Leitsatz (amtlich)

Beamte sind keine Arbeitnehmer iS des 14. DV AVAVG und der Nr 1 Abs 1 und der Nr 2 der ArbAufnRL.

 

Orientierungssatz

Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen und Verordnungen enthalten keine authentische Interpretation der durchzuführenden Rechtsvorschriften; ihnen ist lediglich zu entnehmen, wie das objektive Recht nach Meinung der Verwaltung auszulegen sei. Die Gerichte sind bei abweichender Rechtsauffassung verpflichtet, sich über sie hinwegzusetzen (vergleiche BSG 1958-01-14 11/8 RV 991/55 = BSGE 6, 252, 254f und BSG 1959-04-22 11 RV 1212/58 = BSGE 9, 295, 300 und BSG 1959-12-16 9 RV 340/56 = BSGE 11, 190, 191 und BSG 1961-09-28 7/9 RV 1426/59 = BSGE 15, 137, 140 f). Das der Verwaltung eingeräumte Leistungsermessen erstreckt sich nicht auf die generelle Bestimmung eines begünstigten Personenkreises.

Eine entsprechende Verwaltungsübung der Verwaltung hat weder allgemein noch im vorliegenden Fall verbindliche Kraft. Zwar kann die ständige Anwendung von Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (GG Art 3) eine Selbstbindung zur Folge haben. Die Pflicht der Verwaltung, ihre an den Verwaltungsvorschriften ausgerichtete Übung nicht ohne triftigen Grund zu durchbrechen, gilt aber nur im Ermessensbereich, wo die Verwaltungsvorschriften dem Zweck dienen, die Gleichbehandlung gleichliegender Fälle zu gewährleisten. Über den Gleichbehandlungsgrundsatz kann aber nicht Unrecht zu Recht werden. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die das objektive Recht unrichtig auslegen, könnten daher allenfalls Grundlage einer rechtswidrigen Verwaltungsübung sein. Die Verwaltung ist aber weder allgemein noch im Einzelfall berechtigt, geschweige denn verpflichtet, eine rechtswidrige Verwaltungsübung einzuhalten. Der Gleichheitssatz gebietet im Einklang mit dem Vorrang des Gesetzes (GG Art 20 Abs 3) nur die Gleichbehandlung im Recht.

 

Normenkette

AVAVG § 1 Abs. 2 Fassung: 1959-07-12; AFG § 3 Abs. 5 Fassung: 1969-06-25; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 3 Fassung: 1949-05-23; AVAVGDV 14 § 1 Fassung: 1962-01-30

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 11. April 1969 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der verheiratete Kläger kam im Juni 1967 zunächst allein von Westdeutschland nach Berlin (West), um dort am 16. Juni 1967 den Dienst als Regierungsassessor beim Senator für Inneres anzutreten. Sein Dienstherr bewilligte ihm ab 16. Juni 1967 auf unbestimmte Zeit Trennungsentschädigung (Trennungsgeld) nach § 4 Abs. 1 und 3 der Trennungsgeldverordnung (TGV) vom 12. August 1965 (BGBl I 808 = GVBl für Berlin S. 1191), und zwar für die ersten 14 Tage in Höhe von 35,- DM täglich, für die spätere Zeit in Höhe von 12,- DM täglich.

Am 5. Juli 1967 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt (ArbA), ihm Überbrückungsgeld nach der Vierzehnten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin) vom 30. Januar 1962 - 14. DVO zum AVAVG - (BGBl I 58) und den hierzu ergangenen "Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Lande Berlin" - RL - vom 31. Januar 1962 (BAnz Nr. 26 vom 7.2.1962) der Bundesregierung zu gewähren. Das ArbA lehnte mit Bescheid vom 19. Juli 1967 den Antrag unter Berufung auf die vom Präsidenten der Bundesanstalt erlassenen Durchführungsanweisungen (DA) ab; nach Nr. 2.10 DA seien Leistungen insoweit zu versagen, als andere Personen oder Stellen gleichartige Leistungen gewährten oder zu übernehmen verpflichtet seien. Gleichartig seien Leistungen, die etwa für den gleichen Zeitraum und annähernd in gleicher Höhe für den gleichen Zweck gewährt würden. Die Trennungsentschädigung, auf die der Kläger ab 16. Juni 1967 Anspruch habe, sei eine dem Überbrückungsgeld gleichartige Leistung. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Trennungsentschädigung diene nach § 15 Abs. 1 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG) vom 8. April 1964 (BGBl I 253 = GVBl für Berlin S. 461) anderen Zwecken als das Überbrückungsgeld. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 6. September 1967).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Aufhebung der Bescheide gerichtete Klage mit Urteil vom 5. November 1968 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Da auf die Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin kein Rechtsanspruch bestehe, könne der angefochtene Bescheid nur auf Ermessensfehler überprüft werden. Nr. 2.10 DA enthalte eine im Interesse der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle vorgenommene sachgerechte Regelung für die Ausübung des Ermessens. Wenn auch zwischen den beiden Leistungen eine Reihe von Unterschieden bestünden, so stimmten doch die in § 15 Abs. 1 BUKG genannten Zwecke der Trennungsentschädigung mit dem Zweck des Überbrückungsgeldes weitgehend überein.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 11. April 1969 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Wie sich aus der 14. DVO zum AVAVG und den Richtlinien hierzu ergebe, solle dem Antragsteller nur ein Ausgleich für die mit der Arbeitsaufnahme in Berlin verbundenen Mehraufwendungen zukommen. Dagegen solle er keine zusätzliche Leistung, insbesondere keine Belohnung für die Arbeitsaufnahme erhalten. Die Durchführungsanweisungen blieben deshalb im gesetzlichen Rahmen, wenn sie unter Nr. 2.10 eine Bestimmung aufgenommen hätten, die Doppelleistungen verhindern solle. Nr. 2.10 DA sei hier anwendbar, weil die dem Kläger gewährte Trennungsentschädigung eine dem Überbrückungsgeld gleichartige Leistung sei. Der Zweck beider Leistungen sei annähernd gleich; der Antragsteller solle jeweils die mit dem Ortswechsel verbundenen Mehraufwendungen bzw. Mehrauslagen erstattet bekommen. Bestehende Unterschiede seien nicht so erheblich, daß sie die Annahme verschiedener Zweckbestimmung rechtfertigten. Allerdings werde die Trennungsentschädigung nur Beamten gewährt, die schon einen Haushalt führten. Sie erhielten die Entschädigung bei Versetzung an jeden anderen Ort in der Bundesrepublik oder nach Berlin. Demgegenüber werde das Überbrückungsgeld jedem Arbeitnehmer, auch wenn er keinen eigenen Haushalt habe, gezahlt, sofern er eine Arbeit in Berlin aufnehme. Trotzdem blieben die Aufwendungen die gleichen; demgemäß sei auch der Zweck des Aufwendungsersatzes jeweils der gleiche. Entsprechendes gelte für Leistungshöhe und Leistungsdauer. Beide Leistungen seien sich insoweit ähnlich, als sie erhebliche Beiträge zum Einkommen und einen ausreichenden Ersatz für die Mehraufwendungen darstellten. Auch die Leistungsdauer sei mindestens annähernd gleich.

Der Kläger hat die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt und folgendermaßen begründet: Entgegen dem Wortlaut von Nr. 1 Abs. 2 RL bestehe auf die in den Richtlinien vorgesehenen Leistungen ein Rechtsanspruch. Die Fassung der Richtlinien selbst lasse für eine Ermessensbetätigung grundsätzlich keinen Raum. Der Präsident der Bundesanstalt sei nicht ermächtigt, die Leistungsvoraussetzungen einzuschränken. Eine solche Einschränkung enthalte aber Nr. 2.10 DA, auf die sich die angefochtenen Bescheide stützten.

Im übrigen sei das dem Kläger gezahlte Trennungsgeld keine dem Überbrückungsgeld gleichartige Leistung. Insbesondere werde Trennungsgeld einem Beamten unabhängig davon gezahlt, wo er seinen Dienst aufnehme; das Überbrückungsgeld werde dagegen im Interesse speziell der Berliner Wirtschaft gezahlt. Entgegen der Auffassung des LSG, es handele sich nicht um eine zusätzliche Leistung, sei in den Vorberatungen der 14. DVO zum AVAVG von "Handgeld" die Rede gewesen. Das Überbrückungsgeld werde auch nicht generell für den gleichen Zeitraum und auch nicht annähernd in gleicher Höhe gezahlt wie das Trennungsgeld.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile der Vorinstanzen sowie den angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und trägt ergänzend vor: Sowohl die 14. DVO zum AVAVG als auch die Richtlinien sprächen von der Aufnahme einer Beschäftigung als "Arbeitnehmer"; Beamte seien aber nach herrschender Meinung keine Arbeitnehmer. Erst die Durchführungsanweisungen öffneten die Förderung auch für Beamte (Nr. 2.07 DA), setzten allerdings eine Grenze bei gleichartigen Leistungen des Dienstherrn (Nr. 2.10 Satz 1 und 4 DA), um Doppelzahlungen der öffentlichen Hand zu vermeiden. Wenn der Kläger eine solche Einschränkung nicht für zulässig halte, so stelle er damit die Förderung von Beamten überhaupt in Frage.

Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, die Richtlinien bezögen auch Angehörige des öffentlichen Dienstes in die Förderung ein. Der Ausdruck Arbeitnehmer solle den geförderten Personenkreis nur von den selbständig Tätigen abgrenzen. Die Berliner Wirtschaft benötige zur Erhaltung und Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit auch Arbeitskräfte des öffentlichen Dienstes. Ihre Tätigkeit schaffe entscheidende Voraussetzungen für das reibungslose Funktionieren und die erfolgreiche Entwicklung der Berliner Wirtschaft. Zudem betreffe die Einschränkung der Leistungen nach Nr. 2.10 DA keineswegs nur Angehörige des öffentlichen Dienstes; auch in der freien Wirtschaft sei die Zahlung von Trennungsentschädigung üblich geworden.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 1967 aufzuheben (§§ 54 Abs. 1, 95 SGG). Wie die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend angenommen haben, ist das Aufhebungsbegehren unbegründet; die Beklagte hat den Antrag des Klägers, ihm aus Anlaß der Dienstaufnahme in Berlin Überbrückungsgeld zu gewähren, zu Recht, wenn auch mit fehlerhafter Begründung, abgelehnt.

Nach § 1 Abs. 2 des hier zeitlich noch maßgebenden AVAVG kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates der Bundesanstalt "weitere in Zusammenhang mit Absatz 1 und § 38 stehende Aufgaben" übertragen; die Kosten aus der Übertragung weiterer Aufgaben werden vom Bund erstattet. Nach § 1 der auf Grund dieser Ermächtigung ergangenen 14. DVO zum AVAVG ist die Bundesanstalt beauftragt, an Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet außerhalb des Landes Berlin haben und eine Beschäftigung als Arbeitnehmer im Land Berlin aufnehmen, Leistungen zur Deckung der mit der Arbeitsaufnahme verbundenen Mehraufwendungen nach Richtlinien zu gewähren, welche die Bundesregierung im Benehmen mit dem Senat von Berlin erläßt. Die von der Bundesregierung im Benehmen mit dem Senat von Berlin erlassenen "Richtlinien", die für den vorliegenden Fall in der Fassung der Änderungen vom 30. November 1962, 30. Dezember 1963, 14. Dezember 1964 und 29. November 1965 (DBl A 1967 Nr. 35 S. 475) zeitlich maßgebend sind, sehen neben anderen Einzelleistungen - Fahr- und Flugkosten, Verpflegungs- und Übernachtungskosten, Heimfahrtkosten und Umzugskosten - in Nr. 11 auch einen "Ausgleich für sonstige Mehraufwendungen" (Überbrückungsgeld) vor, um den es in diesem Falle geht. Nach Nr. 1 Abs. 2 RL besteht auf die Leistungen kein Rechtsanspruch. Nach Nr. 1 Abs. 1 RL sollen die Leistungen nach diesen RL die Arbeitsaufnahme von Arbeitnehmern, insbesondere von Facharbeitern, fördern, die von der Berliner Wirtschaft zur Erhaltung oder Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit benötigt werden. Nach Nr. 2 werden die Leistungen an Arbeitnehmer aus dem Bundesgebiet gewährt, die unter Mitwirkung einer Dienststelle der BA eine Beschäftigung in Berlin für die Dauer mindestens eines Jahres aufnehmen. Nach Auffassung des Senats kann der Kläger dem hiernach begünstigten Personenkreis nicht zugerechnet werden. Der von ihm aufgenommene Dienst als Beamter beim Senat von Berlin - Regierungsassessor beim Senator für Inneres - ist in diesem Sinne keine Beschäftigung als Arbeitnehmer.

Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werden unter Arbeitnehmern regelmäßig Arbeiter und Angestellte, nicht aber Beamte verstanden (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 17. Aufl., 1. Bd., S. 663). Speziell im Arbeitsrecht, wo der Begriff des Arbeitnehmers von grundlegender Bedeutung ist, wird zwischen Arbeitnehmern und Beamten unterschieden. Arbeitnehmer sind nach herrschender Auffassung Personen, die auf Grund privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichtet sind (so Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1. Bd., S. 34 ff mit zahlreichen Nachw.). Beamte stehen nicht in einem privaten, vertraglich begründeten Arbeitsverhältnis; sie sind durch Verwaltungsakt in ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis eigener Art berufen (Art. 33 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -, § 2 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes; vgl. Hueck/Nipperdey aaO S. 50 f; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., 1. Bd., S. 101 ff). Insbesondere kommt die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Beamten in der gesetzlichen Terminologie zum Ausdruck. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) sind Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (ebenso § 5 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15. Januar 1972, BGBl I 13; § 2 Satz 1 des Bundesurlaubsgesetzes vom 8. Januar 1963, BGBl I 2). § 5 Abs. 2 ArbGG stellt ergänzend klar, daß Beamte als solche keine Arbeitnehmer sind. Das Personalvertretungsgesetz vom 5. August 1955 (BGBl I 709), das die Personalvertretung der Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst regelt, verwendet den Oberbegriff Bedienstete (§ 3 Abs. 1). Auch das Dritte Vermögensbildungsgesetz idF vom 27. Juni 1970 (BGBl I 930) bezieht die Beamten nicht in seine Legaldefinition der Arbeitnehmer (§ 1 Abs. 2) ein, sondern bestimmt, daß seine Vorschriften für Beamte und einige weitere Personengruppen entsprechend gelten (§ 1 Abs. 4).

Die Reichsversicherungsordnung (RVO) und das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) verwenden bei der Bestimmung des versicherungspflichtigen Personenkreises den Begriff des Arbeitnehmers selbst nicht. Entsprechend ihren sozialen Schutzzwecken rechnen sie insoweit die Beamten systematisch zu den an sich versicherungspflichtigen Arbeitern und Angestellten, stellen sie dann aber im Regelfall versicherungsfrei (§§ 169 ff, 1229 ff RVO; §§ 6 ff AVG). Die 14. DVO zum AVAVG geht indessen vom arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers aus. Sie stützt sich auf § 1 Abs. 2 AVAVG, steht also in Zusammenhang mit Eigenaufgaben der Bundesanstalt nach § 1 Abs. 1 und § 38 AVAVG. Leistungen, die die Arbeitsaufnahme in Berlin fördern sollen, hängen mit dem Aufgabenkreis Arbeitsvermittlung (§§ 35 ff AVAVG), insbesondere mit § 38 AVAVG zusammen, wonach die Bundesanstalt u. a. dahin zu wirken hat, daß ein Mangel an Arbeitskräften vermieden oder behoben wird. Dementsprechend ist der Begriff Arbeitnehmer in der 14. DVO zum AVAVG so auszulegen, wie ihn die Vorschriften des AVAVG über die Arbeitsvermittlung verstehen. Beamte sind keine Arbeitnehmer im Sinne der Arbeitsvermittlung nach dem AVAVG. Die Arbeitsvermittlung wird in § 37 Abs. 1 AVAVG als eine Tätigkeit definiert, die darauf gerichtet ist, arbeitsuchende Arbeitnehmer mit Arbeitgebern zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zusammenzuführen. Die Vermittlung von Beamtenstellen ist - wie der Senat schon entschieden hat - nicht auf die Begründung von Arbeitsverhältnissen gerichtet; das Beamtenverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis, d. h. kein dem Arbeitsrecht angehörendes, privates Beschäftigungsverhältnis (BSG 13, 102, 103 f). Auch bei den Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe geht das AVAVG in § 145 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b davon aus, daß der Dienst im Beamtenverhältnis keine "entlohnte Beschäftigung" ist; er tritt vielmehr nach Abs. 3 dieser Vorschrift i. V. m. § 3 Nr. 2 der 5. DVO zum AVAVG vom 22. Mai 1958 (BGBl I 377) "an die Stelle der fehlenden entlohnten Beschäftigung" (vgl. BSG 31, 156, 157). Daß der Begriff des Arbeitnehmers in der 14. DVO zum AVAVG und den RL nur in dieser arbeitsrechtlichen Bedeutung verstanden werden kann, ergibt sich insbesondere aus der in Nr. 1 Abs. 2 RL normierten Zweckbestimmung, "die Arbeitsaufnahme von Arbeitnehmern, insbesondere von Facharbeitern, (zu) fördern, die von der Berliner Wirtschaft benötigt werden". Wenn auch die Berliner Wirtschaft auf einen funktionierenden Behördenapparat angewiesen ist, so können doch die Beamten der öffentlichen Verwaltung nicht als "von der Berliner Wirtschaft benötigte Arbeitnehmer" in diesem Sinne angesehen werden; das wird durch den Hinweis auf "Facharbeiter" noch bekräftigt. Auch wenn man davon ausgeht, daß der begünstigte Personenkreis in § 1 der 14. DVO abschließend bestimmt und daher eine generelle Einschränkung in den RL, die hinsichtlich der Leistungsbestimmungen verbindlicher Auftragsbestandteil der Verordnung sind und an deren Normenqualität teilhaben (BSG 34, 115, 117), nicht möglich ist, können diese doch insoweit schon deshalb zur Auslegung herangezogen werden, weil die Bundesregierung als Verordnungsgeber auf die von ihr selbst erlassenen RL verwiesen hat. Auch Nr. 2 RL bestätigt, daß Beamte als Empfänger der in den Richtlinien vorgesehenen Leistungen ausscheiden. Danach muß die Arbeit unter Mitwirkung einer Dienststelle der Bundesanstalt aufgenommen sein. Dabei kann es sich nur um eine Mitwirkung im Rahmen der Arbeitsvermittlung handeln; hierunter fallen aber Bemühungen zur Begründung von Beamtenverhältnissen grundsätzlich nicht (BSG 13, 102, 104 oben).

Die hier vertretene Auffassung steht allerdings in Gegensatz zu den DA des Präsidenten der Bundesanstalt. Nr. 1.01 Satz 1 DA spricht von der "Westberliner Wirtschaft (einschließlich der öffentlichen Verwaltung)", und Nr. 2.07 DA läßt eine Förderung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes einschließlich der Beamten ausdrücklich zu. Verwaltungsvorschriften zur Durchführung von Gesetzen und Verordnungen enthalten jedoch keine authentische Interpretation der durchzuführenden Rechtsvorschriften; ihnen ist lediglich zu entnehmen, wie das objektive Recht nach Meinung der Verwaltung auszulegen ist. Die Gerichte sind bei abweichender Rechtsauffassung verpflichtet, sich über sie hinwegzusetzen (BSG 6, 252, 254 f; 9, 295, 300; 11, 190, 191; 15, 137, 140 f). Das der Beklagten eingeräumte Leistungsermessen erstreckt sich nicht auf die generelle Bestimmung des begünstigten Personenkreises.

Auch eine Nr. 1.01 Satz 1 und Nr. 2.07 DA entsprechende Verwaltungsübung der Beklagten, die 14. DVO zum AVAVG und die hierzu ergangenen Richtlinien auf Beamte auszudehnen, hat weder allgemein noch im vorliegenden Fall verbindliche Kraft. Zwar kann die ständige Anwendung von Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) eine Selbstbindung zur Folge haben. Die Pflicht der Verwaltung, ihre an den Verwaltungsvorschriften ausgerichtete Übung nicht ohne triftigen Grund zu durchbrechen, gilt aber nur im Ermessensbereich, wo die Verwaltungsvorschriften dem Zweck dienen, die Gleichbehandlung gleichliegender Fälle zu gewährleisten. Über den Gleichbehandlungsgrundsatz kann nicht Unrecht zu Recht werden. Nr. 1.01 Satz 1 und Nr. 2.07 DA betreffen nicht das Ermessen, sondern den das Ermessen erst eröffnenden Tatbestand; sie haben die Bestimmung des begünstigten Personenkreises, also eine Rechtsfrage, zum Gegenstand. Als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die das objektive Recht (§ 1 der 14. DVO zum AVAVG i. V. m. Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 2 RL) unrichtig auslegen, können sie allenfalls Grundlage einer rechtswidrigen Verwaltungsübung sein. Die beklagte Bundesanstalt ist aber weder allgemein noch im Einzelfall berechtigt, geschweige denn verpflichtet, eine rechtswidrige Verwaltungsübung einzuhalten. Der Gleichheitssatz gebietet in Einklang mit dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nur die Gleichbehandlung im Recht (BVerwG 34, 278, 280 ff; vgl. ferner BSG 7, 75, 78).

Die Beklagte ist somit zum richtigen Ergebnis gelangt, als sie den Leistungsantrag des Klägers ablehnte; allerdings durfte sie, eben weil der Kläger kein möglicher Leistungsempfänger ist, die beantragte Leistung nicht aus Ermessensgründen versagen, sondern hätte den Leistungsantrag aus Rechtsgründen zurückweisen müssen. Insoweit leidet der angefochtene Bescheid an einem Rechtsfehler. Jedoch ist der angefochtene Bescheid, der als Leistungsversagung nach Ermessen rechtswidrig ist, als gebundene Ablehnung aufrechtzuerhalten.

Wie das Bundessozialgericht (BSG) ständig entschieden hat, kann die Verwaltung einen zunächst unrichtig begründeten Verwaltungsakt nachträglich auf andere, zutreffende Gründe stützen. Ein solches Nachschieben von Gründen ist zulässig, wenn es weder den Verwaltungsakt in seinem Ausspruch und Wesen verändert, noch den Betroffenen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt (BSG 7, 8, 12; 7, 122, 124; 7, 257, 262; 9, 232, 235; 10, 209, 211; 13, 232, 237; 15, 17, 21; 16, 253, 255; 17, 79, 83; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung S. 232 d). Unter den gleichen Voraussetzungen kann und muß das Gericht, sofern die Verwaltung die zutreffenden Gründe nicht selbst nachschiebt, den Verwaltungsakt von Amts wegen als rechtmäßig werten (BSG 7, 122, 124; 11, 236, 239; 13, 232, 237; 15, 17, 21; 16, 253, 255). Auch für die Revisionsinstanz gilt insoweit keine Besonderheit (BSG 7, 8, 12).

Ob der angefochtene Bescheid (fehlerhaft) auf Ermessensgründe oder (fehlerfrei) auf einen "zwingenden" Ablehnungsgrund gestützt wird, berührt seinen Anspruch nicht; er lautet in beiden Fällen dahin, daß der Leistungsantrag des Klägers abgelehnt wird. Der Bescheid wird auch nicht in seinem Wesen verändert, d. h. nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkung etwas wesentlich anderes, wenn seine fehlerhafte Begründung durch die fehlerfreie ersetzt wird. Hierzu ist nicht einmal der Rückgriff auf andere Rechtsvorschriften erforderlich, als die Beklagte bei Erlaß des Bescheides angewendet hat. Die Beklagte hatte, bevor sie in Ermessenserwägungen eintrat, zu prüfen, ob der Kläger überhaupt ("dem Grunde nach") zum Leistungsempfang berechtigt war (§ 1 der 14. DVO zum AVAVG, Nr. 2 RL). Wird der Bescheid nunmehr bestätigt, weil dies verneint werden muß, so wird der gleiche Prüfungsvorgang nachvollzogen; nur wird er schon im Rechtsbereich mit dem Ergebnis abgeschlossen, das die Beklagte erst im Ermessensbereich gefunden hat. Darin liegt auch keine unzulässige Schlechterstellung des Klägers (vgl. BSG 7, 257, 262). Der Senat ist nicht darauf beschränkt, den angefochtenen Bescheid nur unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, den die Beklagte und die Vorinstanzen für ausschlaggebend gehalten haben. Dadurch wird keinem Ermessen der Beklagten vorgegriffen; die Beklagte kann rechtmäßig keine andere Entscheidung treffen als die, den Leistungsantrag des Klägers abzulehnen.

Der Kläger wird auch nicht unzulässig in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt (Art. 103 GG, § 62 SGG), wenn der Senat den angefochtenen Bescheid erstmals mit der Begründung rechtfertigt, daß der Kläger vom Leistungsempfang schlechthin ausgeschlossen sei. Die Beklagte hat in ihrer Revisionserwiderung die Ansicht vertreten, nicht schon die 14. DVO zum AVAVG und die Richtlinien hierzu, sondern erst die Durchführungsanweisungen rechneten die öffentliche Verwaltung zur Berliner Wirtschaft und öffneten die Förderung auch für Beamte. Der Kläger hatte Gelegenheit, seine entgegengesetzte Auffassung darzutun, also seine Rechtsverteidigung auf den nachgeschobenen Grund einzustellen (vgl. BSG 17, 79, 84 oben). Davon hat er auch durch eine ausführliche Stellungnahme in seinem Schriftsatz vom 10. April 1970 Gebrauch gemacht.

Nach alledem kann die Revision keinen Erfolg haben; das Urteil des LSG, das den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig befunden hat, stellt sich im Ergebnis als richtig dar (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1668881

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge