Leitsatz (amtlich)

Nur nach entsprechender Abmahnung, die Voraussetzung einer ordentlichen Kündigung wäre, ist ein Arbeitgeber von der Rückzahlungspflicht eines Eingliederungszuschusses befreit.

 

Normenkette

SGB III § 34 Abs. 1 S. 2 Nrn. 5-6, § 92 Abs. 2 Sätze 1, 2 Nrn. 1-2, § 92 Ab S. 3; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; SGB I § 14; SGG §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 29. September 2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rückforderung eines vom Beklagten bewilligten Eingliederungszuschusses.

Die Klägerin, eine in der Werbebranche tätige GmbH, stellte zum 15.02.2017 als Graphiker Herrn H (H) ein, der zuletzt im arabischen Sprachraum als "Graphic Designer" tätig war und über geringe Deutschkenntnisse verfügte. Im Arbeitsvertrag wurde eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart.

Die Klägerin beantragte für die Beschäftigung von H beim Beklagten einen Eingliederungszuschuss unter Verwendung des Formulars des Beklagten. Im Antragsformular des Beklagten wurde ausdrücklich auf die Nachbeschäftigungspflicht hingewiesen. Außerdem wurde im Antragsformular darauf hingewiesen, dass - von wenigen Ausnahmen abgesehen - der Eingliederungszuschuss teilweise zurückzuzahlen ist, wenn das Arbeitsverhältnis "ohne wichtigen Grund" während des Förderzeitraums oder in der Nachbeschäftigungszeit beendet wird. Ausführliche Informationen zur Rückzahlungspflicht fänden sich im Internet unter www.arbeitsagentur .de ≫ Unternehmen ≫finanzielle Hilfen ≫ Einstellung.

Mit Bescheid vom 09.03.2017 bewilligte der Beklagte den beantragten Eingliederungszuschuss auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 SGB II iVm. §§ 88, 89, 91, 92 SGB III für die Zeit vom 15.02.2017 bis 14.08.2017 in Höhe von monatlich 1.152 EUR. Im Bescheid wurde nochmals darauf hingewiesen, dass bzgl der Rückzahlungspflicht ausführliche Informationen unter www.arbeitagentur.de zu finden seien.

Am 09.08.2017 nahm die Klägerin Kontakt mit der Arbeitsvermittlung des Beklagten auf und berichtete von "Problemen" mit H. Nach einer gemeinsamen Besprechung am 10.08.2017 von Vertretern der Arbeitsvermittlung und der Klägerin mit H erklärte dieser sich noch am selben Tag mit einer Ausbildung, die ihm im Verlauf des Gesprächs zur Behebung der von der Klägerin angeführten fachlichen Defizite angeboten worden war, einverstanden.

Am 14.08.2017, einen Tag vor Ablauf der Probezeit, kündigte die Klägerin ohne weitere Rücksprache mit der Arbeitsvermittlung oder H dem H schriftlich "innerhalb der Probezeit". Nachdem der Beklagte anschließend von der Kündigung erfahren hatte, bat der Beklagte die Klägerin, die Umstände der Kündigung darzulegen. Die Klägerin gab daraufhin gegenüber dem Beklagten an, dass die Sprachbarrieren doch größer gewesen seien als erwartet und die fachliche Ausbildung etwas unter dem deutschen Standard gewesen sei. Im Vorfeld habe es mehrere Gespräche mit H gegeben; ua sei ihm ein Ausbildungsplatz angeboten worden zum Beheben seiner Defizite, um die Kündigung zu vermeiden.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21.10.2017 idG des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2020 verlangte der Beklagte von der Klägerin eine Rückzahlung iHv 3.494,40 EUR. Die Bewilligung sei mit der Auflage verbunden gewesen, H im Anschluss an den Förderzeitraum noch mindestens bis zum 14.02.2018 weiter zu beschäftigen. Gründe für einen Verzicht auf die Rückforderung bestünden nicht. Die Höhe der Rückforderung ergäbe sich aus dem Gesetz.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht München mit Gerichtsbescheid vom 29. September 2020 als unbegründet ab. Der Beklagte habe den Eingliederungszuschuss zu Recht zurückgefordert gemäß § 16 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB II iVm § 92 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III. Denn die Klägerin könne sich nicht auf eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht nach § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB III berufen. Die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung lägen nicht vor, da es hierfür an einer vorherigen Abmahnung fehle, die bei einer verhaltensbedingten Kündigung notwendig sei. Auch die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung lägen nicht vor; über sechs Monate scheine auch ein Arbeiten in englischer Sprache möglich gewesen zu sein. Soweit die Klägerin einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch behaupte, da der Beklagte auf Abweichungen im Sozialrecht von arbeitsrechtlichen Möglichkeiten nicht hingewiesen worden sei, wie zB die Unzulässigkeit einer Kündigung während der Probezeit oder der Notwendigkeit einer Abmahnung, sei eine solcher Anspruch nicht ersichtlich. Der Beklagte habe keine weitergehende Beratungspflicht hinsichtlich der Ausnahmen von der Rückforderungspflicht gehabt.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die Voraussetzungen des § 92 SGB III für eine Ausnahme von der Rückzahlungspflicht lägen vor. Die Klägerin habe aus per...

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