Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung des Antrages auf Genehmigung zur Anstellung eines Arztes auch bei Antragstellung vor der erstmaligen Anordnung von Zulassungsbeschränkungen. Verfassungsmäßigkeit. Stattgabe bei qualitätsbezogener Sonderbedarfsfeststellung. notwendige Beiladung. anzustellender Arzt

 

Leitsatz (amtlich)

Anträge von Vertragsärzten auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes waren im Hinblick auf die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung 1993 auch dann abzulehnen, wenn sie zeitlich vor der erstmaligen Anordnung von Zulassungsbeschränkungen gestellt worden waren.

 

Orientierungssatz

1. Das Grundrecht der Berufsfreiheit in ihrer Eigenschaft als niedergelassene Vertragsärzte wird nicht dadurch verletzt, daß ihnen die Beschäftigung eines angestellten Arztes nur insoweit gestattet ist, als in ihrem Planungsbereich noch keine Überversorgung festgestellt ist.

2. Dem Antrag von Vertragsärzten auf Anstellung eines Arztes könnte allerdings dann stattzugeben sein, wenn ein Tatbestand einer "qualitätsbezogenen Sonderbedarfsfeststellung" iS der Nrn 24 ff der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen erfüllt ist.

3. Der anzustellende (Zahn-)Arzt ist im Rechtsstreit über die Erteilung der Genehmigung seiner Beschäftigung nicht nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen, weil ihm gegenüber keine Entscheidung iS dieser Vorschrift ergeht (vgl BSG vom 20.9.1995 - 6 RKa 37/94 = SozR 3-5525 § 32b Nr 1). Im Regelfall ist es jedoch sachgerecht, den anzustellenden (Zahn-)Arzt nach § 75 Abs 1 S 1 SGG (einfach) beizuladen, damit er Gelegenheit erhält, die ihn betreffenden Belange hinsichtlich seiner Eignung und fachlichen Qualifikation in das Verfahren einzubringen. Wenn das Berufungsgericht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, stellt dies jedoch keinen Verfahrensfehler dar.

 

Normenkette

SGB V § 95 Abs. 9; Ärzte-ZV § 32b Abs. 2 S. 3; GSG Art. 33 § 3 Abs. 3; ÄBedarfsplRL Nr. 24 Fassung: 1993-03-09, Nr. 43 Fassung: 1993-03-09; SGB V § 101 S. 1; ÄBedarfsplRL Nr. 24ff Fassung: 1993-03-09; SGB V § 98 Abs. 2 Nr. 13; SGG § 75 Abs. 2, 1 S. 1; SGB V § 103 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 18.09.1995; Aktenzeichen L 5 Ka 15/95)

SG Mainz (Urteil vom 29.03.1995; Aktenzeichen S 1 Ka 141/94)

 

Tatbestand

Die in Bad Neuenahr in Gemeinschaftspraxis tätigen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen klagenden Ärzte für Neurologie und Psychiatrie beantragten im Mai 1993 die Genehmigung zur ganztägigen Beschäftigung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. (Dr. L.) als angestellter Arzt. Dr. L. sollte zunächst für ein Jahr halbtags als "Vorbereitungsassistent" und anschließend ohne zeitliche Begrenzung als angestellter Arzt in ihrer Praxis tätig werden. Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) gab dem Antrag statt, soweit Dr. L. für die Dauer eines Jahres als Vorbereitungsassistent beschäftigt werden sollte, und verwies im übrigen auf die Zuständigkeit des Zulassungsausschusses. Der formelle Antrag der Kläger auf Genehmigung der Beschäftigung des Dr. L. als angestellter Arzt ab dem ersten Quartal des Jahres 1994 ging am 30. Juni 1993 beim Zulassungsausschuß ein. Nachdem der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen am 21. Juni 1993 für den Planungsbereich "Kreis Ahrweiler" im Fachgebiet der Nervenärzte eine Überversorgung festgestellt und Zulassungsbeschränkungen angeordnet hatte, lehnte der Zulassungsausschuß den Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung des Dr. L. als angestellter Arzt in der Praxis der Kläger mit der Begründung ab, für den betreffenden Planungsbereich sei eine Überversorgung festgestellt worden, und Anhaltspunkte dafür, daß die Beschäftigung des Dr. L. unter dem Gesichtspunkt eines qualitätsbezogenen Sonderbedarfs nach Nr 24a bis e der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte gerechtfertigt sei, lägen nicht vor.

Mit ihrem Widerspruch machten die Kläger geltend, sie hätten den Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung des Dr. L. mit Schreiben vom 6. Mai 1993 und demnach vor der Feststellung einer Überversorgung durch den Landesausschuß im Juni 1993 gestellt, so daß die Anstellung unabhängig davon zu genehmigen sei, ob später eine Überversorgung festgestellt worden sei oder nicht. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück. In Übereinstimmung mit den Klägern nahm er an, daß der maßgebliche Antrag mit Schreiben vom 6. Mai 1993 gegenüber der KÄV und daher vor der Feststellung von Überversorgung durch den Landesausschuß gestellt worden sei, doch sei die Genehmigung nach Art 33 § 3 Abs 3 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) zu versagen. Aus dieser Vorschrift ergebe sich, daß der Zulassungsausschuß die Genehmigung zur Beschäftigung von angestellten Ärzten erst erteilen dürfe, wenn der Landesausschuß erstmalig die Feststellung nach § 103 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) getroffen habe. Wenn diese zum Inhalt habe, daß der betroffene Planungsbereich überversorgt sei, dürfe die Genehmigung nicht erteilt werden. Im übrigen hätten seine - des Beklagten - Ermittlungen ergeben, daß die Voraussetzungen für einen Sonderbedarf trotz der von den Klägern geschilderten besonderen Umstände ihrer Praxisführung nicht gegeben seien.

Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verpflichtet, den Klägern die Genehmigung zur Anstellung des Dr. L. zu erteilen. Art 33 § 3 Abs 3 GSG ordne lediglich eine Entscheidungssperre an, die die Zulassungsgremien hindere, Genehmigungen zu erteilen, bevor der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen einer Überversorgung getroffen habe. Der Vorschrift sei aber nicht zu entnehmen, daß dann, wenn vom Landesausschuß Überversorgung festgestellt worden sei, Genehmigungen für die Dauerbeschäftigung von angestellten Ärzten nicht mehr erteilt werden dürften, soweit der Antrag vor der Anordnung einer Zulassungssperre gestellt worden ist. Die Regelung des Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG, wonach Zulassungsanträge wegen Zulassungsbeschränkungen auch dann abzulehnen seien, wenn diese noch nicht vor Antragstellung angeordnet waren, könne auf die Genehmigung zur Beschäftigung angestellter Ärzte nicht entsprechend angewandt werden (Urteil vom 29. März 1995).

Die Berufung des beklagten Berufungsausschusses und der zu 1) beigeladenen KÄV hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Wortlaut und Zweck der unterschiedlichen Übergangsregelungen der Abs 2 und 3 des Art 33 § 3 GSG sei zu entnehmen, daß der Gesetzgeber bewußt zwischen Zulassungsanträgen und Anträgen auf Genehmigung der Anstellung von Ärzten unterschieden habe. Das schließe aus, die Regelung des Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG entsprechend bei Anträgen auf Genehmigung der Dauerbeschäftigung eines angestellten Arztes anzuwenden (Beschluß vom 18. September 1995).

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, Art 33 § 3 Abs 3 GSG sei im Sinne einer Genehmigungssperre und nicht nur einer befristeten Entscheidungssperre auszulegen. Die Norm könne nur so verstanden werden, daß Genehmigungsanträge zunächst zurückgestellt werden müßten, bis der Landesausschuß erstmalig die Frage einer Überversorgung geprüft habe. Wenn Überversorgung festgestellt worden sei, müßten die vorliegenden Anträge auf Genehmigung der Dauerbeschäftigung eines angestellten Arztes abgelehnt werden, weil kein Grund dafür erkennbar sei, trotz nunmehr feststehender Überversorgung solche Beschäftigungen zuzulassen. Dieses Ergebnis sei schon deshalb zwingend, weil die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Privilegierung der Beschäftigung als angestellter Arzt gegenüber der Zulassung als Vertragsarzt führen müsse. Nach Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG sei eindeutig, daß Zulassungsanträge, die nach dem 31. Januar 1993 gestellt worden seien, abgelehnt werden müßten, wenn nach Antragstellung der Landesausschuß für den betroffenen Planungsbereich erstmalig Überversorgung festgestellt habe. Für Anträge auf Genehmigung der Beschäftigung eines angestellten Arztes könne nichts anderes gelten. Soweit diese Arztgruppe dadurch gegenüber zulassungswilligen Ärzten benachteiligt worden sei, daß ihr nicht die Möglichkeit eröffnet worden sei, durch Antragstellung noch im Januar 1993 ohne Rücksicht auf später anzuordnende Zulassungsbeschränkungen den begehrten Status zu erhalten, sei das sachlich gerechtfertigt.

Der Beklagte beantragt,

den Beschluß des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. September 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 29. März 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten den angefochtenen Beschluß für richtig. Die gegenteilige Auffassung, nach der die Vorschrift des Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG zur Lückenfüllung auch im Rahmen des Art 33 § 3 Abs 3 GSG heranzuziehen sei, stehe mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes nicht in Einklang, zumal grundrechtsbeschränkende Regelungen im Streit seien. Es sei Sache des Gesetzgebers, Be- und Einschränkungen klar zu formulieren, und aus der Tatsache, daß die Regelung über die Ablehnung von Zulassungsanträgen nach erstmaliger Feststellung einer Überversorgung (Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG) in bezug auf die Genehmigung der Beschäftigung angestellter Ärzte gerade nicht Bestandteil des GSG geworden sei, müsse geschlossen werden, daß der Gesetzgeber hier bewußt eine andere Bewertung habe vornehmen wollen.

Die zu 1) beigeladene KÄV und die zu 3), 5), 6) und 7) beigeladenen Krankenkassen bzw Krankenkassenverbände schließen sich der Auffassung des Beklagten an. Die Beigeladenen zu 2) und 4) haben sich nicht am Revisionsverfahren beteiligt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Der angefochtene Beschluß ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil das LSG es unterlassen hat, den Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AEV) zum Verfahren beizuladen, obwohl die Verbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen in Zulassungssachen notwendig (§ 75 Abs 2 SGG) beizuladen sind (vgl Senatsurteil vom 19. Juni 1996 - 6 RKa 26/95 -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Senat hat die versäumte Beiladung des AEV mit dessen Zustimmung im Revisionsverfahren auf der Grundlage des § 168 Satz 2 SGG nachgeholt, was in Fällen der notwendigen Beiladung statthaft ist.

Auch in der Unterlassung einer Beiladung des Arztes Dr. L., um dessen Beschäftigung im Verfahren gestritten wird, liegt kein Verfahrensfehler, der zur Aufhebung des Beschlusses des LSG führen könnte. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der anzustellende (Zahn-)Arzt im Rechtsstreit über die Erteilung der Genehmigung seiner Beschäftigung nicht nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen, weil ihm gegenüber keine Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift ergeht (vgl SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 2). Der Senat ist allerdings der Auffassung, daß es im Regelfall sachgerecht ist, den anzustellenden (Zahn-)Arzt nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG (einfach) beizuladen, damit er Gelegenheit erhält, die ihn betreffenden Belange hinsichtlich seiner Eignung und fachlichen Qualifikation in das Verfahren einzubringen. Daß das Berufungsgericht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, stellt indessen keinen Verfahrensfehler dar. Der Senat kann die Beiladung nicht nachholen, weil dies im Revisionsverfahren nur in Fällen einer notwendigen Beiladung zugelassen ist (§ 168 Satz 2 SGG).

In materiell-rechtlicher Hinsicht kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden, soweit es der Auffassung ist, den Klägern sei die begehrte Genehmigung zur Beschäftigung des Dr. L. auf der Grundlage des § 32b Abs 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) zu erteilen, weil vor Antragstellung für den betroffenen Planungsbereich keine Überversorgung festgestellt worden sei. Nach § 32b Abs 2 Satz 3 Ärzte-ZV ist die Genehmigung der Anstellung eines ganztags beschäftigten Arztes zu versagen, wenn für den Planungsbereich bereits vor Antragstellung eine Überversorgung festgestellt war. In Ergänzung dieser durch das GSG vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) geschaffenen Vorschrift bestimmt Art 33 § 3 Abs 3 GSG, daß der Zulassungsausschuß Genehmigungen zur Anstellung eines Arztes nach § 32b Abs 2 Ärzte-ZV erst erteilen darf, wenn der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die Feststellung nach § 103 Abs 1 Satz 1 SGB V getroffen hat. Aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergibt sich, daß Anträge auf Genehmigung der Anstellung von Ärzten im Jahre 1993 solange nicht beschieden werden durften, bis der Landesausschuß erstmalig über das Vorliegen einer Überversorgung iS des § 101 SGB V entschieden hatte. Hat der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen für einen Planungsbereich eine Überversorgung festgestellt und Zulassungsbeschränkungen angeordnet, darf Anträgen auf Genehmigung der Beschäftigung eines angestellten Arztes in diesem Planungsbereich gemäß § 32b Abs 2 Satz 3 Ärzte-ZV nicht entsprochen werden. Dem steht nicht entgegen, daß das GSG eine entsprechende ausdrückliche Regelung nur für Zulassungsanträge getroffen hat, die wegen Zulassungsbeschränkungen auch dann abzulehnen sind, wenn diese noch nicht bei Antragstellung angeordnet waren (Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG). Was die letztgenannte Vorschrift für Zulassungsanträge ausdrücklich anordnet, gilt bei sachgerechter Auslegung des Art 33 § 3 Abs 3 GSG sinngemäß auch für Anträge auf Genehmigung der Beschäftigung eines angestellten Arztes in der Vertragsarztpraxis.

Zum 1. Januar 1993 sind neben den Bestimmungen über die Beschäftigung von Assistenten in vertragsärztlichen Praxen (vgl § 95 Abs 9 und § 98 Abs 2 Nr 13 SGB V iVm § 32b Ärzte-ZV) die Regelungen über die Zulassungsbeschränkungen (§§ 101 ff SGB V) in Kraft getreten. Schon der Entwurf eines GSG der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD vom 5. November 1992 enthielt einige Bestandteile der Übergangsregelung, die später in Art 33 § 3 GSG Gesetz geworden sind (BT-Drucks 12/3608, S 63). Bestimmungen über die Verzahnung von Zulassungsbeschränkungen und der Behandlung von Anträgen auf Genehmigung der Anstellung von Ärzten finden sich erstmals im Entwurf eines GSG idF der Beschlüsse des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages vom Dezember 1992; die dort in Art 31 § 3 Abs 3 enthaltene Fassung (BT-Drucks 12/3930, S 148) ist später als Art 33 § 3 Abs 3 GSG inhaltlich unverändert Gesetz geworden. Der Gesundheitsausschuß hat die Ergänzung der Übergangsvorschrift des Art 31 § 3 um einen Abs 3, in dem die Behandlung von Anträgen auf Genehmigung der Anstellung von Ärzten geregelt wird, damit begründet, durch diese Regelung werde vermieden, daß in dem Zeitraum vor einer Feststellung des Landesausschusses nach § 103 Abs 1 Satz 1 in überversorgten Gebieten noch Ärzte angestellt werden (BT-Drucks 12/3937, S 22). Der Gesetzgeber wollte also sicherstellen, daß der Ausschluß der Beschäftigung angestellter Ärzte in überversorgten Gebieten gemäß § 32b Abs 2 Satz 3 Ärzte-ZV nicht dadurch unterlaufen wird, daß in den ersten Monaten des Jahres 1993 in erheblichem Umfang Anstellungsgenehmigungen erteilt werden müßten, weil die Landesausschüsse die erstmalige Feststellung nach § 103 SGB V kaum vor Frühjahr 1993 würden treffen können. Wenn die Entscheidung über die Genehmigung der Anstellung nach § 32b Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV bis zur Feststellung des Landesausschusses über das Vorliegen einer Überversorgung gemäß § 103 Abs 1 Satz 1 SGB V hinausgeschoben werden muß, ist damit notwendigerweise auch eine materielle Bindung der Zulassungsgremien an die Entscheidung des Landesausschusses über Zulassungssperren in einzelnen Planungsbereichen verbunden und gewollt. Es wäre schlechterdings unverständlich, weshalb Entscheidungen über die Genehmigung der Beschäftigung eines angestellten Arztes bis zur Feststellung des Landesausschusses über das Vorliegen von Überversorgung zurückzustellen sind, wenn diese Feststellung keine Bedeutung für die Sachentscheidung der Zulassungsgremien über die Genehmigung nach § 32b Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV haben soll (vgl in diesem Sinne LSG Baden-Württemberg, MedR 1996 S 47 ff; SG Dortmund, NZS 1995 S 561 ff; Bayerisches LSG, Urteil vom 6. Dezember 1995 - L 12 Ka 5/95 -; Steinhilper, NZS 1995 S 564; Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte 1994, RdNr 303).

Auch das Berufungsgericht stellt nicht in Abrede, daß die von ihm für richtig gehaltene gegenteilige Auslegung des Art 33 § 3 Abs 3 GSG im Sinne einer lediglich zeitlich begrenzten Entscheidungssperre zu einer Privilegierung der Beschäftigung von angestellten Ärzten gegenüber der Zulassung von Vertragsärzten führt. Aus Art 33 § 3 Abs 2 Satz 2 GSG folgt nämlich eindeutig, daß Zulassungsanträge, die nach dem 31. Januar 1993 gestellt worden sind, auch dann abgelehnt werden müssen, wenn der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen erst nach dem Eingang des Zulassungsantrags für den betroffenen Planungsbereich und das jeweilige Fachgebiet erstmalig Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat. Eine Privilegierung der Anstellung in der Weise, daß in einem überversorgten Gebiet ein Arzt zwar noch in einer bestehenden Praxis angestellt, aber nicht mehr als Vertragsarzt zugelassen werden könnte, würde dem ansonsten vom Gesetzgeber aufgestellten Grundsatz, daß die vertragsärztliche Versorgung vorrangig von in freier Praxis zugelassenen Vertragsärzten zu leisten ist, zuwiderlaufen und bedürfte deshalb einer besonderen Rechtfertigung. Diese kann entgegen der Auffassung des LSG nicht darin gesehen werden, daß für anzustellende Ärzte keine dem Art 33 § 3 Abs 1 Satz 1 GSG entsprechende Regelung vorhanden ist. Nach dieser Vorschrift ist Anträgen auf Zulassung als Vertragsarzt, die bis zum 31. Januar 1993 gestellt worden sind, auch dann zu entsprechen, wenn nach dem 1. Januar 1993 Zulassungsbeschränkungen angeordnet worden sind. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber auch aus Gründen der Rechtssicherheit (vgl BT-Drucks 12/3608, S 157) für eine begrenzte Zeit zulassungswilligen Ärzten die Möglichkeit geben, sich noch nach den Bedingungen des bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Rechts, also weitgehend unbeeinträchtigt durch Zulassungsbeschränkungen, in ihrem Fachgebiet an dem von ihnen gewünschten Ort niederzulassen (vgl BT-Drucks 12/3937, S 11). Eine derartige Übergangsbestimmung war für angestellte Ärzte schon deshalb entbehrlich, weil das Institut des dauerbeschäftigten angestellten Arztes in der Vertragsarztpraxis erst zum 1. Januar 1993 eingeführt worden ist, so daß niemand geltend machen kann, er habe bereits 1992 oder früher eine Tätigkeit als ganztagsbeschäftigter angestellter Arzt oder die Beschäftigung eines Arztes in der eigenen Praxis angestrebt und entsprechende Dispositionen getroffen.

Inwieweit die dargestellte gesetzliche Regelung mit Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar sein könnte, ist für den Senat nicht erkennbar. Soweit die Kläger im Klageverfahren geltend gemacht haben, aus Art 12 Abs 1 GG ergebe sich das Recht jedes "zulassungsfähigen" Arztes, als angestellter Arzt in einer vertragsärztlichen Praxis tätig werden zu dürfen, trifft dies unabhängig davon, ob die Kläger sich auf ein solches Recht berufen könnten, nicht zu. Der Gesetzgeber hat das Rechtsinstitut des angestellten Arztes in der Vertragsarztpraxis zum 1. Januar 1993 neu geschaffen und bewußt als Recht des Vertragsarztes ausgestaltet, einen angestellten Arzt zu beschäftigen. Rechtsansprüche der anstellungswilligen, nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte auf Anstellung sind weder gegenüber Vertragsärzten noch gegenüber den Zulassungsgremien begründet worden (vgl BSG SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 2 f; Senatsurteil vom 19. Juni 1996 - 6 RKa 84/95 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Das Grundrecht der Berufsfreiheit der Kläger in ihrer Eigenschaft als niedergelassene Vertragsärzte wird nicht dadurch verletzt, daß ihnen die Beschäftigung eines angestellten Arztes nur insoweit gestattet ist, als in ihrem Planungsbereich noch keine Überversorgung festgestellt ist. Da der Gesetzgeber die zeitlich unbegrenzte Beschäftigung angestellter Ärzte in vertragsärztlichen Praxen von vornherein vom Nichtbestehen einer Überversorgung im jeweiligen Planungsbereich abhängig gemacht hat, bedarf die Frage, ob die Vorschriften über die vertragsärztliche Bedarfsplanung ihrerseits mit dem GG in Einklang stehen, hier keiner Klärung. Diese wäre nur erforderlich, wenn zu irgendeinem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt dem Vertragsarzt einfachrechtlich oder unmittelbar auf der Grundlage des Art 12 Abs 1 GG das Recht zugestanden hätte, unabhängig von der Versorgungslage im jeweiligen Planungsbereich einen Arzt dauerhaft in seiner Praxis zu beschäftigen. Das war indessen nicht der Fall, weil das Rechtsinstitut des dauerbeschäftigten angestellten Arztes erst zum 1. Januar 1993 eingeführt worden ist und der Gesetzgeber zur Schaffung dieser Beschäftigungsmöglichkeit nicht im Hinblick auf die Grundrechte der anstellungswilligen Vertragsärzte aus Art 12 Abs 1 GG gezwungen gewesen ist.

Da der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen im Juni 1993 für den Planungsbereich der Kläger Überversorgung festgestellt hat, hat der Beklagte ihrem Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung des Dr. L. unter übergangsrechtlichen Gesichtspunkten unabhängig davon zu Recht nicht entsprochen, ob als maßgebliches Antragsdatum der 11. Mai 1993 (Eingang des ersten Antrags bei der Beigeladenen zu 1) oder der 30. Juni 1993 (Eingang des vollständigen Antrags beim Zulassungsausschuß) anzusehen ist. Selbst wenn das erstere der Fall sein sollte, war der Beklagte nicht gehindert, nach der Feststellung der Überversorgung und der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuß den Antrag abzulehnen.

Dem Antrag der Kläger könnte allerdings dann stattzugeben sein, wenn ein Tatbestand einer "qualitätsbezogenen Sonderbedarfsfeststellung" iS der Nrn 24 ff der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 9. März 1993 erfüllt ist. Die Regelungen im 5. Abschnitt dieser Richtlinien, nach denen unter gewissen Voraussetzungen der Zulassungsausschuß trotz der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuß Zulassungsanträgen bestimmter Ärzte bzw von Ärzten bestimmter Arztgruppen stattgeben darf, gelten nach Nr 43 der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte auch für die ausnahmsweise Genehmigung der Anstellung von Ärzten, die einer Arztgruppe angehören, für die Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Die Kläger haben sich im Verwaltungsverfahren wie im Klage- und Berufungsverfahren darauf berufen, daß im Hinblick auf ihre Praxisausrichtung und die Bildung fachlicher Schwerpunkte anderer im Planungsbereich Ahrweiler zugelassener Ärztinnen und Ärzte für Neurologie und Psychiatrie tatsächlich ein erheblicher Bedarf an neurologischer Grundversorgung besteht, der durch die Tätigkeit des Dr. L. abgedeckt werden soll. Der Beklagte hat sich in Übereinstimmung mit dem Zulassungsausschuß dementsprechend zu Recht mit dem Vorliegen eines Sonderbedarfs befaßt und einen solchen im Ergebnis verneint. Ob diese Beurteilung zutrifft, haben - von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder das SG noch das LSG geprüft und demzufolge keine tatsächlichen Feststellungen zur Versorgungslage im Planungsbereich getroffen. Solche Feststellungen sind indessen notwendig, weil anders nicht beurteilt werden kann, wie sich unter dem Gesichtspunkt eines qualitätsbezogenen Sonderbedarfs die Versorgungssituation konkret darstellt. Da der Senat die insoweit notwendigen tatsächlichen Feststellungen nicht selber treffen kann (§ 163 SGG), ist der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dabei wird dieses Gericht auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1174424

SozR 3-5520 § 32b, Nr.3

SozSi 1997, 397

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