Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Versicherungspflicht. abhängige Beschäftigung. Stöberhundeführer bei der Schwarzwilddrückjagd. Eingliederung in die Jagdorganisation. Weisungsgebundenheit gegenüber dem Jagdleiter und Revierwaldmeister. Abgrenzung zum Schweißhundeführer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Stöberhundeführer, der mit seinen eigenen Hunden an einer Schwarzwilddrückjagd teilnimmt, kann abhängig beschäftigt sein und deshalb Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung genießen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.09.2018; Aktenzeichen B 2 U 18/17 R)

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 22.01.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2014 werden aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 03.02.2013 ein Arbeitsunfall ist.

III. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Tätigkeit eines Stöberhundeführers bei einer Schwarzwilddrückjagd versicherungspflichtig im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist.

Am 03.12.2013 stolperte der Kläger, als er während einer Jagd seinen Hunden nacheilte, über einen auf dem Boden liegenden Baumstamm, und prallte mit dem Gesicht frontal gegen einen vor ihm stehenden Baum. Nach dem Durchgangsarzt (D-Arzt)-Bericht vom 03.12.2013 erlitt der Kläger dabei neben Weichteilverletzungen eine Mittelgesichtsfraktur sowie eine Fraktur des Orbitabodens.

Dabei handelte es sich um eine Schwarzwilddrückjagd, die von der Beigeladenen veranstaltet wurde. Daran war der Kläger nicht als Jagdgast beteiligt, sondern verrichtete sogenannte Treiberdienste. Er ist ausgebildeter Stöberhundeführer. Er war von der Beigeladenen damit beauftragt worden, mit seinen Stöberhunden Schwarzwild in den Dickungen aufzustöbern, heraus zu jagen und vor die Schützen zu bringen.

Der Kläger war dazu von der Jagdleitung der Beigeladenen angefordert worden und nahm mit zwei eigenen Hunden an der Jagd teil. Auch in anderen Jagdrevieren war er mit seinen Hunden als Treiber im Einsatz, ca. zehnmal im Jahr. Für die Beigeladene hatte er zuvor bereits einmal einen solchen Auftrag übernommen. Seinen Angaben zufolge war er dabei dem Jagdleiter und dem Revierwildmeister gegenüber weisungsgebunden. Er führte auch ein Jagdgewehr mit sich, war jedoch nicht befugt, als Jäger in die Jagd einzugreifen. Für den Kläger galt ein allgemeines Schießverbot, d. h. es wäre ihm nur in einer Notlage gestattet gewesen, einen Schuss abzugeben, zum Beispiel wenn er persönlich von Schwarzwild angegriffen worden wäre. Außerdem führte der Kläger ein Funkgerät mit sich, um kurzfristige Anweisungen entgegenzunehmen. Mit diesem Funkgerät rief er nach seinem Unfall um Hilfe. Er war gegenüber der Jagdleitung weisungsgebunden und befand sich auch bei dem Unfall innerhalb des ihm zugewiesenen Bezirks. Für seine Treibdienste erhielt der Kläger von der Beigeladenen eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 25 € für sich und 10 € je Hund, insgesamt also 45 € für die Teilnahme an der Jagd.

Die Jagd, bei dem der Unfall geschah, fand im O. E. statt. Das O. E. mit 2634 ha Größe wird von der Beigeladenen betrieben. Verantwortlich für das Jagen im Revier war der Berufsjäger M. M., der fest bei der Beigeladenen angestellt war.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19.02.2014 die Entschädigung des Unfalls vom 03.12.2013 mit der Begründung ab, dass es sich hierbei nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 08.07.2014 beim Sozialgericht (SG) Regensburg Klage erhoben.

Auf Fragen des Gerichts hat der Kläger erklärt, dass er seit ca. 4-5 Jahren als Stöberhundeführer tätig sei. Er werde von 2-3 Auftraggebern zu jährlich 5-10 Jagden aufgefordert. Die Unkostenpauschale liege zwischen 20 und 30 € pro Jagd. Der Grund, warum die Auftraggeber gerade ihn anforderten, liege darin, dass er über sehr gute, bekannte Hunde verfüge. Eine Bewerbung bei den Auftraggebern finde nicht statt. Das Einkommen werde nicht versteuert, weil es sich lediglich um Unkostenpauschalen handle. Beruflich sei der Kläger als selbstständiger Versicherungskaufmann tätig.

Weiter hat das SG den Fürstlichen Wildmeister der Beigeladenen, M. M., schriftlich befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 15.09.2014 unter anderem mitgeteilt, dass der Kläger bei der von ihm organisierten Jagd vom 03.12.2013 beauftragt war, mit seinen Hunden ausgedehnte Deckungskomplexe auf Schwarzwild zu durchstöbern und diese dann den abgestellten Jagdgästen zuzujagen. Er habe im weitesten Sinn Treiberdienste übernommen und sei nicht als Jagdgast geladen gewesen. Bei solchen Jagden würden stets mehrere Stöberh...

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