Leitsatz (redaktionell)

1. Der Unfall, den ein nicht fest angestellter Facharzt für Anästhesie nach Narkosemaßnahmen im Krankenhaus bei einem mit Einverständnis des Krankenhauschefarztes durchgeführten Krankentransport erleidet, ist kein Arbeitsunfall.

2. Ob bei einem im Krankenhaus tätigen selbständigen Arzt Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO besteht, entscheidet sich im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Tätigkeit, inwieweit sie nämlich durch Unabhängigkeit oder durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gekennzeichnet ist.

3. Insofern übt ein an zwei bis drei Tagen wöchentlich in einem Krankenhaus auf Abruf bei Operationen tätiger selbständiger Arzt, der bei Privatpatienten direkt und bei Kassenpatienten über den Krankenhausträger bei den Krankenkassen liquidiert, keine unter Unfallversicherungsschutz stehende Tätigkeit gemäß § 539 Abs 2 RVO aus.

4. Es müssen schon besondere Umstände erkennbar sein, um anzunehmen, daß sich die rechtliche Beziehung des Arztes zum Krankenhaus als selbständig beruflich Tätiger gerade für die Begleitung und Erstversorgung eines Schwerverletzten in einem Krankentransport zu einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gewandelt hat.

5. Bei der Krankentransportbegleitung durch einen selbständigen Arzt ist dieser nicht in das Krankentransportunternehmen eingegliedert. In der Regel führt der Arzt auch hier seine selbständige Tätigkeit durch, wobei es unerheblich ist, daß diese auch dem Transportunternehmen dient.

6. Der Verletzte ist in einem Verfahren zur Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt und welchem Unternehmen dieser ggf zuzuordnen ist, notwendiger Streitgenosse (§ 74 SGG); das streitige Rechtsverhältnis kann ihm und den Beteiligten gegenüber nur einheitlich festgestellt werden.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30, Nr. 7 Fassung: 1963-04-30, Nr. 9 Buchst. a Fassung: 1963-04-30, Buchst. b Fassung: 1963-04-30, Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 541 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1963-04-30; SGG § 74

 

Tenor

Auf die Revision des Beigeladenen werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 1973 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 6. März 1972 sowie der Bescheid des Beklagten vom 26. August 1971 aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß der Unfall des Beigeladenen vom 1. Dezember 1970 kein Arbeitsunfall gewesen ist.

Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte haben dem Beigeladenen die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner zu erstatten.

 

Gründe

I

Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene im Zeitpunkt des Unfalls am 1. Dezember 1970 gegen Arbeitsunfall versichert war und gegebenenfalls welchem Unternehmen - Krankenbeförderungsdienst des Klägers oder Krankenhaus B - der Unfall zuzurechnen ist.

Der Beigeladene ist niedergelassener Facharzt für Anästhesie. Er war im Krankenhaus B (Trägerin bis 1971: Stadt B) jeweils an zwei bis drei Tagen in der Woche auf Anforderung als Narkosearzt tätig. Bei Privatpatienten liquidierte er direkt, bei Kassenpatienten reichte er seine Liquidation nach Quartalsende über die Stadt B ein. In ähnlicher Weise und mit etwa dem gleichen wirtschaftlichen Erfolg arbeitete der Beigeladene auch an zwei Tagen jeder Woche im Krankenhaus K.

Am 1. Dezember 1970 war der Beigeladene vom Krankenhaus B zu einer Operation als Narkosearzt hinzugezogen worden. Noch während der Operation wurde nach einem Verkehrsunfall ein Schwerverletzter vom Krankenbeförderungsdienst des Klägers in das Krankenhaus gebracht. Die anwesenden Ärzte - unter ihnen der Beigeladene - waren sich darüber einig, daß für den Schwerverletzten eine Überlebenschance nur bei seiner sofortigen Verlegung in das Universitätskrankenhaus H bestehen würde. Nachdem der Beigeladene die Erstversorgung des Verletzten vorgenommen hatte und der noch wartende Krankenwagen vom Krankenhaus mit einem Pulmotor, zwei Sauerstoffflaschen, Blutkonserven sowie verschiedenen ärztlichen Geräten und Medikamenten beladen worden war, wurde der Verletzte unter Begleitung des Beigeladenen nach H gefahren. Auf dieser Fahrt, die unter Führung eines Polizeifahrzeuges stattfand, fuhr der Krankenwagen auf ein vor ihm haltendes Kraftfahrzeug auf. Der Beigeladene erlitt dabei Verletzungen, die ihn vorübergehend arbeitsunfähig machten.

Der Beigeladene hat deswegen gegen den Kläger als dem Halter des Krankenwagens und Arbeitgeber des Fahrers beim Landgericht Itzehoe Schadensersatzansprüche (Verdienstausfall, Schmerzensgeld) geltend gemacht. Der Kläger vertrat im Prozeß wie auch gegenüber dem Beklagten die Auffassung, daß sich der Unfall des Beigeladenen am 1. Dezember 1970 in seinem Krankenbeförderungsdienst ereignet habe, seine Haftung daher nach § 636 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beschränkt sei. Durch Bescheid vom 26. August 1971 hat die Beklagte den Unfall des Beigeladenen als Arbeitsunfall anerkannt und dem Unternehmen des Krankenhauses B zugerechnet. Der Beigeladene sei nach § 539 Abs. 2 RVO gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Das Landgericht Itzehoe hat im Urteil vom 2. November 1971 (2 O 105/71) den Beigeladenen gemäß § 541 Abs. 1 Nr. 4 RVO als versicherungsfrei angesehen, da er als selbständiger Arzt tätig geworden sei, und den Kläger zum Schadensersatz verurteilt. Der Kläger hat dagegen beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht Berufung eingelegt (7 U 206/71). Dieses hat den Rechtsstreit durch Beschluß vom 13. März 1973 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Sozialgerichtsverfahrens ausgesetzt.

Das Sozialgericht (SG) Itzehoe hat antragsgemäß den Bescheid vom 26. August 1971 aufgehoben und den Beklagten für verpflichtet erklärt, dem Kläger einen neuen Bescheid mit der Maßgabe zu erteilen, daß der Arbeitsunfall des Dr. K dem Unternehmen "Krankenbeförderungsdienst" des Kreises P zuzurechnen ist (Urteil vom 6. März 1972). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen und den Antrag des Beigeladenen, festzustellen, daß der Verkehrsunfall vom 1. Dezember 1970 für ihn kein Arbeitsunfall im Sinne der RVO gewesen ist, zurückgewiesen (Urteil vom 16. Februar 1973). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Der Beigeladene habe beim Unfall am 1. Dezember 1970 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die Begleitung des Krankentransports sei keine nach § 541 Abs. 1 Nr. 4 RVO versicherungsfreie selbständige berufliche Tätigkeit als Arzt gewesen. Vielmehr habe Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO bestanden, weil der Beigeladene "wie" ein Versicherter tätig geworden sei. Bei der Begleitung des Krankentransportes habe es sich um eine dem Krankenhausunternehmen dienende Tätigkeit gehandelt. Art und Schwere der Unfallverletzungen hätten während des Transportes die Anwesenheit eines Arztes erfordert, um lebenserhaltende Maßnahmen durchzuführen. Mit der Einlieferung des Unfallverletzten in das Krankenhaus B, der dort durchgeführten Erstversorgung und der Entscheidung über seine Verlegung in das Universitätskrankenhaus H sei ein Arzt-Patientenverhältnis bzw. ein Krankenhaus-Patientenverhältnis hergestellt worden. Damit habe der für die Betreuung des Krankenhauspatienten verantwortliche Arzt auch die Verantwortung für die bis zur Übernahme der ärztlichen Betreuung im Universitätskrankenhaus H notwendig werdenden Maßnahmen übernommen. Im Krankenhaus B sei es allgemein üblich, daß ein Krankenhausarzt bei der Verlegung Schwerverletzter den Transport begleite. Alle Ärzte des Krankenhauses, zu denen auch der Chefarzt gehörte, seien sich damals darüber einig gewesen, daß allein der Beigeladene den sofort notwendigen Transport habe übernehmen können. Im Krankenhaus sei seine Anwesenheit zur weiteren Narkoseüberwachung nicht mehr erforderlich gewesen. Nach der Überzeugung des Senats habe der Beigeladene den Transport nicht begleitet, weil es unbedingt auf seine besonderen Fachkenntnisse angekommen sei, sondern weil er allein nach der Erledigung seiner Hauptarbeit bei den anstehenden Operationen hierfür zur Verfügung gestanden habe.

Auch jeder andere Arzt des Krankenhauses B hätte, wenn er abkömmlich gewesen wäre, die erforderlichen Maßnahmen während des Transports ausführen können. Der Beigeladene habe somit eine Transportbegleitung durchgeführt, die sonst, hätte das Krankenhaus ihn nicht ohnehin als Anästhesisten wegen der anstehenden Operation hinzugezogen gehabt, ein fest angestellter Arzt des Krankenhauses B hätte übernehmen müssen. Im Rahmen des § 539 Abs. 2 RVO komme es auf die Motive des Beigeladenen für die Transportbegleitung nicht an. Da der Beigeladene jedenfalls "wie" ein Versicherter im Sinne des § 539 Abs. 2 RVO tätig geworden sei, habe es keiner abschließenden Prüfung bedurft, ob er sich in einem persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Krankenhaus befunden habe, das auch ohne festen Anstellungsvertrag Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 RVO begründet hätte. Der Senat neige dazu, diese Voraussetzungen bei einem Anästhesisten, der mit gewisser Regelmäßigkeit bei Operationen in einem kleinen Krankenhaus hinzugezogen werde, jedenfalls eher zu bejahen als etwa bei einem praktischen Arzt, der von der Polizei bei alkoholbedingten Verkehrsdelikten fallweise herangezogen werde oder bei einem als Belegarzt für das Krankenhaus mit tätig werdenden Facharzt (vgl. BSG 24, 29). Der Meinung des SG, daß der Arbeitsunfall des Beigeladenen dem Krankenbeförderungsdienst des Klägers zuzurechnen sei, könne der Senat nicht zustimmen. Die Tätigkeit des Beigeladenen habe diesem Unternehmen nicht gedient. Es sei darauf angekommen, in der Zeit bis zur weiteren Spezialbehandlung den Verletzten am Leben zu erhalten.

Diese ärztliche Aufgabe hätte sich auch im Krankenhaus gestellt, wenn der Verletzte nicht verlegt, sondern von einer anderen Klinik ein Spezialist herbeigerufen worden wäre.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger und der Beigeladene haben dieses Rechtsmittel eingelegt.

Der Kläger begründet seine Revision im wesentlichen wie folgt: Das LSG habe mit Recht angenommen, daß der Beigeladene "wie" ein Versicherter im Sinne des § 539 Abs. 2 RVO tätig geworden sei. Die Zuordnung der Tätigkeit des Beigeladenen zum Betrieb des Krankenhauses B sei jedoch nicht zutreffend und müßte auch dazu führen, dem Beigeladenen den Versicherungsschutz überhaupt zu versagen. Denn im Krankenhaus B sei der Beigeladene aufgrund eines unabhängigen Dienstvertrages tätig geworden; seine Hilfeleistung, zu der er sich entschlossen hatte, habe daher zu seiner versicherungsfreien Tätigkeit gehört. Tatsächlich sei die Tätigkeit des Beigeladenen aber nicht dem Krankenhaus B, sondern dem Krankenhausbeförderungsdienst zuzurechnen, zu dem kein unabhängiges Dienstverhältnis bestanden habe. Die Verantwortung für den Transport des Schwerverletzten nach H habe beim Krankenbeförderungsdienst gelegen. Mit dem Entschluß, sich dem Transport anzuschließen, habe der Beigeladene sich in das Transportunternehmen eingegliedert. Der Transportauftrag sei dahin gegangen, den Verletzten lebend in das Universitätskrankenhaus nach H zu bringen. Es sei nicht angängig, zwischen der reinen Transportleistung und den lebenserhaltenden Maßnahmen zu unterscheiden. Der gesamte Vorgang könne nur als Einheit gesehen werden. Hätte nicht der Beigeladene den Transport begleitet, so hätte mit Sicherheit der zweite Fahrer des Krankenwagens den Platz neben dem Schwerverletzten eingenommen, um diesen soweit wie möglich zu betreuen. Da auf diesem Platz der Beigeladene gesessen habe, habe er eine dem Krankentransportunternehmen dienende Tätigkeit entfaltet, der auch dessen Willen entsprochen habe.

Der Beigeladene begründet seine Revision im wesentlichen wie folgt: Zur Zeit des Unfalls am 1. Dezember 1970 sei er nicht gegen Arbeitsunfall versichert gewesen und habe daher auch keinen Arbeitsunfall erlitten. Er habe sich des Schwerunfallverletzten angenommen, in dessen mutmaßlichem Willen handelnd ärztlich versorgt und auf dem Transport begleitet. Damit habe er weder eine dem Unternehmen des Krankenhauses noch eine dem Unternehmen des Krankenbeförderungsdienstes dienende Tätigkeit übernommen. Selbst wenn ohne seine Mitwirkung ein angestellter Arzt des Krankenhauses den Transport hätte begleiten müssen, sei er immer noch in seiner Entscheidung frei gewesen, wem er seinen Dienst habe leisten wollen. Nach den gesamten Umständen habe er ihn nicht dem Unternehmen Krankenhaus oder dem Chefarzt oder den sonstigen Ärzten erweisen wollen, sondern dem Verletzten.

Mit diesem und dessen Hilfsbedürftigkeit sei der alleinige ursächliche Zusammenhang hergestellt worden. Es fehle auch jede Art der Unterordnung unter den Willen des Unternehmens Krankenhaus oder Krankentransport. Vielmehr habe er sich den Sachzwängen der Behandlung des Verletzten untergeordnet und dessen mutmaßlichen Willen. Diesem mutmaßlichen Willen habe es entsprochen, daß er auf dem Transport durch einen Anästhesisten begleitet werde. Denn der Anästhesist sei geradezu prädestiniert für die Aufgabe der Lebenserhaltung im bewußtlosen Zustand.

Der Kläger beantragt,

1.

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Wiederherstellung des Urteils des SG Itzehoe vom 6. März 1972 und Aufhebung des Bescheides vom 26. August 1971 für verpflichtet zu erklären, einen neuen Bescheid mit der Maßgabe zu erteilen, daß der Arbeitsunfall des Beigeladenen dem Unternehmen "Krankenbeförderungsdienst" des Kreises P zuzurechnen ist;

2.

die Revision des Beigeladenen zurückzuweisen.

Der Beigeladene beantragt,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG Itzehoe vom 6. März 1972 und den Bescheid vom 26. August 1971 aufzuheben, die Klage abzuweisen und festzustellen, daß der Verkehrsunfall vom 1. Dezember 1970 für ihn kein Arbeitsunfall im Sinne der RVO gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers und des Beigeladenen zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Ansichten des Klägers und des Beigeladenen seien rechtlich nicht vertretbar. Mit dem LSG sei davon auszugehen, daß der Beigeladene bei dem Verkehrsunfall nach § 539 Abs. 2 RVO versichert gewesen sei. Da Rechtsbeziehungen des Beigeladenen zum Kreis P nicht begründet gewesen seien, habe Versicherungsschutz nur über das Krankenhaus B bestehen können. Ein Arbeitsverhältnis gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO habe aber zum Krankenhaus nicht bestanden. Der Beigeladene verkenne jedoch den Sinn des § 539 Abs. 2 RVO, indem er behauptet, bei dem Unfall am 1. Dezember 1970 versicherungsfrei gewesen zu sein. Er habe eine Dienstleistung des Krankenhauses vorgenommen. Wenn er nicht anwesend gewesen wäre, hätte seine Aufgabe ein anderer Arzt des Krankenhauses übernehmen müssen. Es würde den Tatsachen widersprechen anzunehmen, der Beigeladene wäre als selbständiger Arzt tätig geworden. Anders läge der Fall nur dann, wenn das Krankenhaus in Kenntnis der Behandlungsmöglichkeiten den Patienten in die Obhut eines frei praktizierenden Arztes gegeben hätte, der die weitere ärztliche Versorgung in eigener Zuständigkeit durchzuführen verpflichtet gewesen wäre. Dann müsse der Arzt aber auch seine eigenen Einrichtungen für den Transport benutzen. Hier seien aber Medikamente und Geräte des Krankenhauses für den Transport zur Verfügung gestellt worden.

Der mutmaßliche Wille des Verletzten sei ohne rechtliche Bedeutung. Habe Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO bestanden, sei der Arbeitsunfall des Beigeladenen dem Krankenhaus B zuzurechnen. Ärztliche Versorgung und Krankentransport seien hier keine Einheit. Der Krankenwagen hätte als Unterbringung des Schwerverletzten solange gedient, bis er dem Universitätskrankenhaus H übergeben worden wäre. Andererseits habe die im Krankenhaus B eingeleitete ärztliche Versorgung wegen des lebensbedrohenden Zustandes des Verletzten auch während der Überführung fortgesetzt werden müssen. Die Verantwortung dafür habe seit der Einlieferung des Verletzten in das Krankenhaus B bei den Ärzten dieses Krankenhauses gelegen. Wäre nicht zufällig der Beigeladene zugegen gewesen, sondern ein anderer Arzt des Krankenhauses mit der krankenhauseigenen Ausrüstung mitgefahren, würde wahrscheinlich auch der Kläger nicht auf den Gedanken kommen, den angestellten Arzt eines Krankenhauses als eine seinem Betrieb zuzurechnende Person zu betrachten. Aber auch im vorliegenden Fall könne, wie der Verletzte, auch nicht der ihn betreuende Beigeladene dem Betrieb des Klägers zugerechnet werden. Schließlich habe die Tätigkeit des Beigeladenen auch nicht dem Betrieb des Krankenbeförderungsdienstes gedient. Damit fehle es an einer unabdingbaren Voraussetzung für die Anwendung des § 539 Abs. 2 RVO.

II

Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Das LSG ist zutreffend, wenn auch ohne Begründung, von einem Klagerecht des Kreises P ausgegangen. Dieser beabsichtigt mit der Klage ersichtlich, seine Haftung für die Folgen des Unfalls vom 1. Dezember 1970 gemäß § 636 RVO zu beschränken. Ein Unternehmer ist danach dem in seinem Unternehmen tätigen Versicherten, auch wenn er keinen Anspruch auf Rente hat, nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Arbeitsunfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme im allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Um die Haftungsbeschränkung zum Tragen zu bringen, kann der Unternehmer, wenn der Verletzte von ihm Schadensersatz fordert, nach § 639 i.V.m. § 638 Abs. 1 RVO statt des Berechtigten die Feststellung beantragen, ob ein Arbeitsunfall vorliegt sowie in welchem Umfang und von welchem Träger der Unfallversicherung Leistungen zu gewähren sind; er kann auch das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) betreiben.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der beim Unfall am 1. Dezember 1970 verletzte beigeladene Dr. K vom Kläger Schadensersatz gefordert und damit vor dem Landgericht Itzehoe Erfolg gehabt; das Berufungsverfahren ist noch anhängig. Da der Beigeladene mit Rücksicht auf seinen Rechtsstandpunkt, daß er am 1. Dezember 1970 keinen Arbeitsunfall erlitten hat, Ansprüche gegen einen Träger der Unfallversicherung nicht geltend machen will, war der Kläger berechtigt, aus eigenem Recht das Feststellungsverfahren des Versicherungsträgers zu betreiben. Er konnte dabei sein Begehren auf eine Entscheidung des Versicherungsträgers beschränken, daß der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten hat, der dem Unternehmen des "Krankenbeförderungsdienstes" des Kreises P zuzurechnen ist. Es war nicht erforderlich, daß der Kläger auch die Gewährung von Entschädigungsleistungen an den Verletzten beantragt (vgl. BSG 13, 122, 125). Im Feststellungsverfahren hatte der Kläger nur insoweit Erfolg, als der Beklagte im Bescheid vom 26. August 1971 zwar den Unfall des Dr. K vom 1. Dezember 1970 als Arbeitsunfall "anerkannt", ihn jedoch nicht dem Unternehmen des "Krankenbeförderungsdienstes" des Klägers, sondern dem Krankenhaus B zurechnete. Daraus rechtfertigt sich das auf die Feststellung des Unfallunternehmens reduzierte Klagebegehren.

Der Beigeladene ist in dem vom Kläger betriebenen Verfahren notwendiger Streitgenosse (§ 74 SGG); das streitige Rechtsverhältnis kann ihm und dem Kläger gegenüber nur einheitlich festgestellt werden (BSG SozR Nr. 1 zu § 639 RVO).

Die Beiladung des Dr. K war daher eine notwendige im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG, und der Beigeladene war, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nach § 75 Abs. 4 Satz 2 SGG berechtigt, einen vom Kläger abweichenden Sachantrag zu stellen. Im Hinblick darauf, daß der Beklagte im Bescheid vom 26. August 1971 einen Arbeitsunfall des Beigeladenen im Unternehmen des Krankenhauses B feststellt, der gegen den Kläger gerichtete Schadensersatzanspruch aber auch dadurch beeinträchtigt würde, brauchte sich der Beigeladene nicht darauf zu beschränken, die Abweisung der Klage zu beantragen. Er hat vielmehr ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, daß der Unfall vom 1. Dezember 1970 für ihn kein Arbeitsunfall gewesen ist.

Der Beigeladene hat am 1. Dezember 1970 keinen Arbeitsunfall erlitten.

Das LSG hat den Beigeladenen nach § 539 Abs. 2 RVO als versichert angesehen, da er im Zeitpunkt des Unfalls wie ein nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherter tätig geworden sei. Bei dieser rechtlichen Würdigung ist das LSG davon ausgegangen, daß der Beigeladene eine Transportbegleitung durchgeführt habe, die, hätte ihn das Krankenhaus nicht ohnehin als Anästhesisten hinzugezogen gehabt, ein fest angestellter Arzt des Krankenhauses B hätte übernehmen müssen. Nach Auffassung des LSG hat der Beigeladene somit eine Tätigkeit "wie" ein aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses beschäftigter Krankenhausarzt ausgeübt, bei der dieser nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert sein würde.

Da die versicherungsrechtliche Beziehung zu demselben Unternehmen - das Krankenhaus B - nicht gleichzeitig unter § 539 Abs. 2 und § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO fallen kann, d.h., eine Anwendbarkeit des § 539 Abs. 2 RVO die Anwendung des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO ausschließt (vgl. BSG 5, 168, 171; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Auflage S. 476 v; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage Anm. 99 zu § 539), beinhalten die Ausführungen des LSG gleichzeitig, daß der Beigeladene zum Krankenhaus B nicht in einem nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherten Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.

Dieser Auffassung stimmt der erkennende Senat zu.

Die Tätigkeit des Beigeladenen im Krankenhaus Barmstedt war - zunächst einmal abgesehen von der zum Unfall führenden Transportbegleitung - die eines selbständig beruflich tätigen Arztes. Der Beigeladene ist niedergelassener Facharzt für Anästhesie. Im Rahmen seiner Praxis wird er regelmäßig aufgrund eines unabhängigen Dienstvertrages tätig (vgl. BSG 35, 212, 213). Auch als Narkosearzt im Krankenhaus B hat er aufgrund eines unabhängigen Dienstvertrages seine selbständige berufliche Tätigkeit ausgeübt und ist nicht von einem Arbeitgeber persönlich und wirtschaftlich abhängig gewesen. Ob ein durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gekennzeichnetes Beschäftigungsverhältnis vorliegt, das Voraussetzung für den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO ist, entscheidet sich im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Tätigkeit (vgl. Brackmann aaO S. 470 f). Die Tätigkeit des Beigeladenen aufgrund seiner Verpflichtung gegenüber dem Krankenhaus B war dadurch geprägt, daß er es als niedergelassener Facharzt für Anästhesie übernommen hatte, sich an zwei bis drei Tagen wöchentlich für eine Mitwirkung als Narkosearzt bei Operationen bereitzuhalten und auf Anforderung des operierenden Arztes des Krankenhauses tätig zu werden. Die Vergütung für seine Tätigkeit machte er bei Privatpatienten direkt, bei Kassenpatienten am Quartalsende über die Stadt B bei den Krankenkassen geltend. Da entsprechende sonstige tatsächliche Feststellungen fehlen, kann davon ausgegangen werden, daß der Beigeladene für die Zeit, in der er sich für die Mitwirkung als Narkosearzt bereit hielt, aber nicht in Anspruch genommen wurde, vom Krankenhaus B keine Vergütung erhielt. Das "Unternehmerrisiko", ein wesentliches Merkmal unabhängiger Tätigkeit, lag insoweit beim Beigeladenen (vgl. BSG 35, 212, 214 mit weiteren Nachweisen). Da der Beigeladene zudem an zwei Tagen in gleicher Weise auch im Krankenhaus K tätig war, hält es der erkennende Senat für gerechtfertigt, die Krankenhaustätigkeit des Beigeladenen als eine selbständige Tätigkeit aufgrund eines unabhängigen Dienstvertrages anzusehen.

An dieser Tätigkeit hat sich auch dadurch nichts geändert, daß der Beigeladene am Unfalltag die Begleitung des Transports eines Schwerverletzten übernahm, der nach seiner Einlieferung in das Krankenhaus B und Erstversorgung durch den Beigeladenen mit dem Krankenwagen in das Universitätskrankenhaus in H verlegt werden sollte. Unerheblich ist, daß diese Aufgabe ein anderer Arzt des Krankenhauses übernommen hätte, wenn der Beigeladene nicht ohnehin als Anästhesist zu den anstehenden Operationen vom Krankenhaus herangezogen gewesen wäre. Wie das Krankenhaus sich der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den übrigen Patienten der selbständigen beruflichen Tätigkeit des Beigeladenen als Arzt bediente, wenn er zur Durchführung der erforderlichen Narkosen hinzugezogen wurde, erfüllte es seine Verpflichtungen auch gegenüber dem Schwerverletzten durch den Beigeladenen, indem es ihm diesen zur Begleitung beigab. Es hätten schon besondere Umstände erkennbar sein müssen, um anzunehmen, daß sich die rechtliche Beziehung des Beigeladenen zum Krankenhaus als selbständig beruflich tätiger Arzt gerade für die Begleitung des Schwerverletzten in eine arbeitnehmerähnliche gewandelt hat (vgl. BSG 5, 168, 174).

In tatsächlicher Hinsicht spricht auch nichts dafür, daß eine solche Wandlung in Bezug auf den Krankenbeförderungsdienst des Klägers eingetreten ist. Zwar mag es denkbar sein, daß auch ein selbständig beruflich tätiger Arzt wie ein Arbeitnehmer tätig sein kann. Um im vorliegenden Fall eine solche Tätigkeit des Beigeladenen im Krankenbeförderungsdienst des Klägers anzunehmen, genügt aber nicht die Behauptung, daß der Beigeladene mit dem Entschluß, sich dem Krankentransport zur ärztlichen Versorgung des Schwerverletzten anzuschließen, auch dem Transportunternehmen eingegliedert hat. Der Hinweis auf die Einheit von Transportleistung und lebenserhaltenden Maßnahmen besagt in diesem Zusammenhang ebenfalls nichts. Da der Beigeladene auch beim Transport Tätigkeiten verrichtete, die zu denen gehörten, die er bis dahin als selbständiger Arzt ausübte, spricht zunächst alles dafür, daß er auch die Transportbegleitung des Schwerverletzten in Fortsetzung seiner selbständigen Tätigkeit durchführte, wobei es unerheblich ist, daß diese auch dem Transportunternehmen diente (vgl. BSG 5, 168, 174). Besondere Umstände tatsächlicher Art, die hier die Auffassung des Klägers stützen könnten, sind weder festgestellt noch vorgetragen worden.

Der Beigeladene ist somit bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nicht wie ein nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO Versicherter tätig geworden und hat nicht nach Abs. 2 dieser Vorschrift unter Versicherungsschutz gestanden. Er hat die Transportbegleitung vielmehr aufgrund eines unabhängigen Dienstvertrages vorgenommen. Damit entfällt ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO (vgl. BSG 35, 212, 214; Brackmann aaO S. 476 h).

Bei seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit war der Beigeladene auch nicht nach § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO versichert. Zwar verrichtete der Beigeladene eine nach dieser Vorschrift versicherte Tätigkeit in der Gesundheitspflege. Als Arzt war er jedoch nach § 541 Abs. 1 Nr. 4 RVO versicherungsfrei, weil es sich um eine selbständige Tätigkeit gehandelt hat.

Ebenfalls scheidet ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9 Buchstabe a und b RVO aus. Wie der erkennende Senat entschieden hat, ist ein Versicherungsschutz bei Hilfeleistungen der in § 539 Abs. 1 Nr. 9a RVO genannten Art dann nicht gegeben, wenn die Hilfe im Rahmen eines unabhängigen Dienstvertrages geleistet wird (BSG 35, 212, 215).

Auch ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 9b RVO kommt nicht in Betracht. Der Beigeladene hatte die Begleitung des Schwerverletzten aufgrund seines unabhängigen Dienstvertrages übernommen; er ist somit nicht bei der Heranziehung zur Unterstützung einer Diensthandlung im Sinne dieser Vorschrift verunglückt.

Da der Beigeladene nach keiner der hier in Betracht zu ziehenden Vorschriften der RVO im Zeitpunkt des Unfalls vom 1. Dezember 1970 gegen Arbeitsunfall versichert war, ist der Unfall auch weder dem Unternehmer des Krankenbeförderungsdienstes des Klägers noch dem Krankenhaus B zuzurechnen. Der Beigeladene hat den Unfall im Rahmen seiner versicherungsfreien selbständigen beruflichen Tätigkeit als Arzt erlitten. Daß er der Unfallversicherung gemäß § 545 Abs. 1 RVO freiwillig beigetreten war, ist aufgrund der hier vorliegenden Umstände ausgeschlossen.

Die Urteile des LSG und des SG sowie der Bescheid des Beklagten vom 26. August 1971 waren daher aufzuheben und festzustellen, daß der Unfall des Beigeladenen vom 1. Dezember 1970 kein Arbeitsunfall gewesen ist (§ 638 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Die Revision des Klägers mußte zurückgewiesen werden.

Bei der nach § 193 SGG zu treffenden Kostenentscheidung hat der Senat berücksichtigt, daß der Beigeladene mit seinem Begehren gegenüber dem Kläger und dem Beklagten in vollem Umfang Erfolg gehabt hat. Eine Kostenerstattung zwischen dem Kläger und dem Beklagten kommt nach § 193 Abs. 4 SGG nicht in Betracht, da beide Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651632

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