Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten bei Ausbildungsförderung. Ablehnung eines Unterkunftskostenzuschusses bzw Darlehens. Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit Blick auf den Gesetzeszweck von § 7 Abs 5 SGB II, nämlich die Vermeidung einer versteckten Ausbildungsförderung im System des SGB II, kommt es nicht in Betracht, von den engen Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalls im Sinne von § 27 Abs 4 (hier: in der Fassung vom 20.12.2011), die vom BSG aufgestellt worden sind, abzuweichen und eine weitere Fallgruppe - wie etwa die Berücksichtigung anerkennenswerten Engagements und solidarischer Hilfeleistung im Familienkreis - anzuerkennen.

2. Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalls im Sinne von § 27 Abs 4 SGB II aF.

 

Orientierungssatz

Es sind vor allem arbeitsmarktbezogene Gründe, die einen besonderen Härtefall im Sinne des § 27 Abs 4 SGB 2 ausmachen können (vgl BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 9). Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R = FEVS 61, 104) sind drei Konstellationen maßgeblich:

Es besteht begründeter Anlass zu der Annahme, dass eine vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werden kann und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit droht, weil in einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entsteht, der nicht (mehr) durch BAföG, BAB oder andere Einnahmequellen gedeckt werden kann.

Eine bereits weit fortgeschrittene und bisher kontinuierlich betriebene Ausbildung ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet, wird aber in absehbarer Zeit zu Ende gebracht.

Eine durch BAföG förderungsfähige Ausbildung stellt objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt dar und der Berufsabschluss ist nicht auf andere Weise erreichbar.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 30. August 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf ergänzende Leistungen für Auszubildende gemäß § 27 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 15.05.2015 bis 31.03.2016 streitig.

Der 1991 geborene Kläger studiert an der Universität A-Stadt seit Herbst 2013 Informationsorientierte Betriebswirtschaftslehre. Dabei wohnte der Kläger bis Mai 2015 zunächst bei seiner Mutter und seinem Bruder in B-Stadt. Am 15.05.2015 zog der Kläger nach A-Stadt um und bewohnt seitdem dort (alleine) eine ca. 41 m² große Wohnung in der A-Straße. Im streitgegenständlichen Zeitraum hatte er dabei eine Warmmiete von 510,00 EUR monatlich zu zahlen.

Mit Schreiben vom 26.10.2017 teilte das Prüfungsamt der Universität dem Kläger mit, dass der Prüfungsausschuss der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät beschlossen habe, dem Kläger eine Fristverlängerung von zwei Semestern zu gewähren. Nach Mitteilung des Klägerbevollmächtigten erfolgte dies aufgrund der gesundheitlichen Probleme des Klägers; die Studienzeit sei nun bis 30.09.2018 verlängert.

Im streitgegenständlichen Zeitraum erhielt der Kläger Kindergeld (in Höhe von 184,00 EUR monatlich). Bis 31.03.2016 bezog er auch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in monatlicher Höhe von 597,00 EUR. Die Bewilligungsbescheide des Studentenwerks A-Stadt, Amt für Ausbildungsförderung vom 27.05.2015 und 17.09.2015 wiesen dabei einen Grundbedarf von 373,00 EUR und einen Wohnbedarf von 224,00 EUR aus.

Am 30.04.2015 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben seiner bevollmächtigten Mutter vom 31.05.2015 präzisierte er seinen Antrag dahingehend, dass er die Gewährung eines Zuschusses für Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die Übernahme der Mietkaution für seine Wohnung in A-Stadt, die Erstattung von Wohnungsbeschaffungs- bzw. Umzugskosten sowie die Übernahme von Schulden auf Darlehensbasis begehre.

Mit Bescheid vom 30.06.2015 versagte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2015, da der Kläger entgegen der Aufforderung des Beklagten nicht bis spätestens 26.06.2015 persönlich bei ihm vorgesprochen habe. Hiergegen erhob der Kläger über seine Mutter Widerspruch.

Mit drei Bescheiden vom 05.01.2016 lehnte der Beklagte die beantragten Leistungen auf einen Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft und Heizung, die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten und eine Schuldenübernahme ab; durch die Bescheide würde der Versagungsbescheid, so der Beklagte, vom 30.06.2015 abgeändert. Im Ablehnungsbescheid hinsichtlich des beantragten Zuschusses für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung legte der Beklagte dar, dass der Kläger Leistungen nach dem BAföG für Studenten (§ 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BAföG) erhalte; darin seien bereits die ...

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