Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 24.08.2000; Aktenzeichen L 16 B 79/99 KR)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. August 2000 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. R., … … B., … zu bewilligen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 24. August 2000. Er macht die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend. Das LSG habe in seiner Entscheidung ausgeführt, die schriftliche Förderungszusage sei im vorliegenden Fall entbehrlich. Es habe es für rechtsmißbräuchlich gehalten, zunächst im Beratungsgespräch die Entgegennahme der schriftlichen Förderungszusage abzulehnen und sich hinterher darauf zu berufen, eine solche nicht erhalten zu haben. Mit dieser Rechtsprechung sei das LSG von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen, die grundsätzlich aus rechtsstaatlichen Gründen den Zugang einer schriftlichen Förderungszusage bei dem Arbeitslosen fordere und eine Einschränkung dieses Erfordernisses nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch nicht zulasse. Das BSG habe diese Grundsätze insbesondere in den Entscheidungen 7 RAr 46/89 und 11 RAr 65/89 bestätigt. Das Sozialgericht (SG) Detmold habe in der erstinstanzlichen Entscheidung die Abweichung von dieser Rechtsprechung des BSG ausdrücklich eingestanden. Demgegenüber versuche der Senat des LSG, die Abweichung zu leugnen, indem er ausführe, er sehe eine solche Abweichung nicht. Objektiv sei aber eine solche Abweichung begründet, wie das erstinstanzliche Gericht zu Recht ausgeführt habe.

Das LSG habe verfahrensfehlerhaft nach § 153 Abs 4 SGG nach seiner (des Klägers) schriftlichen Anhörung und trotz seines Widerspruchs ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entschieden. Das Gericht habe insofern von dem ihm zustehenden Ermessen in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht. Angesichts der Bedeutung des Falles für den Kläger und in Anbetracht der Abweichung des LSG von der ständigen Rechtsprechung des BSG zu dem Erfordernis der Schriftform der Förderungszusage habe das LSG sein Ermessen nach § 153 Abs 4 SGG pflichtgemäß nur dahin ausüben können, daß es entsprechend dem Antrag des Klägers mündlich verhandele. Hätte das LSG mündlich verhandelt, so hätte der Kläger seine Auffassung vortragen können, daß das LSG von der Rechtsprechung des BSG abweiche. Möglicherweise wäre dann das Urteil des LSG im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG ergangen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Den Anforderungen an die Beschwerdebegründung wird der Vortrag des Klägers schon deshalb nicht gerecht, weil er den der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Sachverhalt überhaupt nicht schildert. Dem Senat ist es deshalb nicht möglich, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Vortrags des Klägers ein Bild über Streitgegenstand und rechtliche wie tatsächliche Streitpunkte zu machen. Aufgabe der Revisionsinstanz ist es indes nicht, sich den für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Sachverhalt selbst aus dem Urteil des LSG bzw den Leistungsakten herauszusuchen. Die Wiedergabe des der Entscheidung des LSG zugrundeliegenden Sachverhalts ist deshalb Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung des Senats über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Kläger hat aber auch im übrigen den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht schlüssig dargetan. Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, Rz 163 ff, Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 160 Rz 13 ff). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn der Beschluß des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, daß der angefochtene Beschluß auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte: Die Beschwerdebegründung muß erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der angezogenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Beschluß des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muß aufgezeigt werden, daß auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21,29, 54 und 67; Kummer, aaO, Rz 168). Diesen Anforderungen hat die Beschwerdebegründung vorliegend nicht genügt. Abgesehen davon, daß es mangels der fehlenden Sachverhaltsschilderung dem Senat schon unmöglich ist zu beurteilen, inwiefern die behauptete Divergenz in dem zukünftigen Revisionsverfahren entscheidungserheblich wird, hat der Kläger auch nicht die abstrakten Rechtssätze hinreichend herausgearbeitet, die der Entscheidung des LSG zugrunde lagen und mit denen das LSG bewußt dem BSG widersprochen haben soll.

Ebensowenig hat der Kläger das Vorliegen eines Verfahrensfehlers hinreichend dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Soweit der Kläger eine Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit rügt, indem die Vorgehensweise des LSG gemäß § 153 Abs 4 SGG (Entscheidung durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung) beanstandet wird, hätte er im einzelnen darlegen müssen, daß seitens des LSG ein Ermessensfehlgebrauch vorlag. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl Beschluß vom 31. Mai 2000 – B 7 AL 42/99 B) ist verfahrensrechtlich zu beanstanden eine Sachentscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs 4 SGG nur, wenn die Verfahrensweise des LSG auf sachfremden Erwägungen oder grober Fehleinschätzung beruht (so auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; BSG, Beschluß vom 13. Mai 1998 – B 10 LW 5/97 B). Hierzu bringt die Beschwerdebegründung nichts vor. Der Beschwerdeführer vertritt lediglich die Meinung, das LSG hätte unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der zweiten Sperrzeit für seinen Leistungsanspruch zu dem Ergebnis kommen müssen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei erforderlich. Mit einem solchen Vorbringen ist ein Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG bzw den Grundsatz der Mündlichkeit aber nicht hinreichend bezeichnet (vgl auch BSG, Beschluß vom 13. Juni 1994 – 7 BAr 140/93 –, und BSG, Beschluß vom 22. Mai 1997 – 6 BKa 2/97).

Soweit der Kläger – allerdings nur konkludent – die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz; § 62 SGG) rügen könnte, hätte er ua darzutun gehabt, inwiefern er durch die Entscheidung des LSG überrascht worden ist. Hierzu trägt der Kläger selbst vor, daß das LSG sich im wesentlichen auf dieselben Entscheidungsgesichtspunkte wie das SG gestützt hat. Insofern ist nicht dargelegt, daß ihm durch die Vorgehensweise des LSG die Möglichkeit genommen wurde, seinen Standpunkt zu der Rechtsauffassung des LSG auszureichend darzulegen.

Entspricht die Begründung der Beschwerde sonach nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde – ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter – in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; vgl auch BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Da die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist, war der zugleich gestellte Antrag auf Prozeßkostenhilfe mangels Erfolgsaussicht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozeßordnung) abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175824

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