Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts. Höhe der Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr kann zunächst nur die Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Klageverfahren berücksichtigt werden, die ab dem im PKH-Bewilligungsbeschluss genannten Datum der Beiordnung erfolgt ist (vgl. zur alten Rechtslage LSG München, 3. Mai 2018, L 12 SF 233/15).

2. Dabei ist die Entscheidung des in der Sache zuständigen Spruchkörpers über den Umfang der Bewilligung von PKH und der Beiordnung für das gesamte Festsetzungsverfahren vorgreiflich und bindend. Eine inhaltliche Überprüfung und Korrektur dieser Entscheidung durch den für die Kostenfestsetzung zuständigen Spruchkörper ist nicht zulässig.

3. Die zeitliche Begrenzung durch die Bestimmung eines abweichenden Beiordnungszeitpunktes in § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG bezieht sich nur auf die bei der Gebührenfestsetzung zu berücksichtigenden Tätigkeit des Rechtsanwalts im Klageverfahren.

4. Bei der Bewertung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist unter Einbeziehung der anwaltlichen Tätigkeit im PKH-Bewilligungsverfahren aber die Erstellung der Klagebegründung zu berücksichtigen, wenn der Rechtsanwalt den Antrag auf PKH zeitgleich mit der Einreichung der Klageschrift samt Klagebegründung gestellt hat.

 

Normenkette

RVG §§ 2, 3 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1, § 16 Nr. 2, § 33 Abs. 3 Sätze 1, 3, Abs. 4 S. 3, Abs. 8 Sätze 1-3, § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 4 Sätze 1-2, § 55 Abs. 1 S. 1, § 56 Abs. 1, § 2 Sätze 1-3; SGG § 142 Abs. 2 S. 3

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 3. April 2018, S 28 SF 474/17 E, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein Verfahren vor dem Sozialgericht München. Streitig ist die Höhe der Verfahrens- und der Einigungsgebühr.

Im Ausgangsverfahren (S 19 AS 2323/16) erhoben die Erinnerungsführer zu 1) und Beschwerdegegner (Bg) am 4.10.2016 im Namen des Klägers Klage wegen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II und begründeten die Klage. Moniert wurde die Höhe anrechenbarer Kosten der Unterkunft. Mit Schreiben vom gleichen Tag beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter ihrer Beiordnung. Sie fügten dem PKH-Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sowie weitere Unterlagen bei und verwiesen zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf die Klagebegründung. In der Folgezeit bat der Kostenbeamte in mehreren Schreiben (13.1.2017, 15.2.2017, 14.3.2017, 11.4.2017 und 16.5.2017) um die Vorlage weiterer Unterlagen sowie Erklärungen zu einzelnen aus den Kontoauszügen ersichtlichen Buchungen. Die Anforderungen wurden jeweils innerhalb der gewährten Frist unter Einschaltung der Bg beantwortet.

Mit Beschluss vom 14.6.2017 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bg ab 2.6.2017 gewährt. In der mündlichen Verhandlung am 25.7.2017 (Dauer: 9.36 Uhr bis 11.11 Uhr für das hier zugrundeliegende sowie ein weiteres Verfahren des Klägers) schlossen die Beteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich.

Mit Schriftsatz vom 02.08.2017 machten die Bg folgende von dem Erinnerungsführer zu 2) und Beschwerdeführer (Bf) zu erstattende Kosten geltend:

Nr. 3102 VV RVG

300,00 €

Nr. 3106 VV RVG

280,00 €

Nr. 1006 VV RVG

300,00 €

Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

900,00 €

Nr. 7008 VV RVG

171,00 €

Gesamt

1.071,00 €

Abweichend hiervon setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung der Bg mit Beschluss vom 19.9.2017 auf 699,13 € fest:

Nr. 3102 VV RVG

200,00 €

Nr. 3106 VV RVG

210,00 €

Nr. 1006 VV RVG

200,00 €

Abzgl. Hälfte Beratungshilfe Nr. 2503 VV RVG

-42,50 €

Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

587,50 €

Nr. 7008 VV RVG

111,63 €

Gesamt

699,13 €

Es handele sich im vorliegenden Verfahren um einen Fall mit leicht überdurchschnittlicher Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, durchschnittlicher Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie weit unterdurchschnittlichem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Im Bewilligungszeitraum ab dem 2.6.2017 habe der Rechtsanwalt lediglich ein kurzes Schreiben an das Gericht übersandt. Vorherige Tätigkeiten könnten aufgrund des Wortlauts des Bewilligungsbeschlusses nicht berücksichtigt werden. Es sei von unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen. Das Haftungsrisiko wirke sich nicht erhöhend aus. Folglich handele es sich um ein eher unterdurchschnittliches Verfahren und begründe den Ansatz aller Gebühren unterhalb der Mittelgebühr. Die Verfahrensgebühr und folglich auch die Einigungsgebühr seien mit 200,- € sogar eher großzügig bewertet.

Hiergegen legten die Bg am 22.9.2017 Erinnerung ein. Die anwaltliche Tätigkeit umfasse die gerichtliche Interessenvertretung für ein Jahr seit Zustellung des angefochtenen Widerspruchsbescheids des Bekl...

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