Leitsatz (amtlich)

Der "in § 4 Abs 1 bestimmte Betrag des Altersgeldes" (GAL § 44 Abs 3) ist der Betrag, der sich aus einer Anwendung von GAL § 4 Abs 1 einschließlich seines Satzes 3 ergibt.

 

Normenkette

GAL § 4 Abs. 1 Fassung: 1969-07-29, Abs. 1a Fassung: 1973-12-19, § 44 Abs. 1 Fassung: 1969-07-29, Abs. 3 Fassung: 1969-07-29, § 4 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1973-12-19

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 19.11.1976; Aktenzeichen L 8 Lw 72/76)

SG Detmold (Entscheidung vom 27.02.1976; Aktenzeichen S 8 Lw 31/75)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1976 wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27. Februar 1976 wird jedoch hinsichtlich der Zeit ab 1. Januar 1976 neu gefaßt. Insoweit wird festgestellt, daß die Beklagte auch in den Jahren nach 1975 bei Kürzungen der Landabgaberente gemäß § 44 Abs. 3 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte als Ausgangsbetrag der Differenzberechnung den Betrag des Altersgeldes zugrunde legen muß, der sich aus § 4 Abs. 1 des Gesetzes einschließlich seines Satzes 3 ergibt.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Der (verheiratete) Kläger hat für mehr als 180 Monate Beiträge zur beklagten Alterskasse entrichtet. Er bezieht ab Januar 1975 eine Landabgaberente nach § 41 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Diese ist, da er gleichzeitig Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (in Höhe von monatlich 285,50 DM) erhält, nach § 44 Abs. 3 GAL idF vom 29. Juli 1969 (GAL 1969) um ein Drittel der Differenz zwischen der Landabgaberente nach § 44 Abs. 1 GAL - im Falle des Klägers monatlich 468,60 DM - und "dem in § 4 Abs. 1 bestimmten Betrag des Altersgeldes" zu kürzen.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der letztgenannte Betrag (der "Ausgangsbetrag" der Differenzberechnung) gleichbedeutend ist mit dem "Grundbetrag" des Altersgeldes, der in § 4 Abs. 1 Satz 1 festgelegt ist - 1975 für Verheiratete: 293,60 DM - oder ob er den Erhöhungsbetrag umfaßt, der nach § 4 Abs. 1 Satz 3 idF vom 19. Dezember 1973 (GAL 1974) bei 180 Monate übersteigender Beitragsentrichtung zusätzlich zu gewähren ist - im Falle des Klägers: 17,62 DM. Die Beklagte vertritt die erste Meinung; sie hat demnach für 1975 die Landabgaberente um 58,30 DM gekürzt und im Bescheid vom 22. August 1975 auf 410,30 DM monatlich festgesetzt.

Der Kläger vertritt die zweite Meinung; danach wäre nur um 52,46 DM zu kürzen und stünde ihm für 1975 Landabgaberente in Höhe von 416,14 DM zu. Nach seinem erfolglosem Widerspruch hat das Sozialgericht (SG) der Klage stattgegeben und die Beklagte zugleich verurteilt, die Landabgaberente "für die folgenden Jahre unter Beachtung der entsprechenden Rentenanpassungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AlwG auszuzahlen".

Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, daß § 44 Abs. 3 GAL im Gegensatz zu Abs. 1 aaO auf den gesamten § 4 Abs. 1 GAL verweise. Das bedeute, daß beim Ausgangsbetrag der Differenzberechnung auch die Erhöhung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL zu berücksichtigen sei. Hätte der Gesetzgeber anderes gewollt, so hätte es nahegelegen, das gelegentlich der Neufassung des GAL vom 19. Dezember 1973 durch eine Änderung von § 44 Abs. 3 zum Ausdruck zu bringen.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt; sie beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen und die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Ansicht kann unter dem in § 4 Abs. 1 GAL "bestimmten" Betrag nur ein Betrag verstanden werden, dessen Höhe sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, nicht aber ein solcher, der erst auf Grund individueller Daten zu errechnen und damit lediglich "bestimmbar" sei. Der Ausgangsbetrag der Differenzberechnung müsse niedriger als die (ungekürzte) Landabgaberente sein; folge man den Vorinstanzen, würde er jedoch - im Widerspruch zur Konzeption des Gesetzgebers - im Laufe der Zeit den Betrag der (ungekürzten) Landabgaberente übersteigen. Zudem sei die Landabgaberente eine Ausnahmeleistung, die zwar an der Dynamisierung, nicht aber an der Staffelung des Altersgeldes teilnehme; bei der Auslegung des LSG nehme sie aber auch an der Staffelung teil. Die Vorschriften über die Landabgaberente seien ferner deshalb eng auszulegen, weil der Gesetzgeber wegen einiger negativer Folgewirkungen dieser Leistung offenbar zu ihrer Beschränkung und Begrenzung tendiere.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet; das Urteil des SG bedarf jedoch einer Berichtigung für die Zeit nach 1975.

Das LSG hat die Zulässigkeit der Berufung im Ergebnis zu Recht bejaht. Die Berufung war nicht nach § 145 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm den §§ 30, 46 GAL ausgeschlossen, weil die Berufung der Beklagten nicht nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betraf; sie richtete sich gegen das Urteil des SG insgesamt, in dem auch über die Höhe der Landabgaberente in den Jahren nach 1975 entschieden worden war.

In der Sache hat das LSG zutreffend angenommen, daß § 44 Abs. 3 GAL in den Ausgangsbetrag der Differenzberechnung den sich aus einer Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL ergebenden Erhöhungsbetrag einschließt. § 44 Abs. 3 GAL bezeichnet den Ausgangsbetrag als den "in § 4 Abs. 1 bestimmten Betrag des Altersgeldes". Dieser Wortlaut weicht deutlich ab von dem in § 44 Abs. 1 Satz 1 GAL 1974, wonach die Landabgaberente (für den verheirateten Berechtigten) 175,- DM mehr als das "Altersgeld nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2" beträgt; er entspricht andererseits dem Text in § 4 Abs. 1 a GAL 1974, wo ebenfalls von dem "nach Absatz 1 festzustellenden Betrag" des Altersgeldes die Rede ist. Schon diese Gegenüberstellung von Gesetzestexten spricht dagegen, die Verweisung in § 44 Abs. 3 GAL auf § 4 Abs. 1 Satz 1 zu beschränken. Eine solche Einschränkung rechtfertigen auch die Einwände der Beklagten nicht; sie sind jedenfalls nicht gewichtig genug, um hier vom Gesetzeswortlaut abzuweichen.

Unter dem "in § 4 Abs. 1 GAL bestimmten" Betrag des Altersgeldes ist nach dem natürlichen Sprachgebrauch der Betrag zu verstehen, der sich aus einer Anwendung des gesamten § 4 Abs. 1 GAL, also unter Einschluß vom § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL, ergibt. Es ist zwar richtig, daß der Erhöhungsbetrag dort nicht unmittelbar genannt ist, sondern errechnet werden muß. Dabei ist der Alterskasse jedoch kein Ermessen eingeräumt; sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL erfüllt, so steht der Erhöhungsbetrag und damit das Altersgeld nach Abs. 1 fest; dessen Betrag ist sonach in § 4 Abs. 1 GAL zugleich "bestimmt"; ein Gegensatz zwischen "bestimmtem" und "bestimmbarem" Betrag kann hier nicht gefunden werden. Wenn das Gesetz in § 4 Abs. 1 a Satz 1 GAL demgegenüber von einem nach § 4 Abs. 1 "festzustellenden" Betrag spricht, so erlaubt ein solcher Wechsel im Ausdruck nicht die Annahme, daß im einen Fall nur auf einen Teil des Absatzes 1, im anderen Falle auf den gesamten Absatz 1 Bezug genommen werde. Im übrigen übersieht die Beklagte, daß selbst nach ihrer Ansicht der maßgebende Ausgangsbetrag noch insofern von der Alterskasse "bestimmt" werden müßte, als festzustellen ist, ob von den beiden in § 4 Abs. 1 Satz 1 GAL genannten Altersgeldbeträgen der für Verheiratete oder der für Unverheiratete maßgebend ist.

Auch der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des Gesetzes lassen sich keine überzeugende Argumente für eine abweichende Auslegung entnehmen.

Die Fassung des § 44 Abs. 3 GAL beruht auf dem 4. ÄndG vom 26. Juli 1969 (BGBl I S. 1017). Er bezog sich zunächst unzweifelhaft auf den gesamten damals nur aus einem Satz bestehenden § 4 Abs. 1 GAL. Demgegenüber sind die §§ 4 Abs. 1, 44 Abs. 1 GAL in der Folge mehrfach geändert worden; so wurde insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL durch das 7. ÄndG vom 19. Dezember 1973 (BGBl I 1937) eingefügt und damals zugleich der schon erwähnte Abs. 1 a angeschlossen. Wenn weder bei dieser noch bei einer anderen Gelegenheit § 44 Abs. 3 GAL geändert worden ist, der Gesetzgeber jedoch an anderer Stelle unterschiedliche Verweisungen - auf Abs. 1 oder nur auf seine Sätze 1 und 2 - begründet hat, so deutet das darauf hin, daß eine Änderung in § 44 Abs. 3 nicht beabsichtigt war. Jedenfalls ist danach weder der Schluß gerechtfertigt, daß eine Änderung des Textes in § 44 Abs. 3 versehentlich unterblieben ist, noch der, daß dem unverändert gebliebenen Wortlaut nun ein Sinn gegeben werden sollte, der ihm bis dahin nicht zukam.

Was den Gesetzeszweck betrifft, so soll die Landabgaberente einen Anreiz für eine der Strukturverbesserung dienende Abgabe landwirtschaftlicher Unternehmen schaffen (vgl. § 41 Abs. 1 Buchst. b GAL); demgemäß ist sie erheblich höher als das Altersgeld (§ 44 Abs. 1 GAL). Der Anreiz zur strukturverbessernden Abgabe soll selbst dann erhalten bleiben, wenn die Landabgaberente nach § 44 Abs. 3 GAL wegen Bezugs anderer Leistungen zu kürzen ist; dann wird immerhin noch ein Zahlbetrag gewährleistet, der dem Betrag der ungekürzten Landabgaberente näher steht als das normale Altersgeld. Nun ist zwar richtig, daß sich infolge der in § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL 1974 eingeführten Staffelung des Altersgeldes die Höhe des gestaffelten Altersgeldes im Laufe der Zeit der Höhe der Landabgaberente nähert, sie eines Tages (in einigen Jahren) sogar erreichen und überschreiten kann. Das kann jedoch nicht dazu führen, deswegen den in § 44 Abs. 3 GAL erhalten gebliebenen Anreizgedanken zu vernachlässigen. Die Auffassung der Beklagten wirkt sich gegenwärtig und auch in den nächsten Jahren noch anreizmindernd aus, wenn der Berechtigte zugleich Anspruch auf Altersgeld mit Erhöhungsbetrag nach § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL hat. Der Senat kann nicht erkennen, daß eine solche Auswirkung den vom Gesetzgeber in § 44 Abs. 3 bzw. im GAL 1974 verfolgten Zielen entspricht. Daß eine Berücksichtigung von § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL im Rahmen von § 44 Abs. 3 GAL dazu führt, daß auch die Empfänger der Landabgaberente an der Staffelung des Altersgeldes "teilnehmen", steht dem nicht entgegen. Es handelt sich hier nur um eine engbegrenzte Auswirkung von § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL, die nicht den Betrag der Landabgaberente selbst (§ 44 Abs. 1 GAL), sondern allein den Umfang der Kürzung (§ 44 Abs. 3 GAL) beeinflußt. Selbst wenn darin eine gewisse Systemwidrigkeit zu finden sein sollte, rechtfertigt das keine vom Gesetzeswortlaut abweichende und erkennbaren Zielsetzungen des GAL widersprechende Auslegung.

Soweit die Beklagte meint, die Landabgaberente sei eine Ausnahmeleistung und die sich auf sie beziehenden Vorschriften müßten eng ausgelegt werden, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Landabgaberente keine Ausnahmeleistung ist. Ob diese Leistung in Einzelfällen zu negativen Folgewirkungen geführt hat, kann dahinstehen; im Gesetz haben Überlegungen dieser Art jedenfalls keinen für die Anwendung von § 44 Abs. 3 GAL bedeutsamen Niederschlag gefunden.

Das SG hat übersehen, daß das Begehren des Klägers hinsichtlich der Zeit nach 1975 nicht auf eine Leistung gerichtet war, auf die er einen bereits im geltenden Recht begründeten Anspruch hatte, sondern allein auf die Feststellung, wie die Beklagte in Zukunft zu verfahren haben werde; es war daher insoweit als Feststellungsklage zu deuten, deren Zulässigkeit das SG im Ergebnis zutreffend bejaht hat. Im übrigen ist das SG im Urteilsspruch insoweit zwar (weitgehend) dem Antrag des Klägers gefolgt; wahrscheinlich ist dabei jeweils § 4 Abs. 1 Satz 2 GAL mit § 4 Abs. 1 Satz 3 GAL verwechselt worden; jedenfalls hat der Urteilsspruch nicht das vom Kläger in Wahrheit Gewollte (§ 123 SGG) zum Ausdruck gebracht, weil § 4 Abs. 1 Satz 2 zwar für Rentenanpassungen gilt, aber nur besagt, daß sich die Altersgelder jedes Jahr durch Gesetz in der dort bestimmten Weise ändern. Das vom LSG bestätigte Urteil des SG war daher zu berichtigen.

Im übrigen war die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650659

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