Entscheidungsstichwort (Thema)

Gruppenlebensversicherungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Ersatzkassen, die ihren Mitgliedern nach dem aufgrund des GRG 1989 erfolgten Wegfall bzw. der Kürzung des Sterbegeldes (§§ 58, 59 SGB V) im Zusammenwirken mit einer von ihnen gegründeten Ersatzkassengemeinschaft sowie einem Konsortium von Lebensversicherungsgesellschaften auf der Grundlage eines Gruppenlebensversicherungsvertrags eine Zusatzsterbegeldversicherung anbieten, handeln nicht mehr im Rahmen des ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs (§ 30 Abs. 1 SGB IV). Sie handeln damit - ebenso wie die Ersatzkassengemeinschaft und die beteiligten Lebensversicherungsgesellschaften - zugleich wettbewerbswidrig i. S. d. § 1 UWG.

 

Normenkette

UWG § 1; SGB IV § 30 Abs. 1; SGB V §§ 58-59

 

Tatbestand

Der Kläger zu 1 ist ein eingetragener Verband, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Vertretung und Förderung der allgemeinen Interessen der privaten Krankenversicherung und seiner Mitgliedsunternehmen gehören. Die Klägerinnen zu 2 bis 8 sind Lebensversicherungsunternehmen.

Die Beklagte zu 1 ist eine auf Initiative der Ersatzkassen gegründete "Ersatzkassengemeinschaft zur Gesundheitsfürsorge e.V.", die Beklagte zu 2 eine Ersatzkasse und die Beklagte zu 3 eine Lebensversicherung.

Die Beklagten bieten Ersatzkassenmitgliedern seit dem 1. Juli 1992 eine sogenannte Zusatzsterbegeldversicherung an. Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieses Verhaltens.

Das Angebot einer Zusatzversicherung durch die Beklagten beruht darauf, daß aufgrund des Gesundheits-Reformgesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1989 beim Sterbegeld der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungskürzungen erfolgt sind. Nach § 58 SGB V wird beim Tod eines Versicherten ein Zuschuß zu den Bestattungskosten (Sterbegeld) nur noch dann - und auch nur noch in Höhe von 2.100,-- DM bzw. 1.050,-- DM (§ 59 SGB V) - gezahlt, wenn der Verstorbene am 1. Januar 1989 versichert war. Für die danach neu eintretenden Mitglieder entfällt der Sterbegeldanspruch völlig.

Vor diesem Hintergrund kam es am 10. Februar 1992 zur Gründung der Beklagten zu 1, der Mitglieder und Versicherte der Ersatzkassen beitreten können. Die Beklagte zu 1 schloß am 8. Mai 1992 mit einem Konsortium von sechs Lebensversicherungsgesellschaften unter Führung der Beklagten zu 3 einen Gruppenlebensversicherungsvertrag, der für die Mitglieder der Beklagten zu 1 die Möglichkeit einer Zusatzsterbegeldversicherung vorsieht.

In der Folgezeit warben die Beklagte zu 1, die Ersatzkassen und ihre Verbände für die Zusatzversicherung. In einer Informationsschrift der Beklagten zu 1 für die Mitarbeiter der Ersatzkassen heißt es u.a.:

"Die Ersatzkassen wollen ihren Versicherten eine Möglichkeit bieten, die durch das Gesundheits-Reformgesetz entfallenen bzw. gekürzten Kassenleistungen für den Todesfall auf andere Art zu versichern. Über die Kassenleistungen ist das nicht möglich und somit auch nicht unter den Kassen-Namen.

Die Ersatzkassen haben daher ihrem Dachverband VdAK/AEV (Verband der Angestellten-Krankenkassen, Verband der Arbeiter-Ersatzkassen) das o.k. gegeben, einen Verein zu gründen, nämlich die Ersatzkassengemeinschaft zur Gesundheitsfürsorge e.V.".

In einer Pressemitteilung der Ersatzkassenverbände VdAK und AEV vom 21. Mai 1992 wird u.a. ausgeführt:

"Zusatzsterbegeld für Ersatzkassen-Versicherte

Ersatzkassen-Versicherte können ab 1. Juli 1992 über ihre Krankenkasse eine günstige Sterbegeldversicherung abschließen. Der mit namhaften Lebensversicherern bestehende Gruppenversicherungsvertrag bietet den Versicherten eine Sterbegeldvorsorge wahlweise von 5.000,--, 7.500,-- oder 10.000,-- DM. ...

Nachdem durch das Gesundheits-Reformgesetz das Sterbegeld der gesetzlichen Krankenversicherung gekürzt bzw. ganz gestrichen worden ist, war aus den Kreisen der Versicherten immer häufiger der Wunsch geäußert worden, eine preisgünstige Versicherung zu finden, die das Risiko der Aufwendungen beim Todesfall absichert.

Das bundesweite Angebot zum Abschluß dieser Sterbegeldvorsorge wird den Versicherten der ... (es werden zwölf Ersatzkassen aufgeführt) ... durch ihre Mitgliederzeitschriften zugehen. Nähere Informationen geben auch die Geschäftsstellen dieser Ersatzkassen."

Auch in der Mitgliederzeitschrift der Beklagten zu 2 ist die Zusatzsterbegeldversicherung eingehend vorgestellt worden. Einleitend heißt es dort:

"Neu ab 1. Juli 1992: Zusatzsterbegeld

Das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) hat einige Leistungen der Krankenkassen eingeschränkt. So wurde z.B. das Sterbegeld drastisch gekürzt und für Versicherte, die nach dem 31.12.1988 erstmals einer Kasse beigetreten sind, sogar ganz gestrichen. Jetzt bieten die Ersatzkassen ihren Versicherten den Abschluß einer günstigen Sterbegeldversicherung an. ..."

In ähnlicher Art haben auch andere Ersatzkassen geworben.

Die Kläger haben das Verhalten der Beklagten als wettbewerbs- und kartellrechtswidrig beanstandet. Sie haben in der Mitwirkung der Ersatzkassen beim Vertrieb der Zusatzsterbegeldversicherung einen nach § 1 UWG wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV gesehen, da die Gewährung von Sterbegeld künftig nicht mehr zum gesetzlichen Aufgabenbereich der Ersatzkassen gehöre. Durch ihr Verhalten verschafften sich die Ersatzkassen einen wettbewerbswidrigen Vorsprung gegenüber den privaten Krankenversicherungen, denen entsprechende Tätigkeiten untersagt seien. Im übrigen verletzten die Ersatzkassen auch ihre Neutralitätspflicht, indem sie die ihnen als Trägerinnen der gesetzlichen Krankenversicherung natürlicherweise zukommende Autorität zugunsten des Absatzes bestimmter Lebensversicherer, nämlich der Anbieter der Gruppenversicherung, ausnutzten. Außerdem verstoße die Zusammenarbeit der Ersatzkassen im Rahmen der Beklagten zu 1 gegen §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1, § 35 GWB.

Die Kläger haben beantragt,

  1. die Beklagten zu 1 bis 3 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Versicherten von zwölf - näher bezeichneten - Ersatzkassen eine Zusatzsterbegeldversicherung anzubieten oder zu vermitteln, für die Voraussetzung ist, daß die Versicherten gleichzeitig der Beklagten zu 1 und einer der vorbezeichneten Ersatzkassen angehören, und zwar nach Maßgabe eines Gruppenversicherungsvertrages, der zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 3 sowie fünf weiteren - näher genannten - Lebensversicherungsgesellschaften abgeschlossen worden sei;

  2. die Beklagten zu 1 und 2 weiter zu verurteilen, es zu unterlassen,

    für den Abschluß einer Zusatzsterbegeldversicherung in einer konkret wiedergegebenen Form zu werben (vgl. die oben auszugsweise wiedergegebene Werbung aus der Mitgliederzeitschrift der Beklagten zu 2).

Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben die Ansicht vertreten, daß kein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV vorliege. Da die Sterbegeldgewährung seit Gründung der gesetzlichen Krankenversicherung zu deren Leistungsumfang gehört habe, habe nach der Gesetzesänderung eine besondere "nachwirkende Verpflichtung" im Hinblick auf die Schließung der bei den Versicherten aufgetretenen Deckungslücke bestanden. Im übrigen sei das Vorgehen der Ersatzkassen durch die ihnen gegenüber ihren Mitgliedern obliegende Aufklärungspflicht gemäß §§ 13 bis 15 SGB I legitimiert. Es sei auch zu berücksichtigen, daß im Rahmen der neuerlichen Reformbemühungen im Gesundheitswesen vorgesehen gewesen sei, den gesetzlichen Krankenkassen die Gründung eigener privater Versicherungsunternehmen zu gestatten, was freilich keinen Eingang in das vom Bundestag beschlossene Gesetz gefunden habe.

Eine Verletzung der Neutralitätspflicht der Ersatzkassen sei schon deshalb nicht gegeben, da vorliegend nicht die Ersatzkassen unmittelbar handelten, sondern die rechtlich selbständige Beklagte zu 1, für die eine derartige Pflicht nicht bestehe.

Die Kläger müßten sich auch entgegenhalten lassen, daß die Allgemeinen Ortskrankenkassen - unstreitig - bereits 1990 ein ähnliches Modell zur Ersetzung des Sterbegeldes entwickelt hätten und seitdem ihren Mitgliedern anböten.

Ein Verstoß gegen das GWB scheide schon deshalb aus, weil es keine wettbewerbsbeschränkenden Absprachen zwischen den sechs Konsortialmitgliedern untereinander und im Verhältnis zur Beklagten zu 1 gegeben habe.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben.

Mit der - mit Einverständnis der Kläger - eingelegten (Sprung-)Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, die u.a. von der Beklagten zu 2 betriebene Gründung der Beklagten zu 1 zu dem Zweck, auf diese Weise auf der Basis eines Gruppenversicherungsvertrages mit der Beklagten zu 3 und weiteren Lebensversicherungsgesellschaften Zusatzsterbegeldversicherungen an Ersatzkassenmitglieder zu vertreiben, verstoße unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch gegen § 1 UWG. Dazu hat es ausgeführt: Die Mitwirkung von Ersatzkassen an dem in Rede stehenden Versicherungsangebot verstoße gegen § 30 Abs. 1 SGB IV, wonach Ersatzkassen nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen dürften. Tätigkeiten auf dem Gebiet der Sterbegeldzahlung gehörten seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes 1989 nicht mehr zu diesen Aufgaben.

Einem Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV stehe nicht entgegen, daß die Ersatzkassen die Zusatzsterbegeldversicherungen nicht selbst abschlössen. Es reiche aus, daß die Abschlüsse durch ihre Mithilfe zustandekämen. Im übrigen müßten sich die beteiligten Ersatzkassen das Verhalten der Beklagten zu 1, die von ihnen beherrscht werde und allein zum Abschluß des Gruppenversicherungsvertrages mit der Beklagten zu 3 gegründet worden sei, zurechnen lassen. Hinzu komme, daß die Ersatzkassen in ihren Mitgliederzeitschriften auch selbst umfänglich für den Versicherungsabschluß geworben hätten. Durch ihr Verhalten förderten die Ersatzkassen sowohl den eigenen Wettbewerb als auch den der Beklagten zu 3 und der weiteren Konsortialmitglieder.

Der Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV stelle auch zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, da es sich um eine wertbezogene Norm handele. Sinn und Zweck der Norm sei es, die privaten Krankenversicherungsunternehmen in dem ihnen zugewiesenen Geschäftsbereich und überhaupt den privaten Versicherungsmarkt gegen einen wirtschaftlichen Wettbewerb der gesetzlichen Krankenversicherungen zu schützen. Das Verhalten der Ersatzkassen sei auch nicht aufgrund der ihnen gegenüber ihren Mitgliedern obliegenden Aufklärungs- und Betreuungspflichten nach §§ 13 bis 15 SGB I gerechtfertigt.

Weiter könnten sich die Beklagten auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Sterbegeldgewährung seit jeher zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört habe; ebensowenig darauf, daß die Kläger das mit dem der Beklagten vergleichbare Modell der Allgemeinen Ortskrankenkassen bisher nicht angegriffen hätten.

II.

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1.

Für die Prüfung in der Revisionsinstanz ist bereits aufgrund der neuen Vorschrift des § 17 a Abs. 5 GVG von der vom Landgericht (stillschweigend) bejahten und von der Revision auch nicht in Frage gestellten Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten auszugehen. Die Frage der Zuständigkeit der Sozialgerichte gemäß § 51 Abs. 2 SGG in der Fassung des Art. 32 des seit dem 1. Januar 1989 geltenden Gesundheits-Reformgesetzes bedarf daher hinsichtlich der Beklagten zu 2, die als Träger der Sozialversicherung die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat, keiner Erörterung (zum Vorrang der kartellrechtlichen Zuständigkeit gegenüber § 51 Abs. 2 SGG vgl. BGHZ 114, 218, 222 ff. - Einzelkostenerstattung).

2.

Hinsichtlich der Klagebefugnis der Kläger bestehen auch aufgrund der Neufassung des § 13 Abs. 2 UWG keine Bedenken.

Der Kläger zu 1 ist als Verband zur Vertretung und Förderung der allgemeinen Interessen der privaten Krankenversicherer nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG befugt, die in Rede stehenden Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist geeignet, den Wettbewerb der privaten Krankenversicherer und der Ersatzkassen wesentlich zu beeinträchtigen. Beide stehen demselben - großen - Personenkreis, der die freie Wahl zwischen dem Abschluß einer privaten Krankenversicherung und dem Beitritt zu einer Ersatzkasse hat, als Wettbewerber gegenüber. Die beanstandete Mitwirkung der Ersatzkassen am Vertrieb von Zusatzsterbegeldversicherungen an Mitglieder ist geeignet, den Ersatzkassen im Wettbewerb um die - nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Kläger ca. 4 Millionen - freiwillig Versicherten einen erheblichen Vorsprung vor den privaten Krankenversicherern zu verschaffen, denen nach dem unstreitigen Vorbringen der Kläger eine entsprechende Tätigkeit untersagt ist.

Hinsichtlich der klagenden Lebensversicherungsunternehmen zu 2 bis 8 kann offenbleiben, ob sie als unmittelbar Verletzte direkt aus § 1 UWG klagebefugt sind. Denn sie sind jedenfalls als Mitbewerber nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG befugt, die Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Das Verhalten der Beklagten ist auch geeignet, den privaten Versicherungsmarkt, auf dem die Klägerinnen zu 2 bis 8 tätig sind, wesentlich zu beeinträchtigen. Beide wenden sich mit gleichen Leistungen, nämlich Lebensversicherungen bzw. Zusatzsterbegeldversicherungen, an denselben Kreis potentieller Versicherungsnehmer. Die Auswirkungen auf den Wettbewerb sind angesichts der Größe dieses Personenkreises erheblich, wobei dahinstehen kann, ob das Jahresprämienvolumen der Zusatzsterbegeldversicherung - wie von den Klägern geschätzt - ca. 20 Millionen DM beträgt.

3.

Das Landgericht hat das beanstandete Verhalten der Beklagten zu Recht wegen eines Gesetzesverstoßes der beteiligten Ersatzkassen als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG beurteilt.

a)

Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß das auf einem zwischen der Beklagten zu 1 und einem Konsortium von sechs Lebensversicherungsgesellschaften abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag beruhende Angebot einer Zusatzsterbegeldversicherung an Ersatzkassenmitglieder gegen das den Ersatzkassen auferlegte Verbot des § 30 Abs. 1 SGB IV verstößt. Nach dieser Bestimmung dürfen die Träger der Sozialversicherung nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden. Das Handeln der Versicherungsträger steht damit unter Gesetzesvorbehalt. Sie besitzen keine allgemeine Zuständigkeit, sondern dürfen nur gesetzlich vorgeschriebene oder zugelassene Aufgaben erfüllen (vgl. KassKomm/Maier, Sozialversicherungsrecht, § 30 SGB IV Rdn. 2). Um welche Aufgaben es sich dabei im einzelnen handelt, ob zu ihnen insbesondere Tätigkeiten der in Rede stehenden Art gehören, ergibt sich nicht aus § 30 Abs. 1 SGB IV selbst. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, die an die Stelle der Regelung in § 25 Abs. 1 und 3 RVO getreten ist, folgt nichts anderes. Trotz der sprachlichen Unterschiede, die sich aus der Zusammenziehung der genannten Absätze des § 25 RVO zu einem Absatz in § 30 Abs. 1 SGB IV ergeben haben, ist die bisherige Regelung in der Sache selbst unverändert geblieben, wie aus der Amtlichen Begründung zu § 30 Abs. 1 SGB IV hervorgeht (BT-Drucks. 7/4122 S. 35) und allgemein anerkannt ist (BGHZ 82, 375, 385 f. - Brillen-Selbstabgabestellen m.w.N.). § 30 Abs. 1 SGB IV enthält daher lediglich die allgemeine Umschreibung der Befugnisse des Sozialversicherungsträgers, ohne dabei dessen Aufgaben und Geschäfte konkret zu regeln. Eine Konkretisierung der den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes obliegenden Aufgaben findet sich vor allem im Fünften Buch des SGB. Dort sind in den §§ 11 bis 68 (vgl. auch § 21 SGB I) die Leistungen, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, näher umschrieben.

Der Bereich der Sterbegeldzahlungen, um den es hier geht, ist in den §§ 58, 59 SGB V geregelt, die durch das Gesundheits-Reformgesetz 1989 eine grundlegende Einschränkung erfahren haben. Danach handelt es sich um eine auf lange Sicht auslaufende Regelung (vgl. KassKomm/Höfler aaO. § 58 SGB V Rdn. 2). Denn Sterbegeld wird nur noch an Altversicherte und zudem auch nur in einem begrenzten Umfang gezahlt. In der Amtlichen Begründung zur Gesetzesänderung (BT-Drucks. 11/2237 S. 140), in der allerdings zunächst anstelle des Wegfalls der §§ 58, 59 SGB V eine Übergangsregelung für die vor dem 1. Januar 1939 Geborenen vorgesehen war (vgl. Art. 56 des Entwurfs), wird insoweit ausgeführt:

"Als eine nicht mehr zeitgemäße Aufgabe der GKV erscheint die Gewährung von Sterbegeld. Im Gegensatz zur Situation von 1883, als diese Leistung als Aufgabe einer solidarischen Sicherung eingeführt wurde, sind heute die Versicherten in aller Regel in der Lage, selber finanzielle Vorsorge für die Bestattung zu tragen. Dies zeigt auch die hohe Zahl von privaten Lebensversicherungsverträgen, die heute bereits 60 % der privaten Haushalte abgeschlossen haben."

Der Gesetzgeber hat damit die Sterbegeldzahlung bewußt - die Altfälle ausgenommen - aus dem gesetzlichen Aufgabenbereich der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, zu dem sie traditionell gehörten, für die Zukunft herausgenommen und die Versicherten auf die Möglichkeit der privaten Lebensversicherung verwiesen. Von einer Verpflichtung der Ersatzkassen, die eingetretene Deckungslücke zu schließen, kann daher nicht gesprochen werden. Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht aus den den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß §§ 13 bis 15 SGB I obliegenden Aufklärungs- und Betreuungspflichten, auf die die Beklagten sich berufen. Diese rechtfertigen zwar eine - auch umfassende - Information der Mitglieder über die eingetretene Gesetzesänderung und ihre Auswirkungen. Das beanstandete Verhalten der Ersatzkassen geht jedoch weit über die gebotene Aufklärung und Betreuung hinaus. Dazu war eine Kooperation mit nur einzelnen Lebensversicherungsunternehmen im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages und eine massive Werbung für die in Rede stehende Zusatzsterbegeldversicherung nicht erforderlich. Sie stellt eine Erweiterung des gesetzlichen Aufgabenbereichs der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, zu dem Tätigkeiten auf dem Gebiet der Sterbegeldzahlung jedenfalls bei Neuversicherten künftig nicht mehr gehören, dar und ist daher durch die in den §§ 13 bis 15 SGB I geregelten Pflichten nicht gerechtfertigt. Auch sonst ist keine gesetzliche Grundlage ersichtlich.

Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Gruppenversicherungsvertrag mit der Beklagten zu 3 und mit fünf weiteren Lebensversicherungen nicht von den Ersatzkassen, sondern der Beklagten zu 1 abgeschlossen worden sei. Das Landgericht hat insoweit zu Recht angenommen, daß das Verhalten der Beklagten zu 1 den Ersatzkassen unter den hier gegebenen Umständen zuzurechnen ist. Es hat für die Revisionsinstanz bindend festgestellt, daß die Beklagte zu 1 auf Initiative der beteiligten Ersatzkassen allein zum Zwecke des Abschlusses und der Durchführung des Gruppenversicherungsvertrages mit einem Konsortium von Lebensversicherungsunternehmen gegründet worden sei, daß sie von den Ersatzkassen personell beherrscht werde und ein von ihnen vollkommen abhängiges Instrument sei. Zutreffend hat das Landgericht auch darauf hingewiesen, daß sich die beteiligten Ersatzkassen das Angebot der Beklagten zu 1 auch durch ihre umfangreiche Werbung in ihren Mitgliederzeitschriften für den Abschluß der Zusatzsterbegeldversicherung zu eigen gemacht hätten.

Das den Ersatzkassen danach zuzurechnende Verhalten bezieht sich auf das Angebot und die Vermittlung einer konkreten Zusatzsterbegeldversicherung im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages an Ersatzkassenmitglieder und die Werbung hierfür. Für eine solche umfassende Tätigkeit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, da die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Gebiet der Sterbegeldgewährung nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch auf die - mit der Zeit auslaufende - Zahlung eines begrenzten Betrages an Altversicherte beschränkt sind. Um Aktivitäten der vorliegenden Art durchzuführen, bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung aufgrund einer wirtschaftspolitischen Entscheidung, zu der die Gerichte angesichts des Gesetzesvorbehalts des § 30 Abs. 1 SGB IV nicht berufen sind.

Nach alledem ist davon auszugehen, daß die Ersatzkassen gegen das aus § 30 Abs. 1 SGB IV folgende Verbot verstoßen haben, keine Geschäfte außerhalb der ihnen gesetzlich vorgeschriebenen oder zugewiesenen Aufgaben zu führen. Dies gilt - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - auch dann, wenn die Tätigkeit nicht mit finanziellen Aufwendungen für die Ersatzkassen verbunden ist. Die gegenteilige Auffassung der Revision findet im Gesetz keine Stütze, das ausdrücklich zwischen den zugelassenen Aufgaben einerseits und der Mittelverwendung andererseits unterscheidet. In der früheren Regelung des § 25 RVO, die insoweit ohne sachliche Änderung übernommen wurde, kommt die Trennung noch deutlicher zum Ausdruck, indem dort die Aufgabenzuweisung und die Mittelverwendung in jeweils verschiedenen Absätzen geregelt waren.

b)

Auch die weitere Annahme des Landgerichts, der Verstoß der beteiligten Ersatzkassen gegen § 30 Abs. 1 SGB IV stelle zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Die Ausführungen des Landgerichts tragen auch den für den Wettbewerb der öffentlichen Hand geltenden Besonderheiten hinreichend Rechnung. Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der privatwirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ist zwischen der generellen Zulässigkeit dieser Betätigung und den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen zu unterscheiden. Die Frage der allgemeinen Zulässigkeit des wettbewerblichen Handelns betrifft die Grundentscheidung der öffentlichen Hand, "ob" sie sich überhaupt am Wettbewerb beteiligen soll. Diese Entscheidung ist eine öffentlich-rechtliche. Dabei ist wettbewerbsrechtlich im allgemeinen nicht entscheidend, daß die Grenzen einer zulässigen privatwirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand überschritten werden. Das UWG regelt nicht den Zugang zum Wettbewerb, sondern die Art und Weise der Beteiligung am Wettbewerb, das heißt, "wie" die öffentliche Hand ihren Wettbewerb gestaltet (vgl. Piper, GRUR 1986, 574, 578). Der Senat hat wiederholt darauf hingewiesen, daß es eine allgemein politische und wirtschaftspolitische Frage ist, ob und welche Grenzen der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand gesetzt oder zu setzen sind; die Lösung dieser Frage ist eine Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung, nicht aber der ordentlichen Gerichte, insbesondere nicht bei der ihnen zustehenden Prüfung von Wettbewerbshandlungen nach dem UWG (vgl. BGHZ 82, 375, 397 - Brillen-Selbstabgabestellen; zuletzt BGH, Urt. v. 1.12.1994 - I ZR 128/92 - Schornsteinaufsätze m.w.N.). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn besondere Vorschriften zur Einschränkung der Erwerbstätigkeit der öffentlichen Hand erlassen worden sind, soweit diese nur den Zugang zum Wettbewerb regeln und nichts darüber aussagen, wie er auszuüben ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1974 - I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 734 - Schilderverkauf). Regelt eine öffentlich-rechtliche Vorschrift die Zulässigkeit und die Grenzen privatwirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand in einer Weise, daß es der öffentlichen Hand verwehrt ist, in den Wettbewerb im Markt einzugreifen, so ist ein Gesetzesverstoß regelmäßig auch als wettbewerbswidrig zu beurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.1965 - Ib ZR 42/63, GRUR 1965, 373, 375 - Blockeis II; Urt. v. 26.4.1974 - I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 734 - Schilderverkauf; BGHZ 110, 278, 290, 291 - Werbung im Programm; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 1 Rdn. 933; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, Bd. 1, 5. Aufl., Kap. 1 Rdn. 33 und UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 10; Piper, GRUR 1986, 574, 579). So liegt es hier.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß das Vorgehen der Beklagten zu 2 - und weiterer Ersatzkassen - nicht nur gesetz-, sondern - entsprechend dem Normzweck des § 30 Abs. 1 SGB IV - auch wettbewerbswidrig ist. Es ist zu eng gesehen, wenn die Revision meint, Normzweck des § 30 Abs. 1 SGB IV sei allein der Schutz der Mitglieder öffentlicher Versicherungsträger, die davor bewahrt werden sollen, daß die Pflichtbeiträge nicht für "sachfremde" Tätigkeiten eingesetzt werden.

Sinn der Neuregelung, die gesetzliche Krankenkasse von der Gewährung von Sterbegeld zu entlasten, ist es, die Sterbegeldversicherung dem Markt zu überlassen, weil Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung insoweit als nicht mehr zeitgemäß erkannt wurden (vgl. Amtl. Begr. zur Gesetzesänderung, BT-Drucks. 11/2237 S. 140). Die Neuregelung betrifft damit zwar in erster Linie eine Begrenzung der Tätigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, macht aber zugleich auch die Intention des Gesetzes deutlich, den Abschluß von Sterbegeldversicherungsverträgen den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung nach Maßgabe der Bedingungen des Marktes, d.h. nach den Angeboten der privaten Versicherungen, freizustellen. Die gesetzliche Krankenversicherung sollte demgemäß gerade nicht mehr zur Privatversicherung in Konkurrenz treten dürfen. Im Hinblick darauf handelt es sich bei § 30 Abs. 1 SGB IV auch um eine im Sinne des § 1 UWG wertbezogene Norm, die die Aufgaben der Träger der Sozialversicherung eingrenzt und ihnen Geschäfte außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs und Mittelverwendung außerhalb des Bereichs des § 30 Abs. 1 SGB IV, wie sie beispielsweise durch Werbemaßnahmen notwendig werden, verbietet. Hinsichtlich der Ersatzkassen bedeutet das Verbot, daß diese, weil privaten Krankenversicherern entsprechende Tätigkeiten auf dem Gebiet der Sterbegeldzahlung untersagt sind (vgl. oben unter II 2), nicht durch Übernahme ihnen gesetzlich nicht ausdrücklich zugewiesener oder zugelassener Aufgaben - hier im Bereich der Sterbegeldversicherung - in Wettbewerb mit privaten Versicherern treten sollen (zweifelnd Wiegand BB 1995, 94, 95). Der Gesetzesverstoß hat hier daher im Blick auf die Neuregelung der §§ 58, 59 SGB V unmittelbare Auswirkungen auf den Wettbewerb. In ihm ist der Wettbewerbsverstoß überhaupt erst angelegt. Insoweit stellt daher die Revision zu Unrecht in Abrede, daß es sich bei dem Verbot des § 30 Abs. 1 SGB IV um eine wertbezogene Norm handelt, deren Verletzung zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG bedeutet (vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 1974, 536, 538 zu der Vorgängernorm des § 25 RVO).

c)

Mit dem angegriffenen Verhalten fördert die Beklagte zu 2 gesetz- und wettbewerbswidrig den Wettbewerb der in dem Konsortium zusammengeschlossenen sechs Lebensversicherungsunternehmen (vgl. oben unter II 2). Aber auch die Passivlegitimation der Beklagten zu 1 und 3 hat das Landgericht ohne Rechtsverstoß bejaht. Die Beklagte zu 1 wirkt an dem beanstandeten Verhalten der Ersatzkassen mit und fördert deren Wettbewerb. Hinsichtlich der Beklagten zu 3 hat das Landgericht zutreffend angenommen, daß diese durch ihre Beteiligung das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten zu 1 und 2 gefördert und für sich ausgenutzt hat.

d)

Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten schließlich darauf, daß ihnen deshalb Vertrauensschutz zuzubilligen sei, weil die Kläger das Sterbegeldmodell der Allgemeinen Ortskrankenkassen bislang nicht angegriffen haben. Das Landgericht hat ihnen einen entsprechenden Schutz zutreffend schon deshalb versagt, weil die Kläger nachvollziehbar dargelegt haben, daß sich die privaten Versicherungen weniger in einem Wettbewerbsverhältnis zu den Allgemeinen Ortskrankenkassen, als vielmehr zu den Ersatzkassen befinden und deshalb der erforderliche Grundsatzrechtsstreit mit ihnen ausgefochten werden sollte.

III.

Die Revision der Beklagten war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Senat hat - wie schon das Landgericht - von dem nach § 100 Abs. 2 ZPO eingeräumten Ermessen, die Kosten unter den Beklagten zu 1 und 2 einerseits und der Beklagten zu 3 andererseits unterschiedlich aufzuteilen, keinen Gebrauch gemacht; denn der Unterlassungsantrag zu 2, der sich nur gegen die Beklagten zu 1 und 2 richtet, tritt in seiner Bedeutung so deutlich hinter den Antrag zu 1 zurück, daß nicht von einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit im Sinne des § 100 Abs. 2 ZPO ausgegangen werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456345

NJW 1995, 2352

AusR 1995, 28

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