Leitsatz (amtlich)

Dem während eines Urlaubsaufenthalts im Ausland (hier: Polen) erkrankten Versicherten steht grundsätzlich auch Krankengeld - nach Maßgabe der RVO §§ 182 ff - für die Zeit des Auslandsaufenthalts zu, in der er nachweislich arbeitsunfähig gewesen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch bei Erkrankung im Ausland gilt die Vorschrift des RVO § 216 Abs 3.

2. Auch bei Erkrankungen im Ausland richtet sich der frühestmögliche Beginn des Krankengeldes nach RVO § 182 Abs 3 S 1; bei Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit der vom ausländischen Arzt getroffenen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bedarf es ggf einer rückschauenden Bestätigung durch den Kassenarzt bzw Vertrauensarzt.

3. Bedient sich die Knappschaft der Zechenverwaltung als Meldestelle, so gilt die Frist des RVO § 216 Abs 3 auch dann als gewahrt, wenn die Arbeitsunfähigkeitsmeldung innerhalb der Frist bei der Zechenverwaltung eingegangen ist.

 

Orientierungssatz

Zur Frage der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch ausländische Ärzte.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12, § 216 Abs. 3 Fassung: 1939-12-12

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 1967 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger, der bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert ist, für die Zeit vom 13. bis zum 28. August 1963, während der er in Polen erkrankt war, Krankengeld zusteht.

Dem Kläger, der sich während seines Tarifurlaubs in Polen aufhielt, wurde am 12. August 1963 von einem polnischen Arzt Arbeitsunfähigkeit für voraussichtlich 12 Tage bescheinigt. Hiervon machte er der Zeche, bei der er beschäftigt war, am 14. August Mitteilung. Er kehrte am 29. August in das Gebiet der Bundesrepublik zurück und meldete sich am folgenden Tage bei seinem Knappschafts-Bezirksarzt, der weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 29. September 1963 bescheinigte. Die Beklagte gewährte Krankengeld zunächst für die Zeit vom 30. August ab; nachträglich auch noch für den 29. August, den Tag des Grenzübertritts. Den Antrag des Klägers, ihm auch für die Zeit seines Aufenthalts in Polen Krankengeld zu zahlen, lehnte sie ab; der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde zurückgewiesen.

Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat die auf Gewährung des Krankengeldes vom 13. August 1963 an gerichtete Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger das Krankengeld für die Zeit vom 13. August bis zum 28. August 1963 zu gewähren. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger sei nachweislich vom 12. August an und bis über den 28. August hinaus arbeitsunfähig krank gewesen und habe diesen Tatbestand auch innerhalb der in § 216 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorgeschriebenen Frist gemeldet; daher stehe ihm das Krankengeld für die genannte Zeit zu.

Der Anspruch sei auch nicht durch eine gesetzliche Vorschrift oder durch allgemeine Rechtsgrundsätze wegen des Aufenthalts im Ausland ausgeschlossen. Zwar könnten nach dem sogenannten Territorialitätsprinzip Personen, die sich im Ausland aufhalten - von besonders geregelten Ausnahmen abgesehen -, nicht von der gesetzlichen Versicherungspflicht erfaßt werden. Sei die Versicherungspflicht aber begründet worden, so sei die Entstehung eines Anspruchs nicht allein wegen des Auslandsaufenthalts ausgeschlossen. Auch die möglicherweise im Ausland bestehenden Schwierigkeiten bei der Feststellung und Überwachung des Versicherungsfalles könnten einen solchen Ausschluß nicht rechtfertigen. Das frühere Reichsversicherungsamt (RVA) habe zwar zutreffend herausgestellt, daß die Kassen ihre Leistungen nicht ins Ausland zu erbringen hätten; das stehe aber der Zahlung am Erfüllungsort nicht entgegen. Auch ließen die gesetzlichen Vorschriften über den Auslandsaufenthalt nicht erkennen, daß der Gesetzgeber vom Nichtbestehen von Leistungsansprüchen ausgehe und nur in den besonders geregelten Ausnahmefällen einen Anspruch gewähren wolle. Wenn es schon der besonderen Vorschrift des § 214 Abs. 3 RVO bedürfe, damit der Leistungsanspruch eines arbeitslosen Versicherten während des Auslandsaufenthaltes wegfällt, so zeige das deutlich, daß der Anspruch ohne diese Vorschrift bestehen würde und bei nicht arbeitslosen Versicherten auch während des Auslandsaufenthaltes bestehe; das gelte um so mehr, als die Kassen ermächtigt seien, satzungsgemäß auch an arbeitslose Versicherte in diesem Fall Leistungen zu gewähren. Im Falle des § 221 RVO habe der Gesetzgeber dem im Ausland tätigen Versicherten nicht ausnahmsweise einen Anspruch gewährt, sondern aus praktischen Gründen den Versicherten mit seinem an sich gegen die Kasse gerichteten Anspruch ausnahmsweise an den Arbeitgeber verwiesen. Auch in § 216 Abs. 1 Nr. 2 RVO gehe der Gesetzgeber von einem bestehenden Leistungsanspruch bei Auslandsaufenthalt aus, da es sonst keiner besonderen Ruhensvorschrift für den Fall bedurft hätte, daß der Versicherte sich nach Eintritt des Versicherungsfalles freiwillig und ohne Zustimmung des Kassenvorstandes ins Ausland begibt. Diese Ruhensvorschrift könne auf den hier vorliegenden Fall nicht entsprechend angewandt werden, da vor Eintritt des Versicherungsfalls für den Versicherten kein Anlaß bestehe, sich mit der Kasse wegen seiner Auslandsreise in Verbindung zu setzen. Schließlich lasse auch die Vorschrift des § 313 Abs. 5 Satz 1 RVO, wonach der Anspruch freiwillig Weiterversicherter während des Auslandsaufenthaltes ruht, erkennen, daß der Gesetzgeber zunächst von dem Bestehen eines solchen Anspruchs ausgegangen sei.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Mit der Revision rügt die Beklagte Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt vor, nach dem Territorialitätsprinzip beschränke sich der Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich auf das Gebiet der Bundesrepublik. Dieser Grundsatz könne nur durch den Abschluß zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen durchbrochen werden; ein solches Abkommen mit Polen hinsichtlich der Krankenversicherung bestehe aber nicht. Die Einschränkung der Leistungspflicht bei Erkrankung im Ausland ergebe sich aus den §§ 122, 214 Abs. 3, 216 Abs. 1 Nr. 2, 217 und 375 RVO sowie aus den §§ 368 ff RVO i.V.m. den Vorschriften der Zulassungsordnungen für Kassenärzte und Kassenzahnärzte. Die Leistungen ins Ausland seien unzulässig, weil die Kasse im Ausland den Versicherungsfall nicht so überwachen und die Krankenhilfe nicht so gestalten könne, wie es der Versicherungszweck verlange, und weil auch die Aufsichtsbehörden ihr Aufsichtsrecht dort tatsächlich nicht ausüben könnten. Auch gebe es dort keine nach deutschem Recht im Sinne des § 122 RVO approbierten oder an der kassenärztlichen Versorgung nach § 368 Abs. 2 RVO beteiligten Ärzte.

Aus der Ausnahmebestimmung des § 214 RVO könnten keine Schlußfolgerungen im positiven Sinne für andere Tatbestände hergeleitet werden. Aus der Entwicklung der Vorschrift des § 221 RVO ergebe sich, daß die Krankenhilfe im Ausland nur dann, und zwar durch den Arbeitgeber, geleistet werden solle, wenn dieser den Versicherten mit Arbeiten im Ausland beauftragt hatte. Ferner sei das Ruhen der Krankenhilfe nach § 216 Abs. 1 Nr. 2 RVO nicht als Ausnahme von einer an sich bestehenden Leistungspflicht, sondern nur im Gegensatz zu der Leistungsgewährung bei Zustimmung des Kassenvorstandes zur Aufenthaltsverlegung ins Ausland und zu der Gewährung einer Abfindung nach § 217 RVO zu verstehen. Auch der besonderen Regelung für freiwillig Weiterversicherte könne nicht entnommen werden, daß der Gesetzgeber zunächst vom Bestehen eines Anspruchs bei Auslandsaufenthalt ausgegangen sei. Die Vorschrift sei erforderlich geworden, nachdem die ursprüngliche Regelung, wonach eine Weiterversicherung den Aufenthalt im Inland voraussetzte, weggefallen sei; sie bezwecke, den im Inland verbliebenen Angehörigen den Schutz der Familienhilfe zu erhalten.

Dem Anspruch des Klägers stehe aber auch entgegen, daß er es unterlassen habe, die Arbeitsunfähigkeit gemäß § 216 Abs. 3 RVO i.V.m. dem Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 16. Februar 1943 innerhalb von 3 Tagen der Kasse zu melden. Er habe die Meldung nur dem Arbeitgeber erstattet; die zuständige Knappschafts-Zahlstelle habe erstmalig am 27. August 1963 Kenntnis von seiner Erkrankung erhalten. Nach der bis zum 31. Januar 1967 maßgebenden Krankenordnung der Ruhrknappschaft gelte aber eine Meldung bei der Zeche nur dann als Meldung im Sinne des § 216 Abs. 3 RVO, wenn der Versicherte in einem abgegrenzten Knappschaftsarztbezirk wohnt und auch dort erkrankt; für einen dort wohnhaften, aber außerhalb des Bezirkes erkrankten Versicherten sei als Meldestelle die für den jeweiligen Aufenthaltsort zuständige Krankenkasse bestimmt. Entsprechend hätte der Kläger die von dem polnischen Arzt bescheinigte Arbeitsunfähigkeit seiner Kasse, also der beklagten Knappschaft, anzeigen müssen. Die Meldung bei der Zeche genüge nicht.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26. Februar 1965 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger ist zu Recht Krankengeld auch für die Zeit, in der er sich in Polen aufgehalten hat, zugesprochen worden.

Dem LSG ist zunächst darin zuzustimmen, daß der Anspruch auf Krankengeld während eines Auslandsaufenthalts nicht schon durch allgemeine Rechtsgrundsätze ausgeschlossen ist. Dem die deutsche Sozialversicherung beherrschenden Territorialprinzip, wonach - entsprechend der völkerrechtlichen Grundnorm, daß staatliche Hoheitsgewalt nur im eigenen Hoheitsbereich ausgeübt werden kann - der Versicherungszwang grundsätzlich seine Schranke an den Grenzen der inländischen Staatsgewalt findet (s. BSG 7, 257, 263; 17, 173, 177), kann hier nicht zur Ablehnung des Anspruchs führen. Das Versicherungsverhältnis des im Inland wohnhaften und dort bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigten Klägers ist im deutschen Sozialversicherungsrecht begründet und richtet sich nach dessen Vorschriften. Auch geht es hier ausschließlich um eine im Inland zu leistende Entschädigung für den Ausfall von Arbeitslohn aus dem die Versicherungspflicht begründenden inländischen Beschäftigungsverhältnis; die Gewährung einer solchen Leistung setzt weder einen in das Ausland wirkenden Gesetzeszwang noch ein öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln im Ausland voraus. Dem Umstand allein, daß der Zustand der Arbeitsunfähigkeit im Ausland eingetreten ist, kann demgegenüber keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.

Auch die für die hier in Betracht kommende Zeit maßgebenden gesetzlichen Vorschriften schließen einen Krankengeldanspruch für Zeiten des Auslandsaufenthalts nicht aus. Soweit sie sich mit Leistungen bei Auslandsaufenthalt befassen, behandeln sie in unsystematischer Weise die Regelung einzelner Sondertatbestände, die auf den vorliegenden Fall eindeutig nicht passen. Als Sonderregelungen lassen sie aber - entgegen der Ansicht des LSG - auch keinen hinreichend sicheren Schluß - sei es im Wege der Analogie oder des Umkehrschlusses - auf eine Grundsatzregelung zu, von der der Gesetzgeber ausgegangen ist. Gemeinsam ist diesen verstreuten Vorschriften lediglich, daß sie solche Fälle regeln, in denen der Versicherte nicht oder nicht mehr durch ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis an einen inländischen Arbeitsort gebunden ist. Das sind die Fälle des im Ausland tätigen (§ 221 RVO), des wegen Erwerbslosigkeit ausgeschiedenen (§ 214 RVO) und des bereits kranken (§ 216 Abs. 1 Nr. 2, § 217 RVO) Versicherten sowie des nach seinem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung freiwillig Weiterversicherten (§ 313 Abs. 5 RVO). Ausgehend von den früheren sozialen Verhältnissen konnte der Gesetzgeber annehmen, hiermit alle praktisch in Betracht kommenden und regelungsbedürftigen Fälle des Auslandsaufenthalts Versicherter erfaßt zu haben. Seitdem aber nunmehr grundsätzlich alle Arbeitnehmer Anspruch auf längeren, bezahlten Erholungsurlaub haben, auf den Krankheitszeiten nicht angerechnet werden, ist ein weiterer Fall häufiger geworden, in dem Pflichtversicherte bei bestehendem inländischen Arbeitsverhältnis im Ausland erkranken und dadurch auch einen Lohnausfall erleiden können. Eine Regelung dieser Fälle, die systematisch wohl in die Vorschriften über Erkrankungen während eines vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Kassenbereichs (§ 220 i.V.m. § 219 RVO) gehören würde, ist bisher nicht getroffen worden. Nachdem nun inzwischen - jedenfalls schon seit der Zeit vor dem hier maßgebenden Jahr 1963 - Urlaubsreisen ins Ausland üblich geworden sind, ist das Bedürfnis nach einer solchen Regelung unverkennbar; eine an sich bereits vorher vorliegende Lücke im Gesetz ist hierdurch stärker hervorgetreten. Zur Ausfüllung dieser Gesetzeslücke ist darauf abzustellen, welche Regelung der Gesetzgeber für diesen Fall getroffen haben würde, wenn er ein Bedürfnis hierfür erkannt hätte. Da es grundsätzlich zu den Aufgaben der Krankenversicherung gehört, den wegen Krankheit arbeitsunfähigen Versicherten wegen des ihm entgangenen Arbeitsentgelts aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zu entschädigen, spricht alles für die Annahme, daß der Gesetzgeber diesen Anspruch anerkannt hätte. Ein Ruhen des Krankengeldes könnte nur dann als vom Gesetzgeber gewollt angesehen werden, wenn gewichtige Gründe dagegen sprächen, wenn z.B. der Versicherungsträger bei Erkrankungen im Ausland höhere Leistungen zu erbringen oder ein höheres Unsicherheitsrisiko einzugehen hätte als bei Erkrankungen im Inland.

Anders als möglicherweise bei den Krankenpflegeleistungen im Ausland bestehen für die Feststellung und Auszahlung des Krankengeldes jedenfalls dann keine Schwierigkeiten, wenn es - wie im vorliegenden Falle - nachträglich im Inland auszuzahlen ist. Allerdings bestehen Schwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und der Krankenüberwachung; sie rechtfertigen jedoch nicht den grundsätzlichen Ausschluß der Leistung, weil auch im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung der Grundsatz der objektiven Beweislast gilt, der Versicherte selbst also das Risiko für den Fall trägt, daß Eintritt und Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit im Ausland nicht hinreichend sicher festzustellen sind. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen ausländischen Arzt ist dabei im Sinne des § 182 Abs. 3 RVO zunächst von Bedeutung für den frühestmöglichen Zeitpunkt des Beginns der Berechtigung. Im übrigen kann sie nur als frei zu würdigendes Beweismittel gelten; sie bedarf also, wenn Zweifel an ihrer sachlichen Richtigkeit bestehen, der rückschauenden Bestätigung durch den deutschen Kassenarzt (Knappschaftsarzt) oder Vertrauensarzt. Daß der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch ausländische Ärzte nicht jede Bedeutung abzusprechen ist, ergibt sich - für einen ähnlichen Fall auf arbeitsrechtlichem Gebiet - aus § 3 des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969. Für die entsprechende Feststellung nach § 182 Abs. 3 RVO kann das allerdings schon deshalb nur mit den oben gemachten Einschränkungen gelten, weil ausländischen Ärzten im allgemeinen weder die versicherungsrechtliche Bedeutung dieser Feststellung noch auch der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der deutschen Krankenversicherung bekannt sein werden.

Hiernach ist davon auszugehen, daß einem während eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes erkrankten Pflichtversicherten jedenfalls für die Zeit, in der er ohne ernsthaften Zweifel arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung war, Krankengeld nach Maßgabe des Gesetzes grundsätzlich zusteht, und zwar frühestens seit dem Tage bzw. dem Tage nach der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (auch) durch einen ausländischen Arzt.

Diese Entscheidung wird auch dadurch gestützt, daß keine Umstände ersichtlich sind, aus denen entnommen werden könnte, daß das Risiko des Versicherungsträgers durch den Auslandsaufenthalt entscheidend erhöht worden ist.

Der Leistungsgewährung steht auch die Ruhensvorschrift des § 216 Abs. 3 RVO, auf die sich die Beklagte mit der Revision beruft, nicht entgegen. Hiernach ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Kasse nicht gemeldet wird; das gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche - durch Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 16. Februar 1943 (AN 1943, 75) ist diese Frist auf 3 Tage verkürzt - nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Diese Frist ist hier nur gewahrt, wenn man die Meldung an die Zechenverwaltung genügen läßt. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß sich die Knappschaft aus Zweckmäßigkeitsgründen der Zechenverwaltungen als Meldestellen bedient. Nach § 14 der damals geltenden Krankenordnung der Ruhrknappschaft sind Erkrankungen außerhalb des Gebietes der Ruhrknappschaft "dieser oder der Zechenverwaltung" unverzüglich mitzuteilen und diese Vorschrift gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 b auch für den speziellen Fall der Arbeitsunfähigkeit hinsichtlich der Beschaffung des Behandlungsscheins. Allerdings lassen diese Bestimmungen nicht hinreichend klar erkennen, ob diese Mitteilungen an den Arbeitgeber die in § 216 Abs. 3 RVO erforderte Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Kasse ersetzen sollen. Jedoch muß die Beklagte insoweit die auf der Krankenordnung beruhende Verwaltungspraxis der Ruhrknappschaft, wie sie insbesondere in ihren Bekanntmachungen an die Versicherten zum Ausdruck kommt, gegen sich gelten lassen. Nach diesen "Verhaltungsvorschriften" gilt aber bei Erkrankungen im abgegrenzten Knappschaftsarztbezirk die Anforderung des Krankenscheins bei der Zeche als Meldung der Arbeitsunfähigkeit bei der Knappschaft gemäß § 216 Abs. 3 RVO. Bei Erkrankungen außerhalb der abgegrenzten Knappschaftsarztbezirke ist im Falle der Arbeitsunfähigkeit diese ebenfalls der Zechenverwaltung unter Beifügung der Anschrift des behandelnden Arztes und nach Möglichkeit einer ärztlichen Bescheinigung mitzuteilen. Auch bei Erkrankungen in den besonders aufgeführten Ländern, mit denen entsprechende Abkommen bestehen, muß die Arbeitsunfähigkeit innerhalb von drei Tagen dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Da hiernach beim Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit die Meldung stets an den Arbeitgeber (Zechenverwaltung) erfolgen soll, während eine Meldung an die Knappschaft selbst nicht vorgesehen ist, muß bei den Versicherten notwendig der Eindruck entstehen, eine solche Meldung sei neben der Meldung an den Arbeitgeber in keinem Fall erforderlich. Soweit neben der Meldung an den Arbeitgeber noch eine Meldung an die für den Aufenthaltsort zuständige Kasse verlangt wird, besteht hierzu in Ländern, mit denen keine entsprechenden Abkommen vorliegen, praktisch keine Möglichkeit, da es dort keine "zuständigen" Kassen gibt. Da die Bekanntmachungen der Ruhrknappschaft über diese Fälle nichts aussagen, kann die Beklagte den Versicherten gegenüber nicht geltend machen, hier sei ausnahmsweise eine Meldung an die Knappschaft selbst erforderlich. Sie kann sich also auch im vorliegenden Fall gegenüber dem Kläger, der sich, soweit es ihm möglich war, den Belehrungen der Knappschaft gemäß verhalten hat, nicht auf die verspätete Meldung berufen.

Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 100

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