Zustand nach Staroperation als Folge abgelaufener Regenbogenhautentzündung auf rheumatischer Grundlage für wahrscheinlich. Ob das Rheumaleiden im Wehrdienst aufgetreten und das Augenleiden deshalb als Schädigungsfolge anzusehen sei, ließ das Gutachten offen. Das Landessozialgericht (LSG) hörte den Zeugen Dr. S.... Mit Urteil vom 20. Oktober 1959 hob es das angefochtene Urteil auf, wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es verneinte "mangels jeglicher näheren Anhaltspunkte" einen ursachlichen Zusammenhang des beim Kläger bestehenden Augenleidens mit Einflüssen des Wehrdienstes. Eine Anerkennung nach tschechischem Versorgungsrecht könne nicht vorgelegen haben, da sonst nach Eingliederung des Sudetenlandes zweifellos eine Umanerkennung nach dem Reichsversorgungsgesetz erfolgt wäre. Der Kläger habe im übrigen über die Anerkennung eines Rheuma- oder Augenleidens und über einen Rentenbezug in der CSR sehr widerspruchsvolle Angaben gemacht. Auch durch die behandelnden Ärzte des Klägers sei nicht bewiesen, daß er sich 1916 ein Rheumaleiden zugezogen habe, denn Dr. B... und Dr. St... hätten nur allgemein erklärt, die rheumatischen Beschwerden des Klägers gingen auf die Strapazen des Krieges zurück. Die übrigen Gutachter hatten dies, soweit sie zur Annahme einer Wehrdienstbeschädigung gekommen seien, kritiklos übernommen. Der Kläger habe nach der Auskunft des österreichischen Innenministeriums 1916 zwar in Lazarettbehandlung gestanden, es sei aber nicht feststellbar, wegen welcher Krankheit. Fest stehe dagegen, daß er am 13. Mai 1916 als geheilt entlassen und dann wieder an die Front gekommen sei. Rheumatische Beschwerden während der italienischen Gefangenschaft und eine Verschlimmerung seines Augenleidens in der tschechischen Internierung habe er nicht behauptet. In der Internierung sei er sogar augenfachärztlich operiert worden; er habe demnach die nötige Betreuung erhalten.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 26, 36, 103, 106, 112, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), der §§ 41 Nr. 3, 310 der Zivilprozeßordnung (ZPO), des § 15 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) und des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG). Der erkennende (14.) Senat des LSG sei in mehrfacher Hinsicht nicht vorschriftsgemäß besetzt gewesen. Die nach § 26 SGG in Verbindung mit § 202 SGG und §§ 44, 45 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) gesetzlich vorgeschriebene Listenreihenfolge der Landessozialrichter sei nicht beachtet worden, weil die Reihenfolge der zuzuziehenden Landessozialrichter von der Geschäftsstelle des erkennenden Senats des LSG nach dem Grundsatz bestimmt worden sei, daß der am längsten an einer Sitzung nicht beteiligte Landessozialrichter geladen wurde. Auch eine Hilfsliste für den Fall der Verhinderung sei dort nicht vorhanden. In der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 1962 erweiterte der Kläger diese Rüge dahin, daß die von der Geschäftsstelle des 14. Senats vorgenommene Zuziehung der Landessozialrichter zur Sitzung des 14. Senats des Bayerischen LSG am 20. Oktober 1959 nicht der vom Präsidium des LSG getroffenen Bestimmung über die Zuziehung der Landessozialrichter entsprochen habe.

Die Revision rügt ferner, bei der Entscheidung des LSG habe als Berufsrichter und Berichterstatter Landessozialgerichtsrat K... I mitgewirkt, obwohl die Berufung des Beklagten von seinem Bruder, dem damaligen Regierungsassessor K... II eingelegt worden und Landessozialgerichtsrat K... I deshalb nach § 41 Nr. 3 ZPO von der Ausübung des Richteramts in dieser Sache kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen sei.

Als Verletzung der Sachaufklärungspflicht beanstandet die Revision, das LSG habe den Zeugen Dr. St... nicht gefragt, ob ihn der Kläger bei Beginn der Behandlung 1927 von Erkrankungen während des Wehrdienstes und deren Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung unterrichtet oder wieso er sonst Kenntnis hiervon gehabt habe. Der Kausalzusammenhang zwischen Augenleiden und Wehrdienst habe ohne nochmalige - eidliche Vernehmung des Dr. B..., der den Kläger seit 1919 wegen seines Rheumas behandelt habe, nicht "mangels jeglicher näheren Anhaltspunkte und Nachweise" verneint werden dürfen. Hätte das LSG versucht, die Beweislücke zwischen 1916 und 1919 zu schließen und den Kläger darauf hingewiesen, daß die Ursache seiner Erkrankung im Jahre 1916 noch nicht hinreichend bewiesen sei, so würde er seinen Kriegskameraden Bruno W... als Zeugen benannt haben. Ungeklärt sei auch geblieben, ob das Augenleiden nicht durch die fünf Jahre dauernde Internierung in der CSR verschlimmert worden sei. Die Beweiswürdigung des LSG verstoße mehrfach gegen § 128 SGG. Das LSG habe sich ohne die erforderliche medizinische Fachkenntnis über die Gutachten der Universitäts-Augenkliniken Erlangen und Würzburg sowie über die Aussagen der Ärzte Dr. St... und Dr. B... hinweggesetzt. Da letztere bestätigt hätten, daß der Kläger seit 1919 wegen einer rheumatischen Erkrankung in Behandlung war, habe das LSG die Angaben des Klägers über diese Erkrankung als glaubhaft ansehen müssen. Wenn der Kläger Dr. St... nicht über seine Rentenangelegenheiten unterrichtet habe, so könne daraus nicht zwingend geschlossen werden, die rheumatische Erkrankung hänge nicht mit einer Wehrdienstbeschädigung zusammen, besonders dann nicht, wenn man die Situation der Deutschen in der CSR berücksichtige. Unrichtig sei es, aus dem Fehlen einer Umanerkennung nach Eingliederung des Sudetenlandes zu schließen, die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung durch tschechische Behörden könne nicht vorgelegen haben, denn die Umanerkennung sei antragsbedürftig gewesen. Aus der Mitteilung des Österreichischen Innenministeriums, der Kläger sei am 13. Mai 1916 als geheilt entlassen, habe das LSG nicht folgern dürfen, es fehle schon am zeitlichen Zusammenhang der vom Kläger behaupteten Erkrankung mit der 1919 aufgetretenen rheumatischen Erkrankung, denn es sei allgemein bekannt, wie leichtfertig im dritten Kriegsjahr Entlassungen aus den Lazaretten mit dem Vermerk "geheilt" oder mit ähnlichen Vermerken erfolgt seien. Soweit das LSG sich auf widerspruchsvolle Angaben des Klägers aus den Jahren 1950 und 1952 stütze, gehe es von einem überholten Sachverhalt aus, da eine Klarstellung bereits in der Klageschrift enthalten sei. Es berücksichtige nicht, daß der Kläger damals - nach fünfjähriger Internierung - in einer unzulängliche Erklärungen entschuldigenden schlechten Gesundheitsverfassung gewesen sei. Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückzuweisen; hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte hält die Verfahrensrügen der Revision für unzutreffend und beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Sie ist auch statthaft, denn der Kläger rügt mit Erfolg einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).

Die Rügen, mit denen der Kläger geltend macht, das angefochtene Urteil sei nicht von den gesetzlichen Richtern gefällt worden, gehen allerdings fehl. Soweit die Revision beanstandet, bei der Ladung der Landessozialrichter sei die gesetzlich vorgeschriebene Listenreihenfolge nicht eingehalten worden, ist die Begründung dieser Verfahrensrüge nicht schlüssig. Nach § 26 in Verbindung mit § 36 Satz 2 SGG teilt das Präsidium des LSG die Landessozialrichter im voraus für jedes Geschäftsjahr, mindestens für ein Vierteljahr, einem Senat zu, stellt die Reihenfolge fest, in der sie zu den Verhandlungen zuzuziehen sind, und regelt ihre Vertretung für den Fall der Verhinderung. Die Revision hat nicht behauptet, daß beim Bayerischen LSG ein derartiger Beschluß des Präsidiums fehle, und sie hat innerhalb der Revisionsbegründungsfrist auch nicht dargetan, daß die Zuziehung der Landessozialrichter zu den Sitzungen abweichend von diesem Beschluß erfolgte. Die Revision vermißt vielmehr nur eine den §§ 44 und 45 GVG entsprechende Liste der Landessozialrichter und eine Hilfsliste hierzu. Indessen sind diese nur für die Schöffengerichte in Strafsachen geltenden Bestimmungen im sozialgerichtlichen Verfahren nicht entsprechend anzuwenden, denn im Gegensatz zur Regelung beim Schöffengericht werden die ordentlichen Sitzungstage in der Sozialgerichtsbarkeit nicht für das ganze Jahr im voraus festgelegt und die Verteilung der ehrenamtlichen Beisitzer auf die Spruchkörper erfolgt - abgesehen von den nach § 12 SGG zu beachtenden fachlichen Gesichtspunkten, auf die es beim Schöffengericht nicht ankommt - nicht durch das Los, sondern durch Präsidiumsbeschluß (§ 26 SGG). Die entsprechende Anwendung der §§ 44 und 45 GVG scheitert somit schon an § 202 SGG. Da der Gesetzgeber durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gehalten ist, den gesetzlichen Richter stets endgültig zu bestimmen, ist eine dem praktischen Bedürfnis angepaßte bewegliche Ordnung der Richterreihenfolge zulässig, soweit sie eine generelle Regelung enthält und ungesetzliche Einwirkungen auf das Verfahren verhindert (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. zum SGG § 25 Anm. 1 S. 94). Hatte also das Präsidium des Bayerischen LSG die Zuziehung der Landessozialrichter im Jahre 1959 dahin geregelt, daß von den einem Senat zugeteilten Landessozialrichtern jeweils diejenigen zur Sitzung zuzuziehen waren, die am längsten an einer Sitzung des Senats nicht teilgenommen hatten, so kann dieses Verfahren nicht dazu geführt haben, den Kläger seinen gesetzlichen Richtern zu entziehen. Da zu der Sitzung eines Senats in aller Regel jeweils nur ein Landessozialrichter aus einem bestimmten Personenkreis - in der Kriegsopferversorgung ein Versorgungsberechtigter und eine mit der Kriegsopferversorgung vertraute Person - zugezogen wird, ist die Reihenfolge der Landessozialrichter hinreichend genau bestimmt und eine sachfremde Einflußnahme auf die Senatszusammensetzung praktisch ausgeschlossen, wenn jeweils der am längsten an Sitzungen des Senats nicht beteiligte Landessozialrichter zugezogen wird. Auch das Fehlen einer besonderen Hilfsliste beim 14. Senat des Bayerischen LSG schadet nicht, sofern nur geregelt ist, wie im Falle einer Verhinderung zu verfahren ist. Daß eine solche vom Präsidium beschlossene Regelung nicht vorhanden sei, behauptet die Revision nicht. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 1962 erhobene Rüge, die Landessozialrichter seien mehr oder weniger willkürlich und entgegen der vom Präsidium festgelegten Reihenfolge zu den Sitzungen herangezogen worden, ist erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgebracht worden. Sie ist deshalb verspätet und unbeachtlich (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Rüge, die Zuziehung der Landessozialrichter zur Verhandlung vom 20. Oktober 1959 widerspreche dem Gesetz, ist somit unbegründet.

Fehl geht auch die Rüge, Landessozialgerichtsrat Kalb I sei gemäß § 41 Nr. 3 ZPO in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG im vorliegenden Fall von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen, weil sein Bruder als Regierungsassessor der Versorgungsverwaltung die Berufung eingelegt habe. Landessozialgerichtsrat K... I wäre nach § 41 Nr. 3 ZPO als Richter nur in Sachen seines Bruders ausgeschlossen gewesen, nicht aber in Sachen des Freistaates Bayern. Ob der Auffassung von Rosenberg (Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts 8. Aufl. S. 90 II b) zu folgen ist, wonach auch die Verwandtschaft im Sinne des § 41 Nr. 3 ZPO mit dem gesetzlichen Vertreter einer Partei den Ausschluß des Richters bewirkt, oder ob dies nicht genügt (so Wieczorek, Komm. z. ZPO, § 41 C II c 1; Stein/Jonas, Komm. z. ZPO 18. Aufl. § 41 III 3; Baumbach/Lauterbach, Komm. z. ZPO 26. Aufl. § 412 C; Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGG § 60 Anm. 6 S. 185/22) bedarf hier keiner Entscheidung, denn Regierungsassessor K... II hatte jedenfalls nicht die Stellung eines gesetzlichen Vertreters des Freistaates Bayern (vgl. § 71 Abs. 3 und 5 SGG sowie § 12 der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern und über das Abhilfeverfahren vom 18. Februar 1959 - GVBl S. 97). Als Berater der Außenstelle Bayreuth des Bayerischen Landesversorgungsamtes war er vielmehr nur Vertreter des Leiters des Landesversorgungsamtes. Daß die Vorschrift des § 41 Nr. 3 ZPO auf den Vertreter des gesetzlichen Vertreters anzuwenden sei, wird auch von Rosenberg nicht angenommen. Es besteht auch kein Bedürfnis dafür, die abschließend aufgeführten Ausschließungsgründe auszudehnen, da alle Gründe, die das Vertrauen in die Unparteilichkeit eines Richters in Frage stellen können, erforderlichenfalls durch Ablehnung des Richters geltend gemacht werden können (§ 42 ZPO, § 60 Abs. 1 SGG).

Dagegen greift die Rüge der Revision durch, das LSG habe es versäumt, trotz gegebener Möglichkeiten die Beweislücke zwischen den Jahren 1916 und 1919 zu schließen, bevor es den Ursachenzusammenhang zwischen einer rheumatischen Erkrankung des Klägers durch Einflüsse des ersten Weltkrieges und seinem Augenleiden "mangels jeglicher näheren Anhaltspunkte und Nachweise" ablehnte. Dadurch ist § 103 GG in Verbindung mit § 128 SGG verletzt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtsverletzt das LSG seine Sachaufklärungspflicht, wenn es einen Rechtsstreit entscheidet, obwohl der ihm im Zeitpunkt der Urteilsfällung bekannte Sachverhalt von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus nicht zur Entscheidung ausreichte, sondern zu weiteren Ermittlungen drängte (SozR SGG § 103 Bl. 2 Da 2 Nr. 7). Im vorliegenden Fall war dem LSG bekannt, daß der Kläger am 13. Mai 1916 zwar als "geheilt" aus dem Reservespital Nr. 2 in Prag zu seinem Ersatztruppenteil entlassen wurde, daß aber die Diagnose "krank" lautete. Bekannt war ferner, daß der Arzt Dr. B... der den Kläger und seine Verhältnisse schon von der Hochschule her kannte, diesen unmittelbar nach Rückkehr aus der italienischen Kriegsgefangenschaft als Krankenhausarzt wegen rheumatischer Beschwerden behandelte, die der Kläger damals auf die Strapazen des Krieges zurückführte. Die Behandlung erfolgte nach Aussage des Dr. B... laufend und wurde durch Badekuren unterstützt. Dieser Arzt hat auch die Entstehung der Regenbogenhautentzündung beobachtet und den Kläger deswegen zum Augenfacharzt überwiesen. Schließlich war dem LSG bekannt, daß der Augenfacharzt Dr. St... das während des ersten Weltkrieges aufgetretene Rheuma als Ursache der Regenbogenhautentzündung ansah und daß weder der Augenfacharzt Dr. M... noch die Universitäts-Augenkliniken Erlangen und Würzburg ein Rheuma als Ursache der Regenbogenhautentzündung ausschlossen. Unter diesen Umstanden sprach einige Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Augenleiden des Klägers auf ein im ersten Weltkrieg erworbenes Rheumaleiden zurückzuführen ist. Zweifel an dem Auftreten des Rheumaleidens im Kriege konnten nicht stichhaltig damit begründet werden, der Kläger habe zur Frage der Anerkennung seines Leidens in der CSR widerspruchsvolle Angaben gemacht, denn im Gegensatz zu diesen Angaben fanden sich in seinen Erklärungen über die Entstehung und den Verlauf der Rheumaerkrankung, auf die es allein entscheidend ankam, keine Widersprüche, die Bekundungen seiner behandelnden Ärzte stimmten vielmehr damit überein. Die Zweifel des LSG am Beweiswert der Erklärung des Dr. B... vom 23. November 1954 sind insofern unbegründet, als die Aufforderung zur Begründung der Annahme einer Wehrdienstbeschädigung erst am 19. Januar 1955 erfolgte. Der Zeugenaussage dieses Arztes konnte nicht deshalb jeder Beweiswert abgesprochen werden, weil sie die mit Schreiben des SG vom 19. Januar 1955 geforderte Begründung nicht enthalte. Dr. B... hatte nämlich erklärt, er habe den Kläger und seine Verhältnisse schon von der Hochschule her genauestens gekannt und habe ihn dann unmittelbar nach Rückkehr aus der Gefangenschaft wegen rheumatischer Beschwerden behandelt. Darin war mindestens eine auf die Zeit abgestellte Begründung des Arztes für seine Auffassung enthalten, das Rheuma des Klägers sei durch Wehrdiensteinflüsse entstanden. Wenn das SG von diesem Arzt nicht die Angaben seiner einzelnen Untersuchungsbefunde verlangte, so offenbar deshalb, weil ihm die Aussage, es seien rheumatische Beschwerden behandelt worden, bereits genügte, um den Anspruch des Klägers zu bejahen. Stellte dann das LSG fest, daß der von ihm als Zeuge in Aussicht genommene Dr. B... inzwischen verstorben war, und erschien ihm die bisherige Aussage dieses Arztes als Grundlage seiner Entscheidung zu ungenau, so hätte dein Kläger hiervon Mitteilung gemacht werden müssen. Er wäre aufzufordern gewesen, weitere Beweismittel zu benennen, insbesondere zur Schließung der Beweislücke zwischen den Jahren 1916 und 1919 beizutragen. Das ist nach der Behauptung der Revision, die durch das Sitzungsprotokoll nicht widerlegt wird, unterblieben. Die Revisionsrüge, Dr. B... hätte nochmals als Zeuge - eidlich - gehört werden müssen, läßt erkennen, daß dem Kläger vom Tode dieses Arztes überhaupt keine Mitteilung gemacht wurde. Unterblieb aber die erneute Einvernahme Dr. B..., so konnte der Kläger daraus und aus der Begründung des Urteils erster Instanz schließen, daß das LSG die Aussage dieses Arztes nicht als ergänzungsbedürftig ansah. Er hatte deshalb keinen Anlaß, von sich aus weitere Beweise für die Entstehung seines Rheumaleidens durch Wehrdiensteinflüsse anzubieten. Diese Beweismöglichkeiten zu ermitteln, lag im Rahmen der Sachaufklärungspflicht des LSG. Dieses hat mithin die Entstehung eines Rheumaleidens wahrend des ersten Weltkrieges und den ursachlichen Zusammenhang dieses Leidens mit dem Wehrdienst verneint, obwohl beachtliche Anhaltspunkte dafür sprachen und bei noch bestehenden Zweifeln zumindest eine weitere Sachaufklärung möglich gewesen wäre. Das LSG hat den Grundsatz der objektiven Beweislosigkeit zum Nachteil des Klägers angewandt, ohne ihn zuvor auf die von ihm - im Gegensatz zum SG - vermißten Beweise hingewiesen und ihn zu ihrer Beschaffung aufgefordert zu haben. Darin liegt in diesem besonders gelagerten Falle eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) und des Beweiswürdigungsrechts (§ 128 SGG). Da die Revision diese wesentlichen Mängel im Verfahren des LSG gerügt hat, ist sie nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.

Die Revision ist auch begründet. Es ist nicht auszuschließen, daß das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn das LSG seiner Sachaufklärungspflicht genügt und den Kläger auf die Notwendigkeit weiterer Beweise hingewiesen hätte, denn der Kläger hätte dann den Zeugen Bruno W... benennen können, und es kann nicht vorweg angenommen werden, daß auch dessen Zeugnis - im Zusammenhang mit den ärztlichen Gutachten - ungeeignet gewesen wäre, das LSG vom Vorliegen einer Rheumaerkrankung im Jahre 1916 und vom ursächlichen Zusammenhang dieser Erkrankung mit dem Wehrdienst zu überzeugen. Das angefochtene Urteil beruht somit auf der von der Revision gerügten Verletzung des § 103 SGG (§ 162 Abs. 2 SGG) und unterliegt deshalb schon aus diesem Grunde der Aufhebung, so daß es auf die weiteren Verfahrensrügender Revision nicht mehr ankommt. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem erkennenden Senat mangels der hierzu notwendigen einwandfreien tatsächlichen Feststellungen nicht möglich. Der Rechtsstreit war deshalb gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Vor erneuter Verhandlung und Entscheidung wird das LSG, wenn es sich bei nochmaliger Würdigung der schriftlichen und mündlichen Bekundungen des behandelnden Arztes Dr. B... nicht davon überzeugen kann, daß sich der Kläger im ersten Weltkrieg ein Rheumaleiden zugezogen hat, dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, weitere Beweismittel für seine Behauptung anzugeben, er habe im ersten Weltkrieg eine Rheumaerkrankung durchgemacht, als deren Folge sich eine Regenbogenhautentzündung entwickelte. Es wird weiter auch geprüft werden müssen, ob der Aufenthalt des Klägers in der CSR von 1945 bis 1950 als Internierung im Sinne des BVG anzusehen ist (vgl. hierzu SozR BVG § 1 Bl. Da 28 Nr. 54) und ob sich gegebenenfalls dabei erlittene Gesundheitsschäden verschlimmernd auf das Augenleiden des Klägers ausgewirkt haben. Die Tatsache, daß beim Kläger 1946 in der CSR eine Augenoperation durchgeführt wurde, ist jedenfalls nicht geeignet, eine Verschlimmerung des Augenleidens durch die Internierung auszuschließen, denn die Notwendigkeit einer Operation spricht eher für als gegen eine vorangegangene Verschlimmerung.

Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 66

NJW 1962, 1590

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