Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 07.08.1995; Aktenzeichen L 11 J 768/94)

SG Ulm (Urteil vom 07.03.1994)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. August 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger anstelle der ihm bereits zugesprochenen Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) eine solche wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) zu gewähren hat.

Der 1945 geborene Kläger beantragte im August 1991 bei der Beklagten die Umwandlung der ihm gewährten BU-Rente in eine solche wegen EU. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. April 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1992 mit der Begründung ab, nach den ärztlichen Feststellungen könne der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit gewissen Einschränkungen vollschichtig ausüben. Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Ulm vom 7. März 1994; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 7. August 1995). Das LSG hat seine ablehnende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Dem Kläger stehe Rente wegen EU nicht zu, da ihm noch zumindest leichte Tätigkeiten unter betriebsüblichen Einschränkungen vollschichtig zumutbar seien. Der Senat stütze sich auf das vom SG eingeholte Gutachten des Arztes für Chirurgie und Gefäßchirurgie Dr. P.… vom 14. Dezember 1993. Die hiervon abweichende Auffassung des vom LSG gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gehörten Arztes Dr. W.… , wonach beim Kläger keine halbschichtige Erwerbsfähigkeit bestehe, vermöge nicht zu überzeugen, da er zum einen als Orthopäde nicht über ein spezielles Fachwissen wie der Gefäßchirurg Dr. P.… verfüge und er sich zum anderen weder mit dem Ergebnis dessen Gutachtens auseinandergesetzt noch seine abweichende Meinung weiter begründet habe.

Mit seiner – vom Senat zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Zur Begründung trägt er vor: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei erforderlich, Feststellungen zur Wegefähigkeit des Versicherten zu treffen (Bezug auf BSG SozR 2200 § 1247 Nr 56 mwN). Das LSG habe dies jedoch unterlassen, so daß das Urteil insoweit nicht mit Gründen versehen sei. Die Ausführungen im LSG-Urteil, daß ihm noch zumindest leichte Tätigkeiten unter betriebsüblichen Einschränkungen vollschichtig zumutbar seien, reichten insoweit nicht. Aus den Gutachten der Dres. P.… und W.… ergebe sich, daß er in seiner Wegefähigkeit erheblich eingeschränkt sei. Auch wenn Dr. W.… keine ausdrückliche Feststellung zur Wegefähigkeit getroffen habe, habe er ausgeführt, daß bei ihm, dem Kläger, aufgrund der Neigung zu offenen Ulcera crura links sowie der Arthrose im linken Sprunggelenk längeres Gehen und Stehen ausgeschlossen sei. Außerdem habe der sachverständige Zeuge Dr. Z.… in seinem Befundbericht vom 16. September 1994 ausgeführt, daß er, der Kläger, Strecken ab wenigen hundert Metern bereits mit dem Auto zurücklegen müsse. Dies hätte Veranlassung geben müssen, Ermittlungen zu seiner Wegefähigkeit zu treffen. Dabei hätte sich herausgestellt, daß er nicht die Mindestmobilität im Sinne der Rechtsprechung des BSG habe.

Auch habe das LSG die Rechtsprechung des BSG zur Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen mit der Verpflichtung zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht beachtet (Bezug auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Das BSG habe eine solche angenommen, wenn der Versicherte nur noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten vollschichtig mit weiteren Einschränkungen mit zwei jeweils 15minütigen zusätzlichen Arbeitspausen zu verrichten. Im vorliegenden Fall sei ihm der Arbeitsmarkt verschlossen, weil eine Beschäftigung nur unter unüblichen Bedingungen möglich sei, denn Dr. W.… habe bei ihm keine halbschichtige Erwerbstätigkeit mehr als möglich angesehen und Dr. P.… habe in der ergänzenden Stellungnahme vom 17. Januar 1994 wegen des postthrombotischen Syndroms dreimal täglich kurze Pausen von je zehn Minuten Dauer für erforderlich gehalten. Wegen dieser Notwendigkeit zur Einlegung zusätzlicher Pausen und wegen des zusätzlichen Ausschlusses von Tätigkeiten mit schweren Heben und Tragen ohne Überkopfarbeiten und ohne längeres Stehen und Gehen habe es der konkreten Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit bedurft.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 7. August 1995 und des SG Ulm vom 7. März 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. April 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. September 1991 Rente wegen EU zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, Dr. W.… habe als Orthopäde keine Einschränkung der Gehstrecke für notwendig befunden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Wegen fehlender Tatsachenfeststellungen – insbesondere zur sog Wegefähigkeit und zu möglichen Verweisungstätigkeiten – kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob das LSG zu Unrecht das klagabweisende Urteil des SG bestätigt hat.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen EU richtet sich noch nach § 1247 RVO, da der Rentenantrag bereits im Jahre 1991 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden ist und er sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1991 bezieht (vgl § 300 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch; dazu auch BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 29).

Nach § 1247 Abs 2 RVO ist ein Versicherter erwerbsunfähig, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann.

Diese Voraussetzungen wären gegeben, wenn der Kläger insbesondere aufgrund seines Ulcera crura-Leidens keine ausreichende Wegefähigkeit mehr besitzen würde. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10). Danach ist erwerbsunfähig in der Regel, wer auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (zB Gehstützen) nicht in der Lage ist, täglich viermal die Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Es handelt sich hierbei um eine abstrakte Risikoabgrenzung der Versicherung gegen EU. Zu diesem Merkmal hätte das LSG – wie der Kläger zu Recht rügt – Feststellungen treffen müssen. Besondere Veranlassung dazu bestand aufgrund des Behandlungsberichts der praktischen Ärzte Dres. Z.… vom 16. September 1994, wonach der Kläger ab März 1993 nur noch sehr kurze Strecken zurücklegen könne (Bl 20R LSG-Akte).

Das LSG durfte auch im Hinblick auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. P.… nicht von konkreten Feststellungen zur Wegefähigkeit des Klägers absehen. Allein aus dem Schweigen dieses Gefäßchirurgen zu diesem Punkt kann nicht der Schluß auf das Vorliegen einer ausreichenden Wegefähigkeit gezogen werden, zumal Dr. P.… vom SG dazu nicht gezielt befragt worden ist (Bl 15 SG-Akte). Im übrigen deuten bereits die von diesem Sachverständigen diagnostizierten Leiden “rezidivierende Ulcera crura bei chronisch-venöser-lymphatischer Insuffizienz zweiten Grades im linken Unterschenkel als Folgezustand eines posthrombotischen Syndroms bei zur Zeit spontan rekanalisierter Oberschenkel- und Beckenvenenthrombose rechts, Adipositas permagna, Nacken-Schulter-Arm-Syndrom links sowie chronisches Lumbalsyndrom der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfälle, Zustand nach komplikationslos verlaufender Cholecystektomie und Leistenhernienoperation rechts sowie Rectusdiastase durch Adipositas” auf eine erhebliche Einschränkung der Wegefähigkeit hin. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten des Orthopäden Dr. W.… vom 30. März 1995. Zwar hat dieser Arzt – wie die Beklagte zutreffend geltend macht – keine konkrete Einschränkung der Gehstrecke bezeichnet, obwohl er in allgemeiner Form zum Bestehen besonderer Einschränkungen des Arbeitsweges, insbesondere zeitlicher Art oder wegen der Unzumutbarkeit bestimmter Verkehrsmittel, befragt worden ist (Bl 36 LSG-Akte). Immerhin enthält jedoch auch dieses Gutachten die Aussage, daß längeres Gehen oder Stehen aufgrund der Neigung zu offenen Ulcera crura sowie aufgrund der Arthrose im linken Sprunggelenk ausgeschlossen sei (Bl 45 LSG-Akte).

Darüber hinaus hat es das LSG unterlassen, dem Kläger angesichts der Notwendigkeit zur Einlegung von drei Pausen á 10 Minuten je Arbeitstag eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen.

Nach der vom Großen Senat des BSG bestätigten Rechtsprechung des BSG (vgl den Beschluß vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 – Umdr S 10 ff mwN) ist einem Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr zu verrichten vermag, bei Verweisung auf das übrige Arbeitsfeld grundsätzlich zumindest eine Tätigkeit konkret zu benennen, die er noch ausüben kann. Eine derartige Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit ist hingegen nicht erforderlich, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage ist und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbar ist.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings dann zu machen, wenn bei dem Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. In diesem Fall kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist. Es kommen vielmehr ernste Zweifel daran auf, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist.

Nach den Feststellungen des LSG (durch Bezugnahme auf das Gutachten des Chirurgen und Gefäßchirurgen Dr. P.… vom 14. Dezember 1993) kann der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch vollschichtig leichte Arbeiten im Wechsel zwischen laufender, stehender und sitzender Tätigkeit verrichten. Er muß Gelegenheit haben, kurzzeitig zwischenzeitlich sein linkes Bein hochzulagern. Den tatbestandlichen Feststellungen ist weiter zu entnehmen, daß nach der ergänzenden Stellungnahme des Dr. P.… vom 17. Januar 1994 dem Kläger dreimal je Arbeitstag zehnminütige Pausen eingeräumt werden müssen. Im Hinblick auf diese Tatsachenfeststellungen hat sich das LSG zu Unrecht auf die pauschale Beurteilung beschränkt, der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten unter betriebsüblichen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Denn beim Kläger liegt in Anbetracht der Notwendigkeit zur Einlegung von drei Pausen á zehn Minuten pro Arbeitstag eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, welche die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich macht.

Das BSG hat – worauf der Kläger zu Recht hinweist – bereits entschieden, daß es bei einem auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbaren Versicherten, bei dem Leistungseinschränkungen bestehen und der auch zusätzliche Arbeitspausen von zweimal 15 Minuten einlegen muß, der konkreten Bezeichnung einer ihm zugänglichen Verweisungstätigkeit bedarf (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Das BSG hat dazu ausgeführt, daß in einem solchen Fall die beim Versicherten verbliebene Resterwerbsfähigkeit ernsthafte Zweifel daran aufkommen lasse, ob in der sozialen Wirklichkeit Arbeitsplätze vorhanden seien, die dem Versicherten tatsächlich noch Möglichkeiten böten, Erwerbseinkommen zu erzielen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der breiten Verweisbarkeit des Versicherten. Auch aus der Tatsache, daß bei einem größeren Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung hinsichtlich zusätzlicher Pausen bestehe, könne nicht geschlossen werden, daß es ähnliche Regelungen in anderen Unternehmen gebe. Auf zusätzliche Pausen, die nicht in § 12 Abs 2 der Arbeitszeitordnung (ArbZO) vom 30. April 1938 vorgesehen seien, bestehe kein Rechtsanspruch. Der Bewerber für einen Arbeitsplatz, der zusätzliche Pausen benötige, könne nicht mit einer Einstellung rechnen, wenn solche Sonderregelungen nicht vorhanden seien. Die zwei zusätzlichen Pausen könnten somit nicht generell in die betriebsüblichen Arbeitspausen gelegt werden. In einem solchen Fall können somit Tätigkeiten der Sache nach oder, weil sich keine Arbeitgeber finden, die den Versicherten unter solchen Arbeitsbedingungen einstellen, ausgeschlossen sein.

Der vorliegende Fall entspricht im wesentlichen dem bereits vom BSG (aaO) entschiedenen Sachverhalt, auch soweit die ArbZO durch Art 21 des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts (ArbZRG) vom 6. Juni 1994 (BGBl I 1170) mit Wirkung ab 1. Juli 1994 außer Kraft gesetzt und gemäß Art 1 ArbZRG durch die entsprechenden Vorschriften der §§ 4 ff des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) abgelöst worden ist. Nach § 12 ArbZO Abs 1 Satz 1 war bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden mindestens eine halbstündige Ruhepause oder zwei viertelstündige Ruhepausen zu gewähren. Wechselschichten waren nach Abs 2 Satz 3 hiervon ausgenommen, wobei jedoch Kurzpausen von angemessener Dauer gewährt werden mußten. Nach § 4 Satz 1 ArbZG ist die Arbeit durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Nach Satz 2 können die Ruhepausen nach Satz 1 nur in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten, aber nicht in kleinere Zeitabschnitte, aufgeteilt werden.

Der Kläger kann nach § 4 ArbZG die erforderlichen dreimal zehnminütigen Pausen nicht ohne weiteres nehmen, denn auf zusätzliche Pausen, die nicht in § 4 ArbZG vorgesehen sind, besteht weiterhin kein Rechtsanspruch. Gerade mehrere notwendige Pausen von unter 15 Minuten – wie im vorliegenden Fall von zehn Minuten – können grundsätzlich nicht gänzlich in die betriebsüblichen Pausen gelegt werden. Auch wenn es sich im og vom BSG entschiedenen Fall um zusätzliche Pausen handelte, die der Versicherte benötigte, während im vorliegenden Fall der Sachverständige nicht ausdrücklich zusätzliche Pausen verlangt, sondern nur drei kürzere Pausen als notwendig angesehen hat, sind beide Sachverhalte vergleichbar. Denn der Kläger kann alle für erforderlich gehaltenen Pausen nicht während der allgemein üblichen Pausen nehmen, so daß für ihn auch die weiteren Pausen notwendige zusätzliche Pausen darstellen.

Nichts anderes kann aus § 7 ArbZG hergeleitet werden. Danach kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in Betriebsvereinbarungen abweichend von § 4 Satz 2 ArbZG die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufgeteilt werden. Hierauf kann der Kläger aber nicht verwiesen werden. Denn es handelt sich bei § 7 ArbZG um eine Ausnahmevorschrift, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Im übrigen ist der Kläger auf Schichtdienst nur noch eingeschränkt verweisbar, und zwar soweit ein Wechsel zwischen laufender, stehender und sitzender Tätigkeit möglich ist und ihm Gelegenheit gegeben ist, zwischenzeitlich sein linkes Bein hochzulagern.

Da der erkennende Senat die somit noch erforderlichen Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst nachholen kann (vgl § 163 SGG), ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Kommt das LSG nach weiterer Sachaufklärung zu dem Ergebnis, daß beim Kläger noch eine ausreichende Wegefähigkeit vorhanden ist, bleibt zu prüfen, ob für die dann zu benennende Verweisungstätigkeit der Arbeitsmarkt verschlossen ist (vgl dazu auch Beschluß des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 – Umdr S 13f). Dabei ist insbesondere in Betracht zu ziehen, daß es sich um Schonarbeitsplätze handeln könnte.

Allein aus der Notwendigkeit, in § 4 ArbZG nicht vorgesehene Pausen einzulegen, kann nicht der Schluß auf eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes gezogen werden. Es bedarf vielmehr der konkreten Prüfung, ob derartige spezielle Arbeitsplätze vorhanden sind und für den Kläger in Betracht kommen. Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, die maßgeblich dafür sind, ob für den Versicherten überhaupt eine Möglichkeit besteht, mit der übrigbleibenden Leistungsfähigkeit Erwerbseinkommen zu erzielen. Dabei ist zu beachten, daß auch bei Vollzeittätigkeiten die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes gegeben sein kann, wenn eine Beschäftigung nur noch unter unüblichen Bedingungen möglich ist (vgl BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr 19; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 22, 136; BSG, Beschluß vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 – Umdr S 14).

Das LSG wird in seinem abschließenden Urteil auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1058855

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