Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 16.01.1996)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Januar 1996 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig.

Nach § 177 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) können Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG), seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters grundsätzlich nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht (BSG) angefochten werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG gemäß § 160a Abs 1 SGG dar. Dies gilt entsprechend bei der Nichtzulassung der Revision in einem Beschluß des LSG nach § 153 Abs 4, § 158 Satz 2 SGG, der anstelle eines Berufungsurteils ergeht. Ausgenommen von dem Grundsatz des § 177 SGG sind des weiteren Beschlüsse des LSG in Verfahren über Beschwerden gegen Beschlüsse des Sozialgerichts (SG) zur Zulässigkeit des Sozialrechtsweges, sofern eine solche (weitere) Beschwerde zum BSG vom LSG zugelassen worden ist (§ 17a Abs 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

Es ist nicht erkennbar, daß einer dieser Ausnahmefälle hier gegeben ist. In der Beschwerdeschrift vom 27. Februar 1996 hat der Kläger ganz allgemein Beschwerde gegen den Beschluß des LSG Rheinland-Pfalz vom 16. Januar 1996 erhoben, ohne näher zu kennzeichnen, gegen welchen Ausspruch in der Entscheidung sich dieses Rechtsmittel richten soll. Auch in seinem Schriftsatz vom 29. März 1996 macht der Kläger hierzu keine Ausführungen. Er kritisiert lediglich die Ausführungen des LSG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses und fordert, der Beschwerde stattzugeben; in welcher Weise dies geschehen soll, teilt er nicht mit.

Selbst wenn man das Vorbringen des Klägers aufgrund der gesamten Umstände dahin auslegt, daß sich die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des LSG richten soll, ist dieses Rechtsmittel unzulässig. Die Begründung genügt nämlich nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 des SGG ergebenden formalen Anforderungen.

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel – zugelassen werden. In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Daran fehlt es hier.

Das Vorbringen des Klägers kann allenfalls als Geltendmachung eines Verfahrensmangels angesehen werden; es könnte die Rüge enthalten, daß das LSG, statt eine Sachentscheidung zu treffen, prozessual entschieden habe: Seine Berufung gegen das erstinstanzliche „Urteil” (richtig: Beschluß) sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fristgemäß eingelegt gewesen und habe daher als zulässig behandelt werden müssen. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß seine am 14. März 1995 zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärte Berufung nicht rechtzeitig erhoben worden sei. Er habe das erstinstanzliche „Urteil” nämlich erst am 15. Februar 1995 erhalten. Ein konkreter Nachweis über den Zugang des Urteils liege nicht vor. Daß ein „Urteil” von Amts wegen nach den §§ 2 bis 15 des Verwaltungszustellungsgesetzes) zugestellt werde, bedeute nicht, daß auch in diesem Fall eine Zustellung des „Urteils” per Einschreiben erfolgt sei. Auch sei nicht ersichtlich, warum der von ihm vorgelegte am 15. Februar 1995 vom SG freigestempelte Briefumschlag nicht derjenige sein sollte, in dem das erstinstanzliche „Urteil” versandt worden sei. Daß dieser Umschlag nur mit 3 DM freigemacht gewesen sei und es sich somit nicht um einen Einschreibebrief gehandelt habe, sei kein schlüssiger Beweis für die Tatsache, daß er kein Urteil enthalten haben könne.

Diese Rüge bezeichnet jedoch keinen Verfahrensmangel, der zu einer Revisionszulassung führen kann. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Beschränkung greift hier ein, weil der Kläger seine Verfahrensrüge letztlich auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützt. Zwar rügt er in erster Linie sinngemäß, daß statt eines Sachurteils ein Prozeßurteil ergangen sei. Dieser Verfahrensmangel beruht nach seiner Darlegung aber ausschließlich auf einer unrichtigen Beweiswürdigung des LSG, das die von ihm zum Beweis der Rechtzeitigkeit der Berufungseinlegung vorgelegten Unterlagen in unzutreffender Weise behandelt habe (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 SGG).

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann die vom Kläger geltend gemachte Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG auch dann nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG sein, wenn sich diese auf die Zulässigkeit der Berufung bezieht. Denn der Ausschluß von Verletzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG aus den zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmängeln duldet keine Ausnahme; die Würdigung der dem Tatsachengericht vorliegenden Beweise obliegt diesem allein (vgl Peters/Sautter/Wolff, SGG-Komm, § 160 RdNr 241). Dieser Grundsatz erstreckt sich folglich nicht nur auf die Feststellung von Tatsachen bei der Prüfung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen, sondern auch ua der prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels; hier wie dort ist eine Beweiswürdigung vorzunehmen. Allerdings hat auch das BSG bei Verfahrensrügen selbst Beweise zu erheben und zu würdigen; aus § 160 Abs 2 Nr 3 SGG folgt jedoch, daß ihm die Überprüfung von Beweiswürdigungen, die das LSG vorgenommen hat, grundsätzlich verwehrt sein soll.

Der Kläger hat auch nicht dargetan, daß ihm das LSG zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 67 SGG versagt habe.

Die somit unter allen Gesichtspunkten unzulässige Beschwerde des Klägers mußte verworfen werden. Dies konnte in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG auch ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter geschehen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173121

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