Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessenshandhabung bei Überbrückungsgeld. Rechtsnormqualität der ArbAufRL. Arbeitnehmer (hier: GmbH-Geschäftsführer iS der ArbAufnRL

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Prüfung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) hinsichtlich der Frage des Vorliegens der für die Leistung von Überbrückungsgeld zu fordernden Voraussetzungen ist eine Ermessensentscheidung im Rahmen eines Ermessensspielraumes, wobei diese ihre Eingrenzung im Leistungszweck - § 1 Abs 1 ArbAufnRL - selbst findet.

 

Orientierungssatz

1. Die Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin (ArbAufnRL) besitzen Rechtsnormqualität, wenngleich auf die in ihnen vorgesehenen Leistungen kein Rechtsanspruch besteht (§ 1 Abs 2 ArbAufnRL), diese vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen der Bundesanstalt für Arbeit zu gewähren sind (vgl BSG 1977-11-22 7 RAr 88/76 = BSGE 45, 142).

2. Der Begriff Arbeitnehmer in den ArbAufnRL ist so auszulegen, wie ihn die Vorschriften des AFG über die Arbeitsvermittlung verstehen.

3. Der Ausschluß von Geschäftsführern schlechthin von den Förderungsleistungen aufgrund der sogenannten Negativliste ist keine geeignete Grundlage für eine Ermessensentscheidung.

 

Normenkette

ArbAufnRL § 1 Abs. 2; AVAVGDV 14 § 1; AFG § 13

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 08.02.1983; Aktenzeichen L 14 Ar 20/82)

SG Berlin (Entscheidung vom 21.01.1982; Aktenzeichen S 66 Ar 413/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Leistungen (Überbrückungsgeld) nach den Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin (RL).

Der Kläger war in F als Steuerberater und Wirtschaftsjurist im Angestelltenverhältnis tätig. Am 4. April 1980 schloß er mit der P-Gesellschaft für Investitionen mbH in Berlin einen Anstellungsvertrag, wonach er zum 1. Juli 1980 als Geschäftsführer der GmbH eingestellt werde. Der Kläger zog im Juli 1980 von F nach Berlin um und nahm seine Tätigkeit auf. Sein Aufgabenbereich umfaßt Recht, Steuern, allgemeine Verwaltung, die Büroorganisation, das Personalwesen und die Betreuung der Kapitalanleger, die Vorbereitung der Bilanzen und Geschäftsberichte, die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen mit Beiratssitzungen sowie Organisation und Überwachung der kanadischen und amerikanischen Betriebsstätten. Er vertritt die Gesellschaft gemeinschaftlich mit einem anderen Geschäftsführer und ist verpflichtet, die Weisungen der Gesellschafter bei Ausführung seiner Tätigkeit zu beachten. Er bezieht Monatsgehalt. Seine Arbeitszeit ist auf 40 Stunden wöchentlich festgelegt. Es besteht eine Urlaubsregelung und ein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfalle. Der Kläger unterliegt vertraglich Wettbewerbs- und Nebentätigkeitsverboten. Für ihn werden Beiträge zur Angestelltenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit entrichtet. Am Kapital der GmbH ist er nicht beteiligt.

Am 17. Juli 1980 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt IV in Berlin ua die Gewährung von Überbrückungsgeld. Der Sachbearbeiter vermerkte bei der Ausgabe des Antragsformulars, es liege ein "arbeitsmarktliches Interesse" an der Aufnahme der Tätigkeit des Klägers vor.

Durch Bescheid vom 12. Dezember 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 1981 lehnte die Beklagte die Anträge mit der Begründung ab, der Kläger könne nicht gefördert werden, weil er als Geschäftsführer einer GmbH nicht Arbeitnehmer im Sinne der RL sei; vielmehr sei seine Tätigkeit durch die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen gekennzeichnet.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 1982 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger zum Antrag auf Gewährung von Überbrückungsgeld einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Zur Begründung seines Urteils vom 8. Februar 1983 hat es ua ausgeführt:

Im Streit um eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der Beklagten gehe es darum, ob der Kläger im Sinne von § 1 der Vierzehnten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (14. DVO/AVAVG) und § 1 der RL zu den "Arbeitnehmern" (aus dem Bundesgebiet) gehöre, die von der Berliner Wirtschaft zur Erhaltung oder Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit benötigt werden. Die Beklagte habe diese tatbestandliche Voraussetzung zu Unrecht verneint.

In § 1 der RL, die an der Rechtsnormqualität der 14. DVO/AVAVG teilnähmen (BSGE 34, 115, 117), werde der Arbeitnehmerbegriff in einer bestimmten Bedeutung vorausgesetzt, die die Beklagte weder erweitern noch einengen könne. Die Bestimmung betreffe die beitragspflichtigen (versicherungspflichtigen) Arbeiter und Angestellten, wie sie von den Vorschriften des AVAVG über die Arbeitsvermittlung verstanden worden seien. Das habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits im Urteil vom 13. Dezember 1972 entschieden (SozR Nr 2 zu § 14 DVO/AVAVG). Mit dem "arbeitsrechtlichen" Begriff des Arbeitnehmers habe das BSG in jener Entscheidung die Abgrenzung zu den Beamten vorgenommen, die im Sinne des Vermittlungsauftrags der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nicht in einem privaten Beschäftigungsverhältnis stehen. Indessen gehörten leitende Angestellte, wie der Kläger einer sei, sehr wohl dazu. Er stehe in einem abhängigen Dienstverhältnis, was auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen werde. Er unterliege dem Direktionsrecht der GmbH als seiner Arbeitgeberin. Er sei in ihren Betrieb eingegliedert, unterliege einer festen Arbeitszeitgestaltung, Konkurrenz- und Nebentätigkeitsverboten und erfülle im übrigen mit seiner Stellung alle weiteren ausschlaggebenden Merkmale, die ein abhängiges Arbeitsverhältnis (Beschäftigungsverhältnis) kennzeichnen. Er zähle zu denjenigen Führungskräften, auf die sich das sogenannte Vermittlungsmonopol der BA - verfassungsmäßig - erstreckt (BVerfGE 21, 245, 258 ff).

Die Beklagte habe in ihren Durchführungsanweisungen zu § 1 der RL (DA 1.02 Abs 2b - Dienstblatt - Runderlaß - DBl-RdErl - der BA 10/79 vom 27. Dezember 1978) solche leitenden Angestellten mit der wörtlichen Übernahme der Formulierung aus § 5 Abs 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) ganz allgemein aus dem Kreis der Arbeitnehmer im Sinne der RL ausgeschlossen und mit der Anwendung dieser - nicht bindenden - Anweisung auf den Kläger einen grundlegenden Tatbestand für die Gewährung der hier strittigen Leistung verkannt. Auch der von der Beklagten im Rechtsstreit nachgeschobene Hinweis auf ihre sogenannte Negativliste vermöge die Ablehnung nicht zu begründen, denn erkennbar habe die Beklagte hier lediglich aus ihrem Klammerzusatz zur erwähnten Definition entsprechend § 5 Abs 1 Satz 3 ArbGG die Bezeichnung "Geschäftsführer" in die Negativliste übernommen. Eine Unterscheidung nach Wirtschafts- oder Berufsbereichen, geschweige denn im Hinblick auf den Bedarf von Arbeitnehmern, fehle. "Geschäftsführer" sei aber in dem Sinne, dem die Negativliste - als Niederschlag einer nach dem Richtlinienzweck der Beklagten aufgegebenen Auslesefunktion - diene, überhaupt kein "Beruf"; denn Geschäftsführer könne es so viele geben, wie es Wirtschaftsbereiche gibt. Tatsächlich habe die Beklagte also im gerichtlichen Verfahren an der Begründung festgehalten, die sie im Ablehnungsbescheid gegeben habe. Wohl aber sei zu Beginn des Verwaltungsverfahrens das "arbeitsmarktpolitische Interesse" bejaht worden. Diese Stellungnahme sei als tatsächliche Beurteilung jedenfalls nicht in der Weise zurückgenommen worden, daß nunmehr mit Bezug auf den hier betroffenen Wirtschafts- und Berufsbereich ersichtlich gemacht worden sei, daß zumindest Zweifel am Richtlinienzweck der "Erhaltung" der Berliner Wirtschaft vorgebracht würden. Damit liege zugleich die "Mitwirkung" einer Dienststelle der BA im Sinne von § 2 Abs 1 Nr 1 der RL vor (DA 2.02 Abs 1 DBl-RdErl aaO). Die weiteren Erwägungen des Sozialgerichts und der Beklagten dahin, daß allgemein die Arbeitsaufnahme eines leitenden Angestellten wie des Klägers nicht im Förderungszweck der RL lägen, weil die Leistungen kaum oder nicht für diese Personengruppe einen Anreiz zur beruflichen Niederlassung in Berlin darstellten, fänden im Tatbestand des § 1 der RL keinen Niederschlag. Mit der beispielhaften Erwähnung von "insbesondere" Facharbeitern werde der maßgebliche Arbeitnehmerbegriff nicht eingeschränkt. Im übrigen seien im allgemeinen leitende Angestellte für die Erhaltung und Stärkung der Berliner Wirtschaft zumindest ebenso nötig wie Angestellte im öffentlichen Dienst.

Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 1 der 14. DVO zum AVAVG vom 30. Januar 1962 iVm § 2 der RL idF vom 14. August 1978. Der Auffassung des LSG, der Kläger sei Arbeitnehmer im Sinne der RL, könne nicht gefolgt werden. Bereits mit Urteil vom 13. Dezember 1972 - 7 RAr 43/69 - (SozR Nr 2 zu § 1 14. DVO/AVAVG) habe das BSG festgestellt, daß die 14. DVO/AVAVG vom arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers ausgeht. Für die Abgrenzung Arbeitnehmer/Beamter habe das BSG ua auf § 5 Abs 1 Satz 1 ArbGG abgestellt. Da es auf den arbeitsrechtlichen und nicht auf den sozialrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ankomme, könne für den vorliegenden Fall ebenfalls auf § 5 Abs 1 ArbGG verwiesen werden. Als Geschäftsführer obliege dem Kläger zwingend die Vertretung der Gesellschaft (§ 35 Abs 2 GmbHG), so daß die Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs 1 Satz 2 ArbGG erfüllt seien. Außerdem sollten nach § 1 Abs 1 der RL die Leistungen die Arbeitsaufnahme von Arbeitnehmern, insbesondere Facharbeitern, fördern, die von der Berliner Wirtschaft zur Erhaltung oder Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit benötigt werden. Bei der Bestimmung dieses Personenkreises sei zu beachten, daß die Verfasser der RL als Beispiel den Facharbeiter genannt hätten. An diesem Beispiel müßten auch die anderen Antragsteller gemessen werden. Der Wert ihres Arbeitseinsatzes müsse dem eines Facharbeiters vergleichbar sein. Eine geschäftsführende Tätigkeit liege jedoch auf einer anderen Ebene.

Darüber hinaus sei die Zielsetzung des Richtliniengebers zu berücksichtigen. Durch die Gewährung der in den RL aufgenommenen Leistungen sollten finanzielle Hemmnisse abgebaut werden, die einer Übersiedlung nach und einer Arbeitsaufnahme in Berlin entgegenstehen könnten. Der Kläger gehöre jedoch nicht zu dem Personenkreis, für den Reisekosten, Umzugskosten, Einrichtungsbeihilfen und dergleichen einen Anreiz zur Arbeitsaufnahme in Berlin darstellten. Außerdem habe an der Arbeitsaufnahme des Klägers seitens der Berliner Wirtschaft kein nach den RL erforderliches Interesse bestanden. Unter Ziffer 751 sei der Geschäftsführer in der sogenannten Negativliste (DBl-RdErl 160/78) aufgeführt, die die von der Beklagten zusammengestellten und von der Berliner Wirtschaft nicht benötigten Berufe enthalte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 8. Februar 1983 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 1982 zurückzuweisen sowie zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Bestimmungen der Vierzehnten Verordnung zur Durchführung des AVAVG (Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin) vom 30. Januar 1962 (BGBl I 58 -14. DVO-) iVm den RL zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin vom 31. Januar 1962 (BAnz Nr 26 vom 7. Februar 1962) idF vom 14. August 1978 (BAnz Nr 153 vom 17. August 1978). Die 14. DVO gilt nämlich bis zu ihrer Aufhebung durch eine Rechtsverordnung nach § 3 Abs 5 des AFG weiter (§ 242 Abs 3 AFG), welche bisher nicht ergangen ist. Die RL beruhen auf § 1 der 14. DVO. Sie besitzen Rechtsnormqualität, wenngleich auf die in ihnen vorgesehenen Leistungen kein Rechtsanspruch besteht (§ 1 Abs 2 RL), diese vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen der Beklagten zu gewähren sind (vgl BSGE 34, 115, 117; 45, 142, 143).

Nach § 1 RL sollen die Leistungen nach den Richtlinien und damit auch das von dem Kläger beantragte Überbrückungsgeld (§ 11 RL) die Arbeitsaufnahme von Arbeitnehmern, insbesondere von Facharbeitern, fördern, die von der Berliner Wirtschaft zur Erhaltung oder Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit benötigt werden. Nach § 2 Abs 1 Nr 1 RL werden die Leistungen an Arbeitnehmer aus dem Bundesgebiet gewährt, die nach Inkrafttreten der RL und unter Mitwirkung der BA eine Beschäftigung im Land Berlin für die Dauer mindestens eines Jahres aufnehmen. Der Kläger hat nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG seine Beschäftigung im Land Berlin unter Mitwirkung der BA aufgenommen. Die Beklagte hat die Gewährung von Überbrückungsgeld deshalb abgelehnt, weil der Kläger kein Arbeitnehmer sei. Zwar handelt es sich bei den Leistungen nach den RL um Ermessensleistungen. Das hindert das Gericht jedoch nicht, die Frage, ob der Kläger Arbeitnehmer im Sinne der RL ist, in vollem Umfange nachzuprüfen. Die Beklagte hat insoweit keine Ermessensentscheidung getroffen, sondern die Voraussetzungen für eine Ermessensausübung verneint. Sie durfte dies jedoch mit der von ihr gegebenen Begründung nicht. Der Kläger ist entgegen ihrer Auffassung Arbeitnehmer im Sinne der RL.

Wie der Senat im Zusammenhang mit der Frage, ob Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL sind, bereits entschieden hat (BSG SozR Nr 2 zu § 1 14. DVO/AVAVG), geht die 14. DVO/AVAVG grundsätzlich vom arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers aus. Leistungen, die die Arbeitsaufnahme in Berlin fördern sollen, hängen mit dem Aufgabenkreis der Arbeitsvermittlung zusammen (früher §§ 35 ff AVAVG, jetzt §§ 13 ff AFG). Dementsprechend ist der Begriff Arbeitnehmer in den RL so auszulegen, wie ihn die Vorschriften des AFG über die Arbeitsvermittlung verstehen. Nach § 13 AFG ist Arbeitsvermittlung im Sinne dieses Gesetzes eine Tätigkeit, die ua darauf gerichtet ist, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zusammenzuführen. Nach der herrschenden Vertragstheorie (BSG SozR 4100 § 117 Nr 2) ist ein Arbeitsverhältnis ein Rechtsverhältnis, das zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber aufgrund eines Arbeitsvertrages entsteht. Der Arbeitsvertrag ist ein privatrechtlicher Anstellungsvertrag, durch den sich der Arbeitnehmer zur Leistung von abhängiger Arbeit im Dienste des Arbeitgebers verpflichtet, (Gagel, AFG, § 13 Anm 2), dh, der Arbeitnehmer begibt sich in eine persönliche Abhängigkeit. Diese ist zugleich das wesentliche Merkmal für die Stellung als Arbeitnehmer. Dem entspricht auf der Seite des Arbeitgebers das Weisungsrecht hinsichtlich Art, Ort, Zeit und Dauer der Dienstleistung (BSG SozR 4100 § 4 Nr 2).

Bei der Feststellung, ob eine solche Abhängigkeit bei dem Geschäftsführer einer GmbH vorliegt, ist zu berücksichtigen, und das übersieht die Beklagte, daß er sowohl eine gesellschaftsrechtliche als auch eine durch seinen Dienstvertrag bestimmte Rechtsstellung hat. Durch die Bestellung zum Geschäftsführer erlangt er eine gesellschaftsrechtliche Organstellung und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 35 Abs 1 GmbH-Gesetz). Er übt das Weisungsrecht des Arbeitgebers und dessen sonstige Funktionen aus (BGHZ 12, 1, 8; BSGE 13, 196, 198). Aus dieser Arbeitgeberfunktion hat der Gesetzgeber verschiedene Konsequenzen gezogen. So gelten zB die Geschäftsführer einer GmbH nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes -BetrVG- (§ 5 Abs 2 Nr 1 BetrVG), sie fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz -KSchG- (§ 14 Abs 1 KSchG) und sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Urlaubsgesetzes (vgl Stahlhacke, Komm zum Bundesurlaubsgesetz, 3. Aufl, § 2 Anm 15). Sie werden auch nicht nach § 5 Abs 1 Satz 3 ArbGG als Arbeitnehmer angesehen und gelten nicht als solche im Sinne der Arbeitszeitordnung. Sie können ehrenamtliche Richter aus Kreisen der Arbeitgeber sein (§ 16 Abs 4 Nr 2 SGG; § 22 Abs 2 Nr 1 ArbGG). Hieraus kann jedoch nicht, wie die Beklagte meint, geschlossen werden, daß der Geschäftsführer einer GmbH auch über diese speziellen Regelungen hinaus insbesondere in arbeitsrechtlicher Hinsicht nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist. Das geht schon daraus hervor, daß eine Reihe der vorstehend aufgeführten Rechtsfolgen auch für leitende Angestellte gilt, die unstreitig zum Kreis der Arbeitnehmer gehören. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer abhängig beschäftigt ist. Diese Frage entscheidet sich letztlich nicht aufgrund seiner Funktion (Organstellung), die er wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung ausübt, sondern nach seinem Anstellungsverhältnis, das aufgrund eines Dienstvertrages zustande gekommen ist (BSGE 13, 196, 198).

Inwieweit hier die Kapitalbeteiligung eines sogenannten Gesellschaftergeschäftsführers eine Rolle spielt, kann dahinstehen. Der Kläger war nicht am Kapital beteiligt. Allerdings kann hieraus nicht der Umkehrschluß gezogen werden, der Geschäftsführer, der nicht am Kapital beteiligt ist, stehe mangels eines entsprechenden bestimmenden Einflusses in einem Arbeitnehmerverhältnis zur GmbH. Es genügt für eine Arbeitnehmerstellung nicht schon, daß der zur Dienstleistung Verpflichtete an Weisungen irgendwelcher Art gebunden ist. Entscheidend für die persönliche Abhängigkeit ist vielmehr, ob der Dienstverpflichtete einem Direktionsrecht des Berechtigten in bezug auf die Art seiner Arbeiten unterworfen ist. Ausschlaggebend ist hierbei, ob der Geschäftsführer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann oder ob er hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Ausführungen einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt (BSGE 13, 196, 201; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7; Urteil des Senats vom 20. März 1984 - 7 RAr 70/82 -).

Hiernach war der Kläger abhängig beschäftigt und damit Arbeitnehmer im Sinne der RL. Er war nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG verpflichtet, die Weisungen der Gesellschafter bei der Ausführung seiner Tätigkeit zu beachten. Er hatte eine feste Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich, unterlag einer festen Arbeitszeitgestaltung und war in den Betrieb der GmbH eingegliedert. Er gehört damit zu den Arbeitnehmern, die die Beklagte als Arbeitsuchende aufgrund ihres Vermittlungsmonopols auch für Führungskräfte der Wirtschaft mit Arbeitgebern zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zusammenführen würde, wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat (s auch BVerfGE 21, 245, 257 ff).

Wenn die Beklagte weiterhin meint, bei der Bestimmung des nach den RL zu fördernden Personenkreises müsse berücksichtigt werden, daß als Beispiel der Facharbeiter genannt sei, und an diesem Beispiel müßten auch die anderen Antragsteller gemessen werden, so läßt sich eine solche Schlußfolgerung aus den RL nicht ziehen. Ihnen kann allenfalls entnommen werden, daß die Beklagte insbesondere ihr Augenmerk auf die Anwerbung von Facharbeitern richten soll. Im übrigen sind, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, Führungskräfte für die Erhaltung und Stärkung der Berliner Wirtschaft ebenso wichtig wie andere Arbeitskräfte.

Dem Ziel der RL, finanzielle Hemmnisse abzubauen, die einer Übersiedlung und Arbeitsaufnahme nach Berlin entgegenstehen könnten, steht eine Förderung des Klägers - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht entgegen. Wenn sich die Leistungen der RL nicht auf Besserverdienende auswirken sollen, hätte es bestimmter entsprechender Regelungen bedurft wie zum Beispiel der Setzung bestimmter Einkommensgrenzen. Diese liegen nicht vor.

Hat hiernach die Beklagte ihr Ermessen, ob dem Kläger Überbrückungsgeld zusteht, zu Unrecht noch nicht ausgeübt, weil sie rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, die Voraussetzungen hierfür seien nicht gegeben, müssen die angefochtenen Bescheide schon aus diesem Grunde aufgehoben werden. Den Gerichten ist es verwehrt, ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Beklagten zu setzen. Bei ihren erneuten Entscheidung wird die Beklagte zu beachten haben, daß der Ausschluß von Geschäftsführern schlechthin von den Förderungsleistungen aufgrund der sogenannten Negativliste keine geeignete Grundlage für eine Ermessensentscheidung ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des LSG verwiesen.

Die Revision der Beklagten muß nach allem zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659654

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