Leitsatz (amtlich)

1. Die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten in einem angefochtenen (vorinstanzlichen) Urteil nimmt das Rechtsmittelgericht in entsprechender Anwendung des SGG § 138 im Rahmen seiner Entscheidung über das Rechtsmittel vor (Anschluß an BSG 1959-12-14 10 RV 636/56 = BSGE 11, 146; BFH 1969-01-23 IV R 36/68 = BFHE 95, 97; BAG 1964-05-12 3 AZR 412/63 = NJW 1964, 1874; BGH 1964-06-18 VII ZR 152/62 = NJW 1964, 1858).

2. Die Frist für den Antrag auf Kug nach AFG § 72 Abs 2 S 4 beginnt in Fällen, in denen der maßgebliche Kurzarbeitszeitraum nach AFG § 72 Abs 2 S 3 iVm § 64 Abs 1 Nr 3 über ein Kalendermonatsende hinausreicht, einheitlich erst mit Ablauf des entsprechenden 2. Kalendermonats. Dasselbe gilt für den Antrag auf anteilige Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen nach AFG § 163 Abs 2, § 166 Abs 3.

 

Normenkette

AFG § 64 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25, § 72 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1969-06-25, § 163 Abs. 2 Fassung: 1972-05-19, § 166 Abs. 3 Fassung: 1969-06-25; SGG § 138 Fassung: 1953-09-03; AFG § 72 Abs. 2 S. 4 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

SG Münster (Entscheidung vom 02.06.1976; Aktenzeichen S 3 Ar 29/75)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 2. Juni 1976 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sie der Klägerin entsprechend der unter dem 9. April 1974 eingereichten Abrechnungslisten von den Aufwendungen für Empfänger von Kurzarbeitergeld im Dezember 1973 für Krankenversicherungsbeiträge die Hälfte, für Rentenversicherungsbeiträge 75 vom Hundert zu erstatten hat.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung für Empfänger von Kurzarbeitergeld (Kug).

Die Klägerin zeigte der Beklagten (Arbeitsamt R) am 6. Dezember 1973 an, daß in ihrem Werk in R-Karosseriebau und Wohnwagenbau - ab 7. Dezember 1973 die regelmäßige, betriebsübliche, wöchentliche Arbeitszeit wegen Arbeitsausfalls herabgesetzt werde. Mit Bescheid vom 20. Februar 1974 erkannte die Beklagte an, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug nach den §§ 63 und 64 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vorlägen. Im März 1974 kam die Klägerin mit Vertretern des Arbeitsamtes überein, daß der Antrag auf Gewährung des Kug aus abrechnungstechnischen Gründen in der Form von zwei Auflistungen erfolgen sollte, und zwar einmal für den Zeitraum vom 7. Dezember 1973 bis zum 31. Januar 1974 und zum anderen für den Zeitraum vom 1. Februar 1974 bis zum 28. Februar 1974.

Am 29. März 1974 beantragte die Klägerin die Gewährung des Kug für die Monate Dezember 1973 und Januar 1974. Aufgrund eines telefonischen Hinweises des zuständigen Sachbearbeiters des Arbeitsamtes R vom 2. April 1974, daß der Antrag auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge noch nicht eingegangen sei, beantragte die Klägerin am 9. April 1974 durch Vorlage der Abrechnungslisten, ihr die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung für die Empfänger von Kug für die Monate Dezember 1973 und Januar 1974 zu erstatten. Als Erstattungsbetrag setzte sie für Krankenversicherungsbeiträge die Hälfte, für Rentenversicherungsbeiträge 75 vH ihrer Aufwendungen ein.

Den Anträgen der Klägerin auf Gewährung des Kug und auf Erstattung der anteiligen Beiträge zur Sozialversicherung für den Monat Januar 1974 gab die Beklagte statt. Die anteilige Erstattung der Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge für die Empfänger von Kug für die Zeit vom 1. - 31. Dezember 1973 lehnte sie jedoch ab, weil dieser Antrag nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 163 Abs 2 Satz 2 AFG eingereicht worden sei (Bescheid vom 20. Juni 1974; Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1975).

Das Sozialgericht (SG) Münster hat durch Urteil vom 2. Juni 1976 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, "der Klägerin gemäß § 163 Abs 2 AFG die Hälfte der von ihr entrichteten Beiträge für die Empfänger von Kurzarbeitergeld für den Monat Dezember 1973 gemäß der eingereichten Abrechnungslisten zu erstatten". Es hat die Sprungrevision zugelassen. Zur Begründung hat das SG im wesentlichen ausgeführt:

Folge man der Rechtsauffassung der Beklagten zur Auslegung von § 163 Abs 2 iVm § 72 Abs 2 Satz 4 AFG, so hätte die Klägerin die am 31. März 1974 für den Monat Dezember 1973 endende Ausschlußfrist versäumt; denn ihr Erstattungsantrag für diesen Zeitraum sei erst am 9. April 1974 beim Arbeitsamt eingegangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehe kein Anhalt dafür, daß die Beklagte durch die Berufung auf die Ausschlußfrist gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde.

Entgegen der Auffassung der Beklagten habe die Klägerin den Antrag jedoch fristgerecht eingereicht; denn die Beklagte habe den Beginn und das Ende der Ausschlußfrist nicht richtig berechnet. Der Anspruch auf Beitragserstattung nach § 163 Abs 2 AFG sei von der Gewährung des Kug abhängig; infolgedessen müßten die Vorschriften über die Beantragung des Kug berücksichtigt werden. Nach § 72 Abs 2 Satz 3 AFG müsse das Kug jeweils für den nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG maßgebenden Zeitraum beantragt und gewährt werden. Das sei ein zusammenhängender Zeitraum von vier Wochen, der mit dem Tage beginne, an dem ein Arbeitsausfall erstmals nach Eingang der Anzeige beim Arbeitsamt über den Arbeitsausfall eintrete. Durch die Bezugnahme in § 72 Abs 2 Satz 3 AFG auf § 64 Abs 1 Nr 3 AFG sei der Mindestzeitraum, für den das Kug zu beantragen ist, auf vier Wochen festgelegt. Wenn in § 72 Abs 2 Satz 4 AFG bestimmt werde, daß der Antrag innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten zu stellen sei, so bedeute dies, daß diese Ausschlußfrist für den gesamten Zeitraum gelte, den der Antrag umfasse, das sei mindestens ein Zeitraum von vier Wochen. Da im vorliegenden Fall der erste Tag des Arbeitsausfalls nach der Anzeige beim Arbeitsamt der 7. Dezember 1973 gewesen sei, hätte das Kug und dementsprechend auch die Erstattung der anteiligen Sozialversicherungsbeiträge nur für den Mindestzeitraum von vier Wochen, das sei die Zeit vom 7. Dezember 1973 bis 4. Januar 1974, beantragt werden können. Nach § 72 Abs 2 Satz 4 AFG beginne die Frist mit Ablauf des Monats, in dem die Tage, für die das Kug beantragt ist, lägen; infolgedessen beginne die Ausschlußfrist im vorliegenden Falle mit Ablauf des Monats Januar und Ende mit Ablauf des Monats April 1974. Der Auffassung der Beklagten, daß für Ausfalltage, die im Dezember liegen, die Ausschlußfrist bereits mit Ablauf des Monats Dezember begonnen habe, könne nicht zugestimmt werden. Dies hätte zur Folge, daß in Fällen, in denen der Mindestzeitraum, für den Kug beantragt werde, sich auf zwei Kalendermonate erstrecke, die Ausschlußfrist nie voll in Anspruch genommen werden könnte. Deswegen könne die Vorschrift des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG nur so verstanden werden, daß die Ausschlußfrist mit Ablauf des Kalendermonats beginne, in dem die Ausfalltage liegen, die von dem Antrag umfaßt werden. Vorliegend bedeute dies, daß die Ausschlußfrist für die Ausfalltage vom 7. Dezember 1973 bis 4. Januar 1974 erst mit Ablauf des Monats Januar 1974 begonnen und mit Ablauf des Monats April 1974 geendet habe.

Da die Beitragserstattung von der Gewährung des Kug abhängig sei und in § 163 Abs 2 AFG hinsichtlich der Ausschlußfrist die Vorschrift des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG für entsprechend anwendbar erklärt worden sei, gelte diese Rechtsfolge in vollem Umfange auch für den Antrag auf die anteilige Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung.

Gegen das am 25. Juni 1976 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juli 1976 unter Beifügung der Zustimmungserklärung der Beklagten vom 9. Juli 1976 Sprungrevision eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 25. Oktober 1976 am 18. Oktober 1976 begründet.

Die Beklagte trägt insbesondere vor: Für den Beginn der Ausschlußfrist nach § 163 Abs 2 Satz 2 iVm § 72 Abs 2 Satz 4 AFG sei entgegen der Auffassung des SG nicht der nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG maßgebende Zeitraum von Bedeutung. § 163 Abs 2 Satz 2 AFG nehme nämlich weder auf § 72 Abs 2 Satz 3 AFG noch auf § 64 Abs 1 Nr 3 AFG Bezug, sondern lediglich auf die Vorschrift des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG. Eine Ausdehnung der Verweisung in § 163 Abs 2 Satz 2 AFG auf eine andere als die ausdrücklich genannte Vorschrift des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG widerspreche deshalb dem Gesetzeswortlaut und der Systematik des Gesetzes.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG beginne die Ausschlußfrist für die im Monat Dezember liegenden Tage mit Ablauf dieses Monats. Die Vorschrift stelle ausdrücklich auf die Tage ab, für die Kug tatsächlich beantragt ist, nicht jedoch - wie das SG meint - auf den "Zeitraum", für den das Kug nach § 72 Abs 2 Satz 3 iVm § 64 Abs 1 Nr 3 AFG beantragt und gewährt werden müßte.

Im übrigen gelte nach § 163 Abs 2 Satz 2 AFG für die Antragstellung die Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG nur entsprechend. Das bedeute, daß die Antragsfrist für die anteilige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge mit Ablauf des Kalendermonats beginne, in dem die Tage liegen, für die die Erstattung beantragt werde. Vorschriften, die allein die Gewährung von Kug betreffen, müßten im Rahmen der hier geltend gemachten Erstattung ohne Berücksichtigung bleiben.

Zwischen dem Anspruch auf Kug und dem Erstattungsanspruch bestehe zwar ein sachlicher Zusammenhang; dieser habe jedoch nicht zur Folge, daß ein für Antragstellung und Gewährung von Kug festgelegter Zeitraum ohne gesetzliche Bezugnahme auch der Berechnung der Ausschlußfrist zugrunde zu legen sei. Vielmehr müsse berücksichtigt werden, daß es sich hier um einen dem Arbeitgeber zustehenden Anspruch auf Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen handele, der nicht auf den Gewährungszeitraum für Kug, sondern auf den im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Krankenkasse als Einzugsstelle geltenden Lohnabrechnungszeitraum bezogen sei (§ 163 Abs 1 Satz 2, § 163 Abs 2 Satz 3 AFG). Lohnabrechnungszeitraum sei jedoch, wie aus den Abrechnungslisten der Klägerin hervorgehe, hier - wie in der Mehrzahl der Betriebe - der Kalendermonat.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen, sowie zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Darüber hinaus führt sie mit näherer Begründung aus, daß die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf im vorliegenden Fall gegen Treu und Glauben verstoßen würde und daher rechtsmißbräuchlich sei.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision ist statthaft und zulässig (§§ 161 Abs 1, 164, 166 Abs 1 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet, denn die Entscheidung des SG entspricht der Rechtslage.

Die Klägerin hat auch für den Monat Dezember 1973 einen Anspruch auf Erstattung anteiliger Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung für ihre Aufwendungen zugunsten derjenigen ihrer Arbeitnehmer, die in dieser Zeit Empfänger von Kug waren. Während des Bezugs von Kug bleibt die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung bestehen (§§ 162, 166 Abs 1 AFG); die Beitragsbemessung ist besonders geregelt (§§ 163 Abs 1, 166 Abs 2 AFG). Den Teil des Beitrages, der für den Unterschiedsbetrag zwischen tatsächlich erzieltem Entgelt und dem für die Gesamtbeitragsbemessung maßgeblichen fiktiven Entgelt zu zahlen ist, trägt der Arbeitgeber allein, soweit eine originäre Beitragspflicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), Des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) oder des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) nicht besteht (§§ 163 Abs 2 Sätze 1 und 3, 166 Abs 3 Sätze 1 und 4 AFG). Als Ausgleich für diese Abweichung von dem Grundsatz der Aufteilung der Beitragslast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§§ 380, 1382 RVO, 109 AFG, 117, 127 RKG) erstattet die Bundesanstalt für Arbeit (BA) dem Arbeitgeber auf Antrag von seinen Aufwendungen für Empfänger von Kug zur Krankenversicherung die Hälfte (§ 163 Abs 2 Satz 2 AFG), zur Rentenversicherung 75 vom Hundert (§ 166 Abs 3 Satz 3 AFG). Für die Antragstellung gilt die Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG entsprechend (§§ 163 Abs 2 Satz 2, 166 Abs 3 Satz 3 AFG).

Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Beiträgen nach §§ 163, 166 AFG ist nach den zugrundeliegenden Feststellungen des SG, an die das Bundessozialgericht (BSG) gebunden ist (§ 163 SGG), begründet.

Die Klägerin hat den Erstattungsanspruch rechtzeitig erhoben, wie das SG zutreffend entschieden hat. Mit dem Antrag vom 9. April 1974 hat sie nämlich die hier maßgebliche Frist nach § 72 Abs 2 Satz 4 AFG eingehalten. Diese Frist ist zwar eine materielle Ausschlußfrist, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt (BSGE 22, 257; BSG in SozR Nr 3 zu § 143 1 AVAVG; BSG SozR 4100 § 72 Nr 2). Die Klägerin hat die Frist jedoch nicht versäumt, denn diese ist erst am 30. April 1974 abgelaufen.

Auszugehen ist von § 72 Abs 2 Satz 4 AFG. Danach beträgt die Frist für den Antrag auf Kug drei Monate; sie beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage, für die Kug beantragt ist, liegen. Der Wortlaut dieser Regelung läßt zwar die Auffassung zu, daß für den Antrag auf Kug als Voraussetzung des Anspruchs stets für jeden Kalendermonat, in dem Kug bezogen wurde, eine gesonderte Ausschlußfrist von drei Monaten, beginnend mit Ablauf dieses jeweiligen Kalendermonats, läuft. Diese Auffassung ergibt sich aber weder zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch wird sie ihrem Sinngehalt, insbesondere ihrem Bezug zu anderen Regelungen, noch ihrer Entstehungsgeschichte gerecht.

Tage für die Kug beantragt wird, müssen nicht zwangsläufig nur in ein und demselben Kalendermonat liegen. Liegen sie, wie hier, in zwei aufeinander folgenden Kalendermonaten, ist nach dem Wortlaut des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG nicht ohne weiteres klar, welcher von beiden Monaten den Maßstab für den Fristbeginn bilden soll. Einmal ist zwar die von der Beklagten vertretenen Auffassung denkbar. Sie hätte jedoch zur Folge, daß hinsichtlich des Anspruchs auf Leistungen für ein und denselben Kurzarbeitszeitraum, der über ein Kalendermonatsende hinaus reicht, zwei unterschiedlich lange Antragsfristen liefen, so daß der Arbeitgeber, will er sein Recht zur Ausschöpfung der vollen Antragsfrist wahrnehmen, zwei Anträge für diesen Anspruch aus einem Kurzarbeitszeitraum stellen müßte, wobei sich die Frage ergäbe, ob der Antrag für Zeiten eines Kalendermonats, die nicht mindestens vier Wochen iS § 64 Abs 1 Nr 3 AFG umfassen, wirksam überhaupt gestellt werden könnte. Das Gesetz gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß dieses Ergebnis beabsichtigt war; es erscheint auch nicht sinnvoll. Ist vielmehr davon auszugehen, daß für den Anspruch auf Kug für einen bestimmten, vorgesehenen Kurzarbeitszeitraum nur ein Antrag erwartet wird, könnte § 72 Abs 2 Satz 4 AFG bereits seinem Wortlaut nach dahin verstanden werden, daß bei der genannten Fallgestaltung für den Fristbeginn lediglich der Ablauf des zweiten Kalendermonats maßgeblich ist, in dem (auch) Tage liegen, für die Kug für ein und den selben Bezugszeitraum begehrt wird.

Dieses Ergebnis entspricht dem Zusammenhang der Vorschriften des AFG über das Kug. Das SG weist zu Recht darauf hin, daß das Kug nach § 72 Abs 2 Satz 3 AFG für den nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG maßgebenden Zeitraum beantragt und gewährt werden muß. Der Arbeitgeber hat demnach hinsichtlich des Umfangs seiner Antragspflicht kein Wahlrecht. Er muß nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG einen zusammenhängenden Kurzarbeitszeitraum von mindestens vier Wochen zugrunde legen, der mit dem Tage beginnt, an dem ein Arbeitsausfall erstmals nach Eingang der Anzeige nach Nr 4 des § 64 Abs 1 AFG eintritt. Diese Festlegung des Antragsrechts und der Antragspflicht auf einen nach faktischen Gegebenheiten eingetretenen Zeitraum vernachlässigt den Kalendermonat als rechtlichen Maßstab vollständig. Kann danach der maßgebliche Kurzarbeitszeitraum, für den Kug beantragt werden muß, willkürlich die Grenze eines Kalendermonatsendes überschreiten, dann gibt es keinen Sinn, den Beginn der Antragsfrist an jegliches Ende eines Kalendermonats zu binden, der innerhalb dieser Zeit in Betracht kommen kann. Vielmehr enthält dieser Regelungszusammenhang den deutlichen Hinweis darauf, daß in Fällen der vorliegenden Art auch § 72 Abs 2 Satz 4 AFG nur so verstanden werden kann, daß die einheitliche Antragsfrist erst mit Ablauf des zweiten Kalendermonats beginnt, hier also mit Beginn des 1. Februar 1974. Durch diese Auslegung werden die berechtigten Interessen der Beklagten nicht berührt. Der Sinn des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, die nach längerer Zeit auftreten können (vgl BT-Drucks V/2291 Seite 73 zu § 67 Abs 2), wird durch die hiernach mögliche geringfügige Verlängerung der Antragsfrist nicht beeinträchtigt. Das Verwaltungsverfahren wird im Gegenteil dadurch erleichtert, daß der Arbeitgeber nicht gezwungen ist, nur zur Fristwahrung gegebenenfalls zwei Anträge für ein und denselben Kurzarbeitszeitraum zu stellen und die Beklagte nicht verpflichtet wird, zwei derartige Anträge zu bearbeiten und zu bescheiden.

Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung läßt sich schließlich nicht der Entstehungsgeschichte des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG entnehmen. § 72 Abs 2 AFG wurde dem früheren § 188 Abs 2 AVAVG nachgebildet (vgl BT-Drucks V/2291 aaO). Nach § 188 Abs 2 AVAVG wurde Lohnausfallvergütung ebenfalls nur auf Antrag gewährt. Dieser Antrag umfaßte jeweils den Zeitraum, für den die Lohnausfallvergütung nach § 122 AVAVG (Doppelwoche, vier Wochen oder ein Monat) gewährt wurde (§ 188 Abs 2 Satz 2 AVAVG). Danach war ebenfalls bereits der entscheidende Anknüpfungspunkt für den zu stellenden Leistungsantrag der entsprechende Bezugszeitraum. Es kann ohne nähere Anhaltspunkte in den Motiven des AFG oder im Gesetz selbst nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber mit der Regelung in § 72 Abs 2 Satz 4 AFG hiervon hat abweichen und hinsichtlich der Antragsregelung etwas Anderes hat bestimmen wollen. Es sollte vielmehr lediglich zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten die Antragstellung in zeitliche Nähe zu dem nach wie vor maßgeblichen tatsächlichen Kurzarbeitszeitraum, bzw Kug-Bezugszeitraum gerückt werden (vgl BT-Drucks V/2291 aaO).

Danach ergibt sich, daß die Antragsfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG in Fällen, in denen der maßgebliche Kurzarbeitszeitraum nach § 72 Abs 2 Satz 3 iVm § 64 Abs 1 Nr 3 AFG über ein Kalendermonatsende hinausreicht, einheitlich erst mit Ablauf des entsprechenden zweiten Kalendermonats beginnt.

Dies gilt auch für den Antrag auf anteilige Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen nach §§ 163 Abs 2, 166 Abs 3 AFG. Beide Vorschriften schreiben vor, daß für den Erstattungsantrag die Ausschlußfrist des § 72 Abs 2 Satz 4 AFG entsprechend gilt. Das bedeutet, daß § 72 Abs 2 Satz 4 AFG auf den Erstattungsantrag in derselben Weise anzuwenden ist wie für den Kug-Antrag, soweit sich aus den Besonderheiten der Beitragserstattung nach §§ 163, 166 AFG nichts Anderes ergibt. Das ist hinsichtlich des Beginns der Ausschlußfrist nicht der Fall. Insbesondere geht die Auffassung der Beklagten fehl, die Verweisung in §§ 163, 166 AFG auf § 72 Abs 2 Satz 4 AFG löse diese Vorschrift aus dem Zusammenhang heraus, in dem sie stehe, und zwar in der Weise, daß § 72 Abs 2 Satz 3 AFG insoweit unbeachtlich sei. Diese Auffassung übersieht den engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Bezug von Kug und der anteiligen Erstattung von Beitragsaufwendungen, wie er auch in § 163 Abs 2 Satz 2 AFG, der mit § 166 Abs 3 Satz 3 AFG korrespondiert, zum Ausdruck kommt. Danach hat die BA den jeweiligen Anteil der Beitragsaufwendungen für "Empfänger von Kug" zu erstatten. Für "Empfänger von Kug" besteht aber, wie dargelegt, der Leistungsanspruch nur in der Verknüpfung mit fest geregelten Kurzarbeitszeiträumen (§ 64 Abs 1 Nr 3 AFG). Soweit in §§ 163 Abs 1 und 166 Abs 2 AFG Lohnabrechnungszeiträume angesprochen sind, handelt es sich um Beitragsbemessungsvorschriften. Der "Lohnabrechnungszeitraum" in § 163 Abs 2 Satz 3 AFG umschreibt nur die Erstattungspflicht der BA dem Grunde nach und füllt damit die Sätze 1 und 2 des § 163 Abs 2 AFG aus. Im übrigen ist in diesen Regelungen keine Aussage darüber enthalten, daß Lohnabrechnungszeitraum stets nur der Kalendermonat sein könne.

Daß er es in der Praxis nicht immer ist, räumt die Beklagte selbst ein. Fehlt es aber an einem eindeutigen Hinweis des Gesetzes, daß für den Antrag auf Erstattung von Beitragsaufwendungen nach §§ 163 Abs 2, 166 Abs 3 AFG andere Maßstäbe für den Beginn der Ausschlußfrist als für den Antrag auf Kug selbst gelten sollen, ist wegen der Akzessorietät des Erstattungsanspruchs und -antrags zum beantragten Kug-Bezug insoweit ein Unterschied nicht zu rechtfertigen. Zudem ist die von der Beklagten gewünschte Differenzierung wenig sinnvoll; denn sie würde sowohl für den Antragsteller wie für die Verwaltung lediglich verfahrensmäßige Erschwernisse mit sich bringen, ohne daß sich hierfür ein sachlich zu rechtfertigender Grund erkennen läßt. Insbesondere ist nicht erkennbar, daß die vom SG getroffene und vom Senat bestätigte Auslegung der Systematik des Gesetzes widerspricht, wie die Beklagte meint. Auch ihr Hinweis, daß nur § 72 Abs 2 Satz 4 AFG für die Ausschlußfrist von Erstattungsanträgen nach §§ 163, 166 AFG gelte, und zwar entsprechend, bedeutet jedenfalls nicht, daß hierbei die Vorschriften über die Kug-Gewährung schlechthin außer Betracht zu bleiben hätten. Einmal erklärt sich die Verwendung des Wortes "entsprechend" ohne weiteres daraus, daß § 72 Abs 2 Satz 4 AFG unmittelbar nur den Antrag auf Kug regelt, während es in §§ 163, 166 AFG um Beitragserstattungsanträge geht. Eine direkte Verweisung auf § 72 Abs 2 Satz 4 AFG konnte deshalb wegen der anderen Wortfassung schon nicht in Betracht kommen. Zum anderen hätte die von der Beklagten vorgetragene Interpretation, wonach es für die Frist für den Erstattungsantrag auf den Kalendermonat ankomme, in dem die Tage liegen, für die die Erstattung beantragt wird, nicht zwangsläufig zur Folge, daß ein Erstattungsantrag stets nur einen Kalendermonat betrifft. In diesem Falle würde sich wie beim Antrag auf Kug gleichermaßen die Frage stellen, welcher von mehreren vom Antrag umfaßten Kalendermonaten der Maßstab für den Fristbeginn sein soll. Es würde sich dann eine ähnliche Unsicherheit ergeben, wie sie bereits für den Kug-Antrag oben dargestellt wurde. Auch aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, wie beim Kug-Antrag für den Fristbeginn beim Erstattungsantrag auf denselben, vom Gesetz grundsätzlich einheitlich vorgesehenen (§ 64 Abs 1 Nr 3 AFG) Kurzarbeitszeitraum abzustellen, d.h. auf das Ende des Kalendermonats, in dem dieser Kurzarbeitszeitraum endet. Nach allem hat das SG die Beklagte zu Recht zur Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen auch für Dezember 1973 verurteilt. Der Umfang der Erstattungspflicht kommt allerdings im Tenor des SG-Urteils nur unvollständig und deshalb unrichtig zum Ausdruck, wenn es dort heißt, daß die Beklagte die Hälfte der von der Klägerin für Dezember 1973 entrichteten Beiträge für Empfänger von Kug gemäß der eingereichten Abrechnungslisten zu erstatten habe. Aus dem Ausspruch, daß die Beklagte verurteilt wird, "die Hälfte der entrichteten Beiträge" an die Klägerin zu zahlen, könnte geschlossen werden, daß das SG eine Entscheidung nur in Bezug auf die Erstattung der von der Klägerin gezahlten Krankenversicherungsbeiträge getroffen hat (§ 163 Abs 2 Satz 2 AFG), nicht aber über die Erstattung der gezahlten Rentenversicherungsbeiträge, die die Beklagte in Höhe von 75 v.H. erstatten muß (§ 166 Abs 3 Satz 3 AFG). Sowohl durch die Bezugnahme auf die eingereichte Abrechnungsliste im Tenor des Urteils, als auch nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe, die zur Auslegung des unklaren Tenors heranzuziehen sind, ist jedoch offenkundig, daß das SG dem Klageanspruch in vollem Umfange - also sowohl hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge, als auch der Rentenversicherungsbeiträge - stattgeben wollte. Das SG sah nämlich den (einheitlichen) Antrag der Klägerin vom 9. April 1974 auf Erstattung der Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge in Form der Abrechnungslisten insgesamt als rechtzeitig gestellt an, so daß die Beklagte verpflichtet ist, "die von der Klägerin geleisteten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung für die Empfänger von Kug entsprechend den eingereichten Abrechnungslisten anteilmäßig zu erstatten" (vgl Seite 9 der Urteilsgründe). Das SG hat sonach den Teil des erhobenen Anspruchs, der die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen betrifft, nicht etwa übergangen mit der Folge, daß er lediglich durch Ergänzung in das Urteil gemäß § 140 SGG aufgenommen werden könnte. Es hat vielmehr über ihn - wie über den übrigen Teil - entschieden, dies lediglich unvollständig zum Ausdruck gebracht. Der einheitliche Entscheidungswille des SG ist nach den Entscheidungsgründen nicht zu bezweifeln und tritt letztlich auch darin zutage, daß es die Klage nicht teilweise abgewiesen hat, wie es sonst erforderlich gewesen wäre, und daß es ferner der Beklagten die volle Erstattung der Verfahrenskosten auferlegt hat. Das Urteil des SG kann demgemäß unter Heranziehung der Entscheidungsgründe und der oben genannten weiteren Umstände nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin von den von ihr für Dezember 1973 entrichteten Beiträgen für Empfänger von Kug zur Krankenversicherung die Hälfte und zur Rentenversicherung 75 vH zu erstatten (vgl BSG in SozR 4600 § 143 f Nr 1 mit weiteren Nachweisen, insbesondere BSGE 4, 121, 123; 6, 97, 98). Hiervon gehen offenbar auch die Beteiligten aus; zu dem entsprechenden Hinweis des Senats haben sie jedenfalls eine abweichende Äußerung nicht abgegeben.

Demgemäß war der Entscheidungsausspruch des SG in entsprechender Anwendung des § 138 SGG zu berichtigen. Die Beseitigung offenbarer Unrichtigkeiten eines angefochtenen Urteils kann auch durch das Rechtsmittelgericht erfolgen (BSGE 11, 146, 148; BVerwGE 30, 146; BFHE 95, 97; BAG in NJW 1964, 1874; BGH in NJW 1964, 1858; Wiesemann, Die Berichtigung gerichtlicher Entscheidungen im Zivil-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsprozeß, Jur. Dissertation für die Universität Mainz, 1974, S 246 ff, 249 ff), also auch durch das Revisionsgericht, sofern neue tatsächliche Feststellungen hierfür nicht erforderlich sind. Der § 138 SGG sieht zwar eine Entscheidung durch Beschluß des Vorsitzenden vor. Das gilt unmittelbar jedoch nur für den Fall der Berichtigung eines Urteils desjenigen Spruchkörpers, dem der Vorsitzende angehört. Die in dieser Regelung enthaltene Verfahrenserleichterung besteht darin, daß der Spruchkörper allein wegen der Berichtigung nicht mehr zusammentreten soll. Hierfür besteht bei der Berichtigung durch das Rechtsmittelgericht kein Bedürfnis; es wäre im Gegenteil eine Verfahrenserschwernis, wenn neben der Entscheidung in der Sache bezüglich des angefochtenen Urteils ein gesondertes Berichtigungsverfahren für erforderlich gehalten würde. Die für die Berufungs- und Revisionsinstanz vorgeschriebene entsprechende Anwendung des § 138 SGG (§§ 165, 153 Abs 1 SGG) rechtfertigt es deshalb in den Fällen, in denen es um die Berichtigung eines angefochtenen (vorinstanzlichen) Urteils geht, die Berichtigung im Rahmen der Entscheidung über das Rechtsmittel vorzunehmen (vgl BSG vom 20. Oktober 1977 - 11 RLw 2/77 -, ferner BFH, BGH, BAG aaO; Wiesemann aaO S 249 ff; zum Entscheidungsrecht des Senats anstelle des Vorsitzenden gemäß § 199 Abs 2 SGG vgl auch BSG in SozR Nr 3 zu § 199 SGG).

Die Revision der Beklagten ist infolgedessen mit der Maßgabe der vom Senat ausgesprochenen Berichtigung des SG-Urteils zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 34

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