Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Einkommensermittlung. Verschiebung des Bemessungszeitraums. schwangerschaftsbedingte Erkrankung. Depression wegen Fehlgeburt in vorhergehender Schwangerschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Depression, die - ärztlich attestiert - durch eine Fehlgeburt ausgelöst wurde, ist eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung im Sinne von § 2b Abs 1 S 2 Nr 3 BEEG, die zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen kann.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.03.2017; Aktenzeichen B 10 EG 9/15 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts München vom 23.06.2014 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 09.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2013 für ihren am 04.04.2013 geborenen Sohn L. höheres Elterngeld unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums von Mai 2011 bis Januar 2012 sowie Dezember 2012 bis Februar 2013 zu gewähren.

II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), insbesondere, ob der Bemessungszeitraum wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung der Klägerin zu verlagern ist. Die Klägerin ist Mutter des am 4.4.2013 geborenen Kindes L. sowie des am 18.9.2009 geborenen Sohnes M. M..

Am 11.06.2013 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Elterngeld für L. Zu den Einkünften im Bemessungszeitraum gab sie an, im Zeitraum vom 01.06.2011 bis 24.03.2013 nichtselbstständig erwerbstätig gewesen zu sein, unterbrochen durch eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung im Zeitraum vom 22.02.2012 bis zum 03.09.2012, in dem sie Krankengeld bezogen habe. Im Zeitraum vom 04.09.2012 bis 30.11.2012 habe sie Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung Bund bezogen. Dem Antrag fügte sie ein ärztliches Attest der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. F. vom 03.06.2013 bei. Dr. F. führte aus, dass die Klägerin sich seit dem 08.12.2011 bei ihr in psychosomatisch-verhaltenstherapeutischer Behandlung befinde. Zuvor habe die Klägerin einen Abort erlitten. Nachdem bei der Klägerin bereits 2010 erstmalig eine Schwangerschaft abgegangen war, sei es nach dieser massiven Enttäuschung zu einer psychischen Dekompensation gekommen, zumal der Tod des Embryos erst nach vier Wochen festgestellt worden sei. Diagnostisch handele es sich um eine (reaktive) mittelgradige depressive Episode (F 32.1). Bei der leistungsorientierten und erfolgsverwöhnten Patientin sei eine längere Herausnahme aus dem beruflichen Umfeld sowie eine intensive psychotherapeutische und psychosomatische Behandlung sowohl ambulant wie auch stationär erforderlich gewesen, um eine Remission und eine Normalisierung der extremen vegetativen Anspannung zu erzielen. Erst ab dem 22.10.2012 habe mit einer Wiedereingliederung am Arbeitsplatz begonnen werden können. Vom 1.12.2012 bis 23.3.2013 erhielt die Klägerin Arbeitsentgelt, ab dem 24.3.13 bis 28.7.13 Mutterschaftsgeld iHv 13 € täglich sowie einen Arbeitgeberzuschuss iHv 46,94 € täglich.

Mit Bescheid vom 09.07.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin für antragsgemäß Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat (= Zeitraum 04.04.2013 bis 03.04.2014), wobei sich unter Anrechnung des bezogenen Mutterschaftsgeldes bzw. des Arbeitsgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld im ersten bis dritten Lebensmonat kein, im vierten Lebensmonat ein anteiliger Anspruch in Höhe von 106,02 € sowie ab dem fünften Lebensmonat Elterngeld in Höhe von 547,74 € monatlich ergab. Dabei legte der Beklagte als Bemessungszeitraum den Zeitraum April 2012 bis März 2013 zugrunde. Der Monat März 2013 sei wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld an sich aus der Bemessung auszunehmen, da die Klägerin jedoch in den Vormonaten zum Teil kein Einkommen gehabt habe, werde davon ausgegangen, dass sie auf die Ausklammerung verzichte, so dass sich ein höheres Elterngeld errechne. Eine Vorverlagerung wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung könne nicht erfolgen. Bei einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung handele es sich um eine Erkrankung, die auf eine bestehende oder vorangegangene Schwangerschaft zurückzuführen sei. Kausal für die Erkrankung der Klägerin und somit den Bezug von Kranken- und Übergangsgeld sei nicht die Schwangerschaft mit bzw. die vorangegangene Schwangerschaft, sondern die Ende 2011 erlittene Fehlgeburt. Das Bayerische Landessozialgericht habe mit Urteil vom 6.2.2013, L 12 EG 1/12, entschieden, dass Zeiten mit Einkommensverlust im Bemessungszeitraum, die als Folge einer zuvor bestehenden, aber durch eine Fehlgeburt beendeten Schwangerschaft lägen, keine Ausklammerung bedingen würden. Im hiergegen eingelegten Widerspruch verwies die Klägerin auf die ärztlich attestierte schwangerschaftsbedingte Erkrankung. Der Gesetzgeber habe durch die Ausklammerung der Monate mit schwangerscha...

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