Entscheidungsstichwort (Thema)

freiwillige zusätzliche Versorgung. Arzt. Zusatzrente. Entgeltpunkte

 

Leitsatz (amtlich)

  • Zur Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der Altersrente früher in der DDR zusatzversorgter Versicherter entsprechend der Beitragsbemessungsgrenze heute und in Zukunft.
  • Soweit gemäß § 259b SGB VI bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) nur der auf die Werte der Anl 3 AAÜG begrenzte Verdienst berücksichtigt wird, werden verfassungsmäßige Rechte ehemals zusatzversorgter Versicherter zur Zeit jedenfalls dann noch nicht verletzt, wenn deren neu berechnete Rente innerhalb weniger Jahre den besitzgeschützten Betrag (§ 307b Abs 3 S 2 SGB VI) erreicht.
  • Zusatzrenten aus der freiwilligen zusätzlichen Versorgung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und andere Hochschulkader in Einrichtungen des staatlichen Gesundheits- und Sozialwesens der ehemaligen DDR werden als Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem vom Überführungsprogramm der Anlage II Kap VIII H III Nr 9 EinigVtr erfaßt.
 

Normenkette

EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr. 9; RAV 1 § 6; RAV 2 § 8; RAnglG § 23; SGB VI §§ 259b, 307b; GG Art. 3, 14

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 27.09.1994; Aktenzeichen L 2 An 19/93)

SG Berlin (Urteil vom 26.11.1992; Aktenzeichen S 12 An 159/91)

 

Nachgehend

BVerfG (Urteil vom 28.04.1999; Aktenzeichen 1 BvR 1926/96, 1 BvR 485/97)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. September 1994 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe der Rentenleistungen der Klägerin.

Die 1931 geborene Klägerin war von März 1959 bis Februar 1990 als Ärztin (zuletzt als Abteilungsleiterin) bei dem Krankenhaus B.… beschäftigt. Zunächst war ihr aufgrund der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz (AVI) an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Stadt Berlin vom 17. August 1951 (VOBl≪DDR≫ Teil I Nr 57 S 403) Versicherungsschutz gewährt worden, der ua die Zusage einer monatlichen Rente in Höhe von 60 vH des im letzten Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes, im Höchstfalle 800,-- M der DDR, ab dem 60. Lebensjahr bzw beim Eintritt vorzeitiger Berufsunfähigkeit, umfaßte. Mit Wirkung vom 1. Juli 1988 trat die Klägerin der freiwilligen zusätzlichen Versorgung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und andere Hochschulkader in Einrichtungen des staatlichen Gesundheits- und Sozialwesens (FZVmed) bei. Sie verpflichtete sich, für den 1500,-- M monatlich übersteigenden Teil ihres Einkommens Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der Sozialversicherung (SV) zu zahlen. Dafür wurde ihr Versorgung entsprechend der Anordnung über die FZVmed (AOFZVmed) vom 20. April 1988 als Zusatzrente der SV zugesichert.

Mit Bescheid des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), Verwaltung der SV, vom 8. März 1990 wurden der Klägerin ab 1. März 1990 Gesamtrentenleistungen in Höhe von monatlich 2.198,-- M gewährt. Diese setzten sich zusammen aus einer Invalidenrente aus der SV von 675,-- M (einschließlich Kinderzuschlag von 60,-- M) und einer “FZVmed” von 1.523,-- M. Der Zahlbetrag von 2.198,-- M wurde ab Juli 1990 auf DM umgestellt. Durch eine undatierte “Mitteilung über die Rentenanpassung gemäß der 1. Rentenanpassungsverordnung” (1. RAV vom 1. Dezember 1990, BGBl I, 2867) verfügte der Gemeinsame Träger der SV, daß der bisherige Gesamtbetrag unverändert blieb. Dabei wurde die Invalidenaltersrente im Wege einer Nachholung der Rentenangleichung von 615,-- auf 727,-- DM und durch Rentenanpassung zum 1. Januar 1991 weiter auf 837,-- DM angehoben. Gleichzeitig verringerte sich die Zusatzversorgung um die Erhöhungsbeträge (112,-- und 110,-- DM) von 1.523,-- auf 1.301,-- DM. Auch nach der ebenfalls undatierten Mitteilung des Trägers der Rentenversicherung (RV) – Überleitungsanstalt SV – über die Rentenanpassung nach der 2. RAV vom 19. Juni 1991 (BGBl I, 1300) verblieb es ab 1. Juli 1991 bei dem Gesamtauszahlungsbetrag von 2.198,-- DM. Während sich die Invalidenaltersrente um 126,-- DM auf 963,-- DM erhöhte, wurde die Zusatzversorgung der Klägerin um einen entsprechenden Betrag auf 1.175,-- DM gekürzt.

Mit Bescheid vom 31. Juli 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 1991 begrenzte der Träger der RV – Überleitungsanstalt SV – die Zusatzversorgung der Klägerin ab 1. August 1991 auf 1.047,-- DM, so daß sich ein Gesamtzahlbetrag von 2.010,-- DM ergab. Dagegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Berlin Klage.

In der Folgezeit erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 28. November 1991 einen Bescheid über die Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts. Da die pauschal nach persönlichen Entgeltpunkten (Ost) ermittelte Rente (940,21 DM) niedriger war als der bisherige Zahlbetrag (2.010,-- DM), wurde dieser (erhöht um 6,84 vH = 2.147,48 DM abzüglich 137,44 DM Beitragsanteil zur Krankenversicherung sowie weiterer den Höchstbetrag übersteigender 0,04 DM) weitergewährt. Es folgten Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 1992 und 1. Januar 1993. Inzwischen hatte das SG durch Urteil vom 26. November 1992 unter Klageabweisung im übrigen die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1991 Invalidenaltersrente aus der SV und Zusatzversorgung in Höhe des monatlichen Gesamtbetrages, der im Juli 1990 zu erbringen war, sowie für die Zeit ab 1. Januar 1992 Regelaltersrente aus der gesetzlichen RV in Höhe dieses Zahlbetrages zuzüglich 6,84 vH zu gewähren.

Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Beklagte den Bescheid vom 31. Juli 1991 im Hinblick auf die neue Höchstbetragsgrenze von 2.700,-- DM mit Bescheid vom 17. August 1993 zurückgenommen und dabei verfügt, daß der Klägerin aus der RV und Zusatzversorgung (ohne Kinderzuschlag) über den 1. August 1991 hinaus weiterhin ein besitzgeschützter Betrag von 2.138,-- DM zustehe. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1993 hat die Beklagte die Regelaltersrente der Klägerin mit Wirkung ab 1. Juli 1990 neu festgestellt. Danach blieb es bis Dezember 1991 wegen der niedrigeren Höhe der errechneten Rente (ab 1. Juli 1990: 982,25 DM, ab 1. Januar 1991: 1.130,28 DM, ab 1. Juli 1991: 1.302,-- DM) bei dem bisherigen Zahlbetrag von 2.138,-- DM. Ab 1. Januar 1992 erhöhte sich dieser Betrag um 6,84 vH auf 2.284,24 DM, so daß sich nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung in Höhe von 146,19 DM ein Zahlbetrag von 2.138,05 DM ergab. Wegen einer Verringerung des Krankenversicherungsbeitragsanteils auf 145,05 DM bzw 142,76 DM errechnete sich von Juli 1992 bis Juni 1993 ein monatlicher Zahlbetrag von 2.139,10 DM und ab 1. Juli 1993 ein solcher von 2.141,48 DM. Die aufgrund der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) ermittelte Rentenhöhe lag auch ab 1. Januar 1994 mit 2.193,45 DM noch unter dem besitzgeschützten Betrag (2.284,24 DM).

Durch Urteil vom 27. September 1994 hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen und deren Klage gegen den Bescheid vom 16. Dezember 1993 abgewiesen. Dieses Urteil ist auf folgende Erwägungen gestützt:

Der Klägerin stehe der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Gewährung der ursprünglichen, nicht abgeschmolzenen Versorgung neben der nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) berechneten Regelaltersrente nicht zu. Da sie am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I, 1606, 1677) überführte Rente des Beitrittsgebiets gehabt habe, sei eine neue Rentenberechnung nach den Vorschriften des SGB VI vorzunehmen gewesen (§ 307b Abs 1 SGB VI). Hierbei würden für die Klägerin als Zusatzversorgungsberechtigte nicht nur die Entgelte zur SV bzw zur FZR berücksichtigt, sondern – unabhängig von Beitragsleistungen – die tatsächlichen Arbeitsverdienste, die jedoch durch die Tabellenwerte der Anl 3 zum AAÜG (vgl § 6 Abs 1 AAÜG) auf die in der Versicherung allgemein gültige Beitragsbemessungsgrenze begrenzt seien. Diese Berechnungsweise stelle einen Ausgleich für den bisherigen Zusatzversorgungsanspruch dar. Darüber hinaus bleibe der bisherige Besitzstand in Höhe von 2.198,-- DM (ohne Kinderzuschlag: 2.138,-- DM) gewahrt. Durch die 1. und 2. RAV ergebe sich keine Erhöhung dieses Betrages, da die Leistungen der Klägerin aus der FZVmed gemäß § 6 1. RAV, § 8 2. RAV der Abschmelzung unterlägen. Dies verstoße weder gegen Bestimmungen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag ≪EinigVtr≫) noch gegen das Grundgesetz (GG).

EinigVtr Anl II Kap VIII H III Nr 9 (im folgenden: EinigVtr Nr 9) Buchst b Satz 4 garantiere nur den Zahlbetrag, der dem Versorgungsempfänger im Juli 1990 aus der SV-Rente und der zusätzlichen Versorgung zugestanden habe. Da sich der in Art 14 GG garantierte Schutz des Eigentums nicht rückwirkend auf im Gebiet der ehemaligen DDR erworbene Rechtspositionen erstrecke, sei diese Verfassungsnorm nur dann verletzt, wenn in diesen Zahlbetrag eingegriffen werde. Die Abschmelzung der Zusatzversorgung stelle keinen solchen Eingriff dar. Entscheidend sei, daß der Betrag, welcher der Klägerin insgesamt als Altersversorgung zustehe, nicht reduziert worden sei. Entsprechendes gelte im Hinblick auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Vertrauensschutz (vgl Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG). Die genannten gesetzlichen Regelungen verletzten auch nicht den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Angesichts der vom wirtschaftlichen Ruin der DDR gekennzeichneten Übergangssituation sei dem Bundesgesetzgeber ein besonders weiter Ermessensspielraum bei der Regelung der Schritte zur Herbeiführung bzw Förderung einheitlicher Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zugekommen. Eine aus dem Gleichheitsgrundsatz oder einer anderen Verfassungsnorm resultierende Verpflichtung des Gesetzgebers, bezüglich der Versorgungssysteme der DDR eine andere Systementscheidung zu treffen, bestehe nicht.

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin im wesentlichen geltend: Aus dem EinigVtr, dem GG und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe sich, daß ihre Ansprüche aus der FZVmed nicht abgeschmolzen werden dürften, sondern ebenso wie die Renten aus der SV und der FZR angepaßt werden müßten. Sie seien in der DDR aus einem zivilrechtlichen Versicherungsverhältnis entstanden, so daß gemäß Art 232 § 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) insoweit die §§ 246 bis 265 des Zivilgesetzbuches der ehemaligen DDR anwendbar seien. Als Rechtsnachfolgerin der DDR-Versicherungsträger habe dafür die Beklagte einzustehen. Außerdem seien bindende Verwaltungsakte nach Art 19 EinigVtr geschützt. Die Überführung ihrer Ansprüche in die gesetzliche RV sei insbesondere deshalb anzugreifen, weil ihr früheres Arbeitsentgelt nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werde. Dadurch werde sie gegenüber vergleichbaren Bürgern in den alten Bundesländern, die regelmäßig entweder über eine Beamtenversorgung, eine Zusatzversicherung oder eine sonstige weitere Absicherung verfügten, in ungerechtfertigter Weise benachteiligt. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung bestehe auch gegenüber FZR-Rentnern im Beitrittsgebiet, deren Renten insgesamt angepaßt würden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG vom 27. September 1994 aufzuheben und unter entsprechender Änderung des Urteils des SG vom 26. November 1992 die Beklagte unter gleichzeitiger Abänderung der seit dem 1. Juli 1990 erlassenen Bescheide, nämlich der Mitteilung über die Rentenanpassung zum 1. Juli 1990 und zum 1. Januar 1991, der Mitteilung über die Rentenanpassung zum 1. Juli 1991, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 1991 und des Änderungsbescheides vom 17. August 1993, des Umwertungsbescheides vom 28. November 1991 sowie des Rentenbescheides zur Neufeststellung der Regelaltersrente vom 16. Dezember 1993

a) die Rente aus der SV und die Zusatzrente aus der FZVmed nach weitergeltendem DDR-Recht unter Berücksichtigung der regelmäßigen Anpassungen beider Ansprüche für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis 31. Dezember 1991 zu berechnen sowie

b) den Gesamtzahlbetrag für die Zeit ab 1. Juli 1990 aus der jeweils angepaßten neu berechneten Regelaltersrente (Bescheid vom 16. Dezember 1993) und der ursprünglichen Zusatzrente aus der FZVmed, ebenfalls jeweils angepaßt, zu berechnen,

und ihr den sich dabei ergebenden für den jeweiligen Zeitraum höheren Betrag ihrer Vollversorgung zu zahlen,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1. Juli 1990 die neuberechnete Regelaltersrente aus der Rentenpflichtversicherung zu zahlen und zu dynamisieren sowie zuzüglich dazu ebenfalls ab dem 1. Juli 1990 die Zusatzrente aus der FZVmed wie eine Höherversicherung gemäß der gesetzlichen RV ungekürzt weiterzugewähren und dabei den korrigierten Bescheid vom “16. September 1993” (richtig: 17. August 1993) zu ergänzen bzw einen ergänzenden Bescheid zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

Auf richterliche Anfrage hat sie ua erklärt: Aufgrund der eigenen Beitragsleistung der Klägerin zur SV und FZR hätte sich zum 31. Dezember 1991 ein monatlicher Rentenbetrag von insgesamt 1.236,-- DM ergeben. Eine Umwertung dieser Rente nach § 307a Abs 1 bis 3 SGB VI hätte ab 1. Januar 1992 zu einer Monatsrente von 1.423,95 DM (einschließlich eines Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI in Höhe von 433,16 DM) geführt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig.

Insbesondere enthält der Revisionsantrag keine gemäß § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unzulässige Klageänderung, soweit die Klägerin nunmehr ausdrücklich auch eine Anpassung ihrer Zusatzrente aus der FZVmed beansprucht. Das Revisionsgericht hat nach § 162 SGG nur zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung bestimmter gesetzlicher Vorschriften beruht. Eine Änderung des Klagebegehrens in der Revisionsinstanz darf deshalb nicht zur Folge haben, daß das Revisionsgericht einen Sachverhalt zu würdigen hat, der der Beurteilung durch das Tatsachengericht noch nicht unterlag. Denn in einem solchen Fall würde sich die Rechtskontrolle nicht mehr auf die Entscheidung der Vorinstanz beschränken (vgl zB Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 2200 § 729 Nr 4 S 10 f). Zwar hat die Klägerin in den Vorinstanzen ausdrücklich noch keine Anpassung ihrer Zusatzrente begehrt, sondern sich im wesentlichen nur gegen die Höchstbetragsbegrenzung iS von § 10 AAÜG und die erfolgte Abschmelzung ihrer Zusatzrente gewandt. Die nunmehr erfolgte Erweiterung des Antrages wird jedoch von § 99 Abs 3 Nr 2 SGG erfaßt. Bei der zusätzlich begehrten Anpassung geht es letztlich nur um eine weitere Folge der schon vor dem LSG streitigen rechtlichen Einordnung der Zusatzrente der Klägerin. Da die Klageerweiterung demnach nicht mit der Geltendmachung eines neuen Klagegrundes oder neuer Revisionsgründe verbunden ist, ist sie im Revisionsverfahren zulässig (vgl BSGE 31, 112, 113).

Die Revision ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des LSG hält einer revisionsrichterlichen Überprüfung stand.

Zulässiger Gegenstand des Verfahrens sind auch die Mitteilungen nach der 1. und 2. RAV. Die Klägerin hat sich mit ihrer im Oktober 1991 erhobenen Klage allgemein gegen die Abschmelzung ihrer Zusatzrente und auch gegen den bereits aufgrund der 1. und 2. RAV erfolgten Abzug in Höhe von monatlich 348,-- DM gewandt. Damit hat sie auch die betreffenden Mitteilungen – innerhalb eines Jahres nach deren Zugang – fristgerecht angefochten; denn diese Verwaltungsakte enthalten keine Rechtsmittelbelehrung (vgl § 66 Abs 2 SGG). Allerdings fehlt es insoweit an einem durch Widerspruchsbescheid abgeschlossenen Vorverfahren (vgl § 78 SGG). Im Hinblick auf die besonderen Umstände der Rentenüberführung im Beitrittsgebiet und die damit verbundenen Verwaltungsschwierigkeiten erscheint jedoch die förmliche Erteilung eines Widerspruchsbescheides hier entbehrlich, zumal die Beklagte ihre Rechtsauffassung im Laufe des Gerichtsverfahrens in ihren schriftlichen Stellungnahmen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat (vgl dazu BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 8).

Auch soweit die angefochtenen Bescheide von anderen Trägern erlassen worden sind, ist die Beklagte passiv legitimiert, da sie deren Funktionsnachfolgern geworden ist (vgl EinigVtr Anl I Kap VIII F II Nr 1, Anl I Kap VIII H III Nr 1 Buchst f bb; dazu BSGE 72, 50, 55 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; BSG SozR 3-8560 § 25 Nr 2).

Die Klägerin kann für die Zeit ab Juli 1990 keine höheren Rentenleistungen beanspruchen. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind nicht zu beanstanden.

Durch die Mitteilung nach der 1. RAV wurde die Invalidenaltersrente der Klägerin (im Wege einer Nachholung der Rentenangleichung zum 1. Juli 1990 und einer Rentenanpassung zum 1. Januar 1991) um insgesamt 222,-- DM erhöht, gleichzeitig jedoch die Zusatzversorgung um den gleichen Betrag “abgeschmolzen”. Rechtsgrundlagen für diese Maßnahme sind die §§ 2, 6 1. RAV. Nach § 6 Abs 1 1. RAV werden Renten, die wegen Bezuges einer Zusatzversorgung nach § 23 Abs 1 des Rentenangleichungsgesetzes (RAnglG-DDR) nicht anzugleichen waren, nach den für Arbeitnehmer ohne Zusatzversorgung geltenden Bestimmungen der Rentenverordnung (RentV-DDR) festgesetzt und nach den Bestimmungen des 1. und 2. Abschnitts des RAnglG-DDR angeglichen. Für Bezugszeiten vor dem 1. Januar 1991 wird an die Berechtigten ein sich nach § 6 Abs 1 1. RAV ergebender Erhöhungsbetrag nur insoweit nachgezahlt, als er den Betrag der gleichartigen zusätzlichen Versorgung übersteigt (vgl § 6 Abs 2 1. RAV). § 2 1. RAV sieht vor, daß die Renten aus der RV zum 1. Januar 1991 dadurch angepaßt werden, daß der nach den sonst maßgebenden Vorschriften ermittelte Betrag um 15 vH erhöht wird. Ab diesem Zeitpunkt werden gleichartige zusätzliche Versorgungen nur insoweit gezahlt, als sie die sich nach § 6 Abs 1 1. RAV und die sich nach § 2 1. RAV ergebenden Erhöhungsbeträge übersteigen (vgl § 6 Abs 3 1. RAV).

§ 6 1. RAV ist im vorliegenden Fall anwendbar, da es sich bei den Bezügen der Klägerin aus der FZVmed um eine Zusatzversorgung iS dieser Vorschrift handelt. Die FZVmed war ein besonders ausgestaltetes Zusatzversorgungssystem der ehemaligen DDR, das zwar einen Beitritt zur FZR und eine damit verbundene Beitragszahlung voraussetzte, dessen Leistungen sich jedoch nicht nach den Regelungen der FZR-Verordnung (FZRV), sondern nach den Vorschriften der AOFZVmed richten. Auch § 28 FZRV (vgl dazu BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 2; BSG, Urteil vom 17. Juli 1996 – 5/4 RA 21/94 –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; Senatsurteil vom 14. August 1996 – 13/4 RA 40/93 –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) findet insoweit keine Anwendung, da er nur das Verhältnis zwischen FZR und AVl regelt. Jedenfalls kann eine Zusatzversorgung aus der FZVmed nicht als FZR-Rente angesehen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß über die Bewilligung dieser Leistung der FDGB – Verwaltung der SV – zu entscheiden hatte (vgl §§ 19 f AOFZVmed). Derartige Zuständigkeitsregelungen beeinflussen nicht den Rechtscharakter dieser Leistungen (vgl dazu für § 28 FZRV: BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 2). Deren Einordnung als Zusatzversorgung iS des § 6 1. RAV steht ebenfalls nicht entgegen, daß sie anders als eine AVI nicht gemäß § 52 RentV-DDR zu einer ungünstigeren Berechnung der SV-Rente führte (vgl § 6 AOFZVmed). Es handelt sich dabei um eine Berechnungsmodalität, welche für die rechtliche Qualifizierung der FZVmed-Ansprüche nicht ausschlaggebend ist. Schließlich schadet es auch nicht, daß die zusätzlichen Versorgungen nach § 16 Abs 1 AOFZVmed als “Zusatzrenten der SV” ausgezahlt wurden. Denn diese Regelung betrifft lediglich die Zahlungsweise. Abgesehen davon ist eine “Zusatzrente der SV” begrifflich nicht gleichbedeutend mit einer Zusatzrente aus der FZR.

Entscheidend kommt es darauf an, wie die Versorgungsleistungen aus der FZVmed im Rahmen des bundesrechtlichen Überführungsprogramms einzustufen sind. Dieses ist gekennzeichnet durch die Unterscheidung zwischen der SV und FZR auf der einen und den zahlreichen und vielgestaltigen Zusatzversorgungssystemen auf der anderen Seite. So sind für letztere gemäß EinigVtr Nr 9 Buchst b besondere Anpassungsmaßnahmen vorgesehen, wobei insbesondere ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen waren (vgl BSGE 72, 50, 64 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 2; BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 – 4 RA 16/94 –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Bereits das RAnglG-DDR enthält – in seinem 6. Abschnitt (§§ 22 bis 29) – gesonderte Regelungen für Zusatzversorgungssysteme, wozu auch solche zählen, in deren Rahmen Beiträge zur FZR entrichtet worden sind (vgl § 24 Abs 1 Nr 2 RAnglG-DDR). Darunter fallen mithin ebenfalls die Leistungen aus der FZVmed, zumal sie weder in den §§ 1 und 2 noch in § 9 RAnglG-DDR aufgeführt sind. Darauf nimmt § 6 Abs 1 1. RAV Bezug, indem er an die Regelung des § 23 Abs 1 RAnglG-DDR anknüpft. Von dieser Bestimmung wird die Zusatzversorgung der Klägerin erfaßt; denn sie wurde seit März 1990 gezahlt.

Die Rentenleistungen der Klägerin sind nach Maßgabe der 1. RAV zutreffend berechnet worden. Zunächst hat der gemeinsame Träger der SV bei der Invalidenaltersrente die Rentenangleichung nachgeholt, indem der ursprüngliche Rentenbetrag von 615,-- DM gemäß §§ 1, 2 RAnglG-DDR um 112,-- DM erhöht wurde. Bei 50 Arbeitsjahren und einem Rentenbeginn im Jahre 1990 war dabei ein Prozentsatz von 18,14 maßgebend (vgl die Tabelle in der Anlage zu §§ 2 und 10 RAnglG-DDR). Die Anpassung der Invalidenaltersrente ab 1. Januar 1991 hatte gemäß § 2 1. RAV dadurch zu erfolgen, daß der sich nunmehr auf 727,-- DM belaufende Rentenbetrag um 15 vH (= 110,-- DM) erhöht wurde. Beide Erhöhungsbeträge führten gemäß § 6 Abs 3 1. RAV zu einer entsprechenden Minderung der Zusatzversorgung von 1.523,-- DM auf 1.301,-- DM, so daß der Gesamtzahlbetrag (einschließlich Kinderzuschlag: 2.198,-- DM) gleichblieb.

Entsprechendes gilt für die Mitteilung nach der 2. RAV, welche bei erneuter Erhöhung der Invalidenaltersrente der Klägerin wiederum eine Abschmelzung ihrer Zusatzversorgung brachte. Gemäß § 3 Satz 1, § 4 2. RAV werden die (in § 19 RAnglG-DDR genannten) Renten aus der RV für Bezugszeiten ab 1. Juli 1991 angepaßt, indem der sich für Juli 1991 ergebende anpassungsfähige Betrag um 15 vH erhöht wird. Der Anpassungsbetrag wird auf gleichartige zusätzliche Versorgungen in Höhe des Betrages angerechnet, um den sie zusammen mit den bisherigen Zahlbeträgen der Rente und der gleichartigen zusätzlichen Versorgung den maßgebenden Grenzwert von 1.500,-- DM überschreiten (vgl § 8 2. RAV). Da § 8 2. RAV aus den gleichen Gründen wie § 6 1. RAV auch die FZVmed erfaßt, ist die Gesamtleistung der Klägerin im vorliegenden Fall nach dieser Bestimmung zutreffend berechnet worden. Der sich bei der Invalidenaltersrente ergebende Erhöhungsbetrag von 126,-- DM (15 vH von 837,-- DM) wurde voll auf die Zusatzversorgung der Klägerin angerechnet, weil der Gesamtbetrag (ohne Kinderzuschlag: 2.138,-- DM) den Grenzwert von 1.500,-- DM übersteigt.

Den durch die Mitteilungen nach der 1. und 2. RAV bewirkten Veränderungen in der Zusammensetzung der Gesamtleistung der Klägerin steht Art 19 EinigVtr nicht entgegen. Danach bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVtr unvereinbar sind. Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt. Das bedeutet, daß der Rentenbescheid des FDGB vom 8. März 1990 gerade nicht ungeachtet späterer Rechtsänderungen fortbestehen kann. Vielmehr sind – wie allgemein bei bestandskräftigen Verwaltungsakten – Neufeststellungen gestützt auf ausreichende Rechtsgrundlagen zulässig.

Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, beruhen § 6 1. RAV und § 8 2. RAV auf wirksamen Ermächtigungsgrundlagen (vgl BSGE 76, 136, 140 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 2 Nr 1; BSG SozR 3-8560 § 25 Nr 2). Die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlaß der beiden Rechtsverordnungen ergibt sich zum einen aus EinigVtr Anl II Kap VIII F III Nr 8 Buchst d. Danach ist sie berechtigt, Anpassungen der in § 19 RAnglG-DDR genannten Renten aus der SV, der FZR und der Unfallversicherung mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung vorzunehmen. Zum anderen wird die Bundesregierung durch EinigVtr Nr 9 Buchst f ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zu den Maßgaben nach EinigVtr Nr 9 Buchst a bis e zu bestimmen. Angesichts dieser speziell auf Zusatzversorgungssysteme bezogenen Regelungen des EinigVtr geht der Hinweis der Klägerin auf die durch EinigVtr Anl I Kap III B II eingefügte Vorschrift des Art 232 § 1 EGBGB, welche sich allgemein auf Schuldverhältnisse im Beitrittsgebiet bezieht, fehl (vgl dazu auch BSGE 76, 136, 144 f = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 1). Die genannten Ermächtigungsgrundlagen entsprechen nicht nur den Anforderungen des Art 80 GG hinsichtlich der Bestimmtheit ihres Inhaltes, Zweckes und Ausmaßes, sondern sind auch sonst mit dem GG vereinbar; insbesondere verstößt die in EinigVtr Nr 9 zum Ausdruck kommende “Systementscheidung” für eine Überführung der Ansprüche aus Zusatzversorgungssystemen in die gesetzliche RV nicht gegen Art 3 Abs 1, Art 14 Abs 1 GG (vgl dazu BSGE 76, 136, 140 ff = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 1; BSG SozR 3-8560 § 25 Nr 2). Ebensowenig sind die hier einschlägigen Regelungen der 1. und 2. RAV selbst verfassungswidrig. Auch insoweit kann der erkennende Senat auf die ständige Rechtsprechung des BSG verweisen (vgl BSG aaO).

Durch den Bescheid vom 28. November 1991 idF des Bescheides vom 17. August 1993 sind die bisherigen Rentenleistungen der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1992 in eine einzige Rente aus der gesetzlichen RV umgewertet worden. Nach § 307b Abs 1 SGB VI ist eine neue Rentenberechnung nach den Vorschriften dieses Gesetzbuchs vorzunehmen, wenn am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente des Beitrittsgebiets bestand. Dies trifft hier zu, da die Zusatzversorgung der Klägerin vom AAÜG erfaßt wird. Dieses Gesetz gilt ua für Ansprüche, die aufgrund der Zugehörigkeit zu einem in Anl 1 aufgeführten Zusatzversorgungssystem im Beitrittsgebiet erworben worden sind (vgl § 1 Abs 1 und 2 AAÜG). In Anl 1 Nr 8 AAÜG wird die FZVmed ausdrücklich genannt. Daß die Klägerin als Mitglied der FZVmed Beiträge zur FZR gezahlt hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, wie sich auch aus § 2 Abs 3 AAÜG ergibt. Danach gilt ein Anspruch auf Zusatzrente als in einem Versorgungssystem erworben, wenn er auf Zeiten aus einem Versorgungssystem beruht oder wenn Zeiten aus einem Versorgungssystem rentensteigernd berücksichtigt worden sind. § 4 Abs 1 AAÜG ordnet sowohl für eine zusätzliche Invalidenversorgung (vgl § 9 AOFZVmed) als auch für eine zusätzliche Altersversorgung (vgl. §§ 7, 8 AOFZVmed) eine Überführung in die RV an.

Gemäß § 307b Abs 5 SGB VI durfte die Beklagte zunächst eine pauschale Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) in einem maschinellen Verfahren vornehmen. Daß ihr dabei im vorliegenden Fall ein Fehler unterlaufen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat sie zutreffenderweise die Besitzschutzregelung des § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI angewandt, da die ermittelte Rente (940,21 DM) niedriger war als der um 6,84 vH erhöhte Monatsbetrag der überführten Leistung einschließlich der Rente aus der SV (2.138,-- DM plus 6,84 vH = 2.284,24 DM).

Gegen die pauschale Umwertung von Rentenansprüchen nach § 307b Abs 5 SGB VI bestehen nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSGE 76, 257, 266 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 3; BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 2; BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 – 4 RA 16/94 –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal es sich um eine Übergangsregelung handelt, die einen Bestandsschutz gewährt (vgl auch Urteil des erkennenden Senats vom 8. Februar 1996 – 13/4 RA 8/94 –, Umdruck S 19).

Der Neufeststellungsbescheid der Beklagten vom 16. Dezember 1993 enthält schließlich den letzten Schritt des Überführungsprogrammes, nämlich eine Neuberechnung der Regelaltersrente der Klägerin für die Zeit ab 1. Juli 1990 gemäß § 307b Abs 1 und 2 SGB VI. Auch diese ist als rechtmäßig anzusehen.

Gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Abweichend von der allgemeinen Regelung des § 70 SGB VI werden Entgeltpunkte für Zeiten, die im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, nach besonderen Bestimmungen ermittelt (vgl §§ 254b ff SGB VI). Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem iS des AAÜG wird bei der Ermittlung der Entgeltpunkte gemäß § 259b SGB VI der Verdienst nach dem AAÜG zugrunde gelegt. Maßgebend sind danach grundsätzlich die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte iS von § 256a Abs 2 SGB VI, welche allerdings für die Zeit bis zum 30. Juni 1990 auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG begrenzt sind (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG). Diese Werte orientieren sich wiederum an der Beitragsbemessungsgrenze. Die zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte hat der für die Durchführung des AAÜG zuständige Versorgungsträger (hier gemäß § 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG die Beklagte) dem Rentenversicherungsträger (hier ebenfalls die Beklagte) gemäß § 8 Abs 2 AAÜG mitzuteilen.

Der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Dezember 1993 steht nicht entgegen, daß der Bescheid der Beklagten vom 2. November 1993, welcher der Klägerin gemäß § 8 Abs 3 AAÜG über den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 dieser Vorschrift erteilt worden ist, noch nicht in Bestandskraft erwachsen ist. Denn die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 1996 vor dem erkennenden Senat ausdrücklich bestätigt, daß ihr Neuberechnungsbescheid vom 16. Dezember 1993 nur als vorläufig zu verstehen ist bis zur endgültigen Entscheidung über den Feststellungsbescheid vom 2. November 1993 (vgl dazu BSG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 95/94 –, Umdr S 18 ff).

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid vom 16. Dezember 1993 insbesondere deshalb, weil bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) gemäß § 259b SGB VI nicht ihre vollen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte, sondern nur der Verdienst nach dem AAÜG, also begrenzt auf die Werte der Anl 3 AAÜG, berücksichtigt worden ist. Mit diesem Angriff vermag sie nicht durchzudringen. Dafür, daß ihre Rente nach den insoweit einschlägigen Vorschriften unrichtig ermittelt worden sein könnte, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Nach Auffassung des erkennenden Senats wird die Klägerin durch diese Regelungen gegenwärtig auch noch nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt. Er hält diese Bestimmungen insoweit nicht für verfassungswidrig.

Ähnlich wie bei den RAV und § 307b Abs 5 SGB VI läßt sich auch hier kein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG feststellen. Dies beruht vor allem darauf, daß ein Bestandsschutz gewährleistet ist (vgl § 307b Abs 2 Satz 3, Abs 3 Satz 2 SGB VI). Entsprechendes gilt für den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG). Entscheidender Prüfungsmaßstab ist daher Art 3 Abs 1 GG. Nach dieser Verfassungsnorm sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Damit sind dem Gesetzgeber jedoch nicht jegliche Differenzierungen untersagt. Vielmehr will der Gleichheitsgrundsatz ausschließen, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl zB BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Entsprechendes gilt für die sachwidrige Gleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen (vgl BVerfGE 72, 141, 150). Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der vom Gesetz betroffenen Lebenssachverhalte er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit Art 3 Abs 1 GG hat das zuständige Gericht daher nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl zB BVerfGE 83, 395, 401). Diese ist gerade bei der Bewältigung von weitreichenden und komplexen Umbrüchen in der sozialen Ordnung, wie sie mit der deutschen Einigung verbunden sind, besonders groß (vgl dazu BVerfG, Beschluß vom 12. November 1996 – 1 BvL 4/88 –, allgemein auch BVerfGE 41, 126, 174; 44, 70, 89 = SozR 5420 § 94 Nr 2; BVerfGE 53, 164, 177 = SozR 2200 § 1318 Nr 5; BVerfGE 71, 66, 76 f = SozR 2200 § 1319 Nr 5), zumal dem Gesetzgeber auch eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen einzuräumen ist (vgl BVerfGE 33, 171, 189 f = SozR Nr 12 zu Art 12 GG; BVerfGE 70, 1, 34 = SozR 2200 § 376d Nr 1; BVerfGE 71, 364, 393; 75, 108, 162 = SozR 3-5425 § 1 Nr 1).

Gemessen an diesen Kriterien sind die für die endgültige Rentenberechnung maßgebenden Vorschriften bezogen auf den vorliegenden Fall mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Die Klägerin wird insoweit im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht in einer Weise gleich oder ungleich behandelt, die von Verfassungs wegen nicht mehr zu rechtfertigen wäre.

Bedenklich könnte insbesondere sein, daß die Rente der Klägerin (abgesehen von dem Bestandsschutz nach § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI) genauso hoch ist, wie diejenige von vergleichbaren Versicherten des Beitrittsgebiets, deren Verdienste im Laufe des Arbeitslebens immer genau den Höchstwerten der Anl 3 zum AAÜG entsprochen haben, während die Arbeitsverdienste der Klägerin regelmäßig deutlich darüber lagen. Die Nichtberücksichtigung der überschießenden Beträge führt zu einer Nivellierung auf der Ebene der Tabellenwerte, welche wiederum der Beitragsbemessungsgrenze entsprechen. Da letztere von Anfang an ein wesentliches Element der Konzeption der gesetzlichen RV gewesen ist, stellt sich die dadurch bedingte Begrenzung der Rentenhöhe an sich als systemgerecht dar. Problematisch ist hier jedoch, daß sich die zusatzversorgten Versicherten des Beitrittsgebietes – anders als die Versicherten in den alten Bundesländern – nicht darauf einstellen konnten, daß ihre Lebensarbeitsleistung jetzt nur zum Teil bei der Berechnung der Altersrente berücksichtigt wird. Gleichwohl läßt sich diese Regelung, soweit die Klägerin davon betroffen ist, gegenwärtig noch verfassungsrechtlich halten. Dafür sind folgende Gründe maßgebend:

Zunächst ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin im wesentlichen so behandelt wird wie ein ansonsten vergleichbarer Versicherter, der bis zum 18. Mai 1990 aus der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt ist (vgl dazu die Begründung zum Entwurf des Renten-Überleitungsgesetzes ≪RÜG≫, BT-Drucks 12/405 S 113). Die oberste Leistungsgruppe nach dem insoweit einschlägigen Fremdrentengesetz (FRG) orientiert sich nämlich ebenfalls an der Beitragsbemessungsgrenze. Zwar mag es zwischen beiden Personengruppen durchaus beachtliche Unterschiede geben (vgl dazu LSG Berlin, Breithaupt 1994, 280, 297), es war dem Gesetzgeber jedoch nicht von vornherein verwehrt, sich bei der Überführung des Sozialleistungssystems der ehemaligen DDR den Leistungsrahmen des FRG zum Vorbild zu nehmen, da es sich immerhin um Versicherte mit vergleichbarer Arbeitsbiographie handelt.

Zudem durfte sich der Gesetzgeber angesichts der mit der deutschen Einigung im allgemeinen und der Überführung der Alterssicherungssysteme des Beitrittsgebiets im besonderen verbundenen finanziellen Belastungen zunächst darauf beschränken, eine soziale Absicherung im Rahmen der für die gesetzliche RV allgemein geltenden Grenzen vorzusehen. Dabei war auch zu berücksichtigen, daß eine Überlastung der Steuern und Sozialabgaben zahlenden Generation durch eine übergangslose Aufbürdung zu hoher “Altlasten” vermieden werden mußte (vgl dazu allgemein BVerfGE 41, 126, 175; 71, 66, 76 f = SozR 2200 § 1319 Nr 5). Mit zunehmender Erholung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Beitrittsgebiet wird der Gesetzgeber jedoch im Hinblick auf die dadurch bedingten höheren Steuer- und Beitragseinnahmen gehalten sein, sich mit einer angemessenen Aufstockung der Renten solcher (ehemals zusatzversorgter) Versicherter des Beitrittsgebiets zu befassen, deren Leistungshöhe durch die Beitragsbemessungsgrenze bzw die Höchstbeträge nach Anl 3 zum AAÜG beeinträchtigt ist. Dabei steht es ihm selbstverständlich frei, auf welche Weise (außerhalb oder innerhalb der gesetzlichen RV) er eine solche Leistungsverbesserung vorsieht. Ein derartiges Handlungsgebot ist insbesondere anzunehmen, soweit noch erwerbstätige, aber ansonsten vergleichbare Versicherte mit, der Zeit unter Anrechnung ihrer in der ehemaligen DDR zurückgelegten Arbeitsjahre in Systeme der ergänzenden Alters- und Invaliditätssicherung (zB die Zusatzversorgung für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes) einbezogen werden.

Eine Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften im Falle der Klägerin erscheint auch deshalb als verfassungsrechtlich hinnehmbar, weil die nach dem SGB VI berechnete Rente der Klägerin bereits innerhalb weniger Jahre den besitzgeschützten Betrag (ab 1. Januar 1992: 2.284,24 DM) erreicht hat. Bei 65.7903 Entgeltpunkten (Ost) beträgt ihre Regelaltersrente (Rentenartfaktor 1,0) ab 1. Juli 1994 (durch Anhebung des aktuellen Rentenwertes ≪Ost≫ auf 34,49 DM) 2.269,10 DM und ab 1. Juli 1995 (aktueller Rentenwert ≪Ost≫: 36,33 DM) 2.390,16 DM. Hinfort kommen der Klägerin also die laufenden Rentenanpassungen in vollem Umfange zu Gute, eine Aushöhlung ihres Lebensstandards durch laufende Geldentwertung ist für sie damit beendet.

Schließlich ist nicht ersichtlich, daß sich aus der EMRK für die Klägerin weitergehende Rechte ergeben könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 955640

BSGE, 282

SozSi 1997, 437

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge