hier: Kostenübernahme von Radiojodtherapien

Sachstand:

Krankenhausbehandlung wird vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 SGB V, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vorund nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V).

Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den medizinischen Erfordernissen. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf eine stationäre Behandlung (vgl. stellvertretend Urteil des BSG v. 30.6.2009, B 1 KR 24/08 R, Rz. 33, juris). Diese medizinischen Erfordernisse können sich mit Blick auf die in diesem Zusammenhang einschlägigen anspruchsbegründenden Bestimmungen des SGB V (§§ 11, 27 und 39) nur auf den Versicherten selbst beziehen und nicht auf den Schutz der Allgemeinheit.

Die derzeit in Deutschland geltenden strahlenschutzrechtlichen Bestimmungen sehen vor, dass Patienten, die offene radioaktive Stoffe zur Behandlung erhalten haben, nach der Verabreichung mindestens 48 Stunden stationär in den Kontrollbereich einer Therapiestation aufzunehmen sind. Dies ist der Richtlinie "Strahlenschutz in der Medizin" zur Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.11.2011 (vgl. Kapitel 6.7.2, Seite 56; Anlage 1) zu entnehmen. Von dieser Vorgabe ausgenommen sind "lediglich" die in Kapitel 6.7.3 der genannten Richtlinie aufgezählten ambulanten Behandlungen, zu denen die Radiojodtherapie nicht gehört.

Die Richtlinie "Strahlenschutz in der Medizin" konkretisiert, wie die StrlSchV unter Berücksichtigung des Standes von Wissenschaft und Technik erfüllt werden soll. Sie entfaltet zwar keine rechtliche Verbindlichkeit, ihre Inhalte werden jedoch verbindlich, wenn sie als Genehmigungsbestandteil in die behördliche Genehmigung aufgenommen werden. Es ist davon auszugehen, dass mit der Genehmigung zum Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen in der nuklearmedizinischen Therapie durch das zuständige Landesamt eine allgemeine Auflage einhergeht, dass die StrlSchV und die zutreffenden Regelungen der Richtlinie "Strahlenschutz in der Medizin" einzuhalten sind.

Fraglich war bisher, ob Krankenkassen im Zusammenhang mit der Radiojodtherapie die (vollen) Kosten der vollstationären Krankenhausbehandlung zu übernehmen haben oder ob aufgrund der geforderten Isolierungsnotwendigkeit zum Schutz der Allgemeinheit vor radioaktiver Strahlung (unter der Voraussetzung, dass keine medizinische Notwendigkeit zur stationären Krankenhausbehandlung für den Versicherten besteht) die Übernahme der Kosten in den Aufgabenbereich der Länder/Kommunen fällt (vgl. hierzu Niederschrift über die Besprechung der [damaligen] Spitzenverbände der Krankenkassen zum Leistungsrecht am 6./7.5.2008 zum TOP 8).

Zwischenzeitlich hatte sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit Schreiben vom 17.3.2015 u. a. an den GKV-Spitzenverband mit der Bitte gewandt, bei den gesetzlichen Krankenkassen darauf hinzuwirken, dass die Kosten für die Radiojodtherapie im Krankenhaus übernommen werden (Anlage 2[1]), wobei Einvernehmen erzielt werden konnte, zunächst die zu diesem Zeitpunkt bereits absehbare Entscheidung des BSG abzuwarten.

Das BSG kam nunmehr in seinem Urteil v. 17.11.2015, B 1 KR 18/15 R, (Anlage 3) zu dem Ergebnis, dass die Kosten des Krankenhausaufenthaltes in voller Höhe von der Krankenkasse zu tragen sind.

Dem Urteil lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem sich eine gesetzlich Krankenversicherte aufgrund einer Radiojodtherapie mehrere Tage in vollstationärer Krankenhausbehandlung befand. In ihrer Begründung führte die beklagte Krankenkasse eine Verletzung von § 39 SGB V an. So sei die stationäre Unterbringung nicht medizinisch indiziert gewesen, sondern beruhe allein auf Strahlenschutzvorschriften. Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründeten keine Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung (vgl. Rz. 3 des Urteils, juris).

In seiner Begründung führte das BSG aus, dass die stationäre Behandlung der Versicherten erforderlich im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V war. Für die Erforderlichkeit genüge es, dass – wie im Falle der Radiojodtherapie - eine medizinisch notwendige Versorgung aus Gründen der Rechtsordnung nur stationär erbracht werden dürfe (vgl. Rz. 10 des Urteils, a. a. O.).

Das BSG bestätigte in der vorliegenden Entscheidung, dass es sich allein nach den medizinischen Erfordernissen richte, ob einem Versicherten vollstationäre Kra...

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