Leitsatz (amtlich)

Bestimmt das Gericht im PKH-Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss einen von der PKH-Antragstellung abweichenden Zeitpunkt, erstreckt sich die Beiordnung nur auf die Tätigkeiten ab diesem Zeitpunkt. Diese zeitliche Begrenzung gilt auch für den Auslagenersatz (so auch Fölsch/Volpert in: Schneider/Volpert, AnwK RVG, § 46 Auslagen und Aufwendungen, Rn. 33).

Nimmt der Rechtsanwalt vor diesem im PKH-Beiordnungsbeschluss genannten Zeitpunkt Akteneinsicht und fertigt in diesem Zusammenhang Kopien, ist der Auslagenersatz für diese Kopien nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG nicht von der PKH-Bewilligung umfasst und daher nicht zu vergüten.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 28. April 2020, S 4 SF 28/20 E, sowie die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 14.06.2019 abgeändert. Die dem Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu erstattende Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG wird auf 0,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zu erstattende Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG).

In dem dem Kostenverfahren L 12 SF 140/20 zugrundeliegenden Verfahren aus dem Bereich der Krankenversicherung (S 4 KR 155/15) war streitig die Berechnung der Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung. Der Erinnerungsgegner und Beschwerdegegner (Bg) erhob für den Kläger am 28.05.2015 Klage und beantragte zugleich, dem Kläger unter Beiordnung des Bg Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der entsprechende vom Kläger ausgefüllte Antrag nebst Belegen werde nachgereicht.

In der Folgezeit stellte der Bg mehrere Fristverlängerungsanträge für die Begründung der Klage und nahm im Juli 2015 Akteneinsicht. Die Klagebegründung erfolgte mit Schriftsatz vom 29.09.2015. Mit Beschluss vom 24.06.2016 hat das SG dem Kläger PKH ab dem 17.06.2016 bewilligt und den Bg zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet. Der Rechtsstreit endete durch klageabweisendes Urteil vom 19.04.2017.

Der mit Schriftsatz vom 04.07.2016 beantragten Vergütungsfestsetzung in Höhe von 380,80 Euro (300,00 Euro Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sowie der Postpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro jeweils zuzüglich Umsatzsteuer) hat der Urkundsbeamte am 06.07.2016 stattgegeben und den Betrag (als Vorschuss) zur Auszahlung angewiesen.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2019 hat der Bg (erstmals) den Ansatz einer Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG (80 Seiten) in Höhe von insgesamt 35,11 Euro beantragt (29,50 Euro für 80 Seiten Fotokopien zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 5,61 Euro). Der Urkundsbeamte des Sozialgerichts Landshut setzte am 14.06.2019 diese Auslagen antragsgemäß fest und wies sie zur Auszahlung an.

Gegen die Festsetzung vom 14.06.2019 legte der Beschwerdeführer (Bf) mit Schreiben vom 13.03.2020 Erinnerung ein und beantragte die Festsetzung der PKH-Gebühren (nur Dokumentenpauschale) in Höhe von Null Euro. Die Akteneinsicht habe außerhalb des Beiordnungs- und Bewilligungszeitraumes bereits im Juli 2015 stattgefunden, sodass keine Erstattung von Kopierkosten erfolgen könne.

Das SG hat die Erinnerung mit Beschluss vom 28.04.2020 zurückgewiesen und die aus der Staatskasse zu erstattenden Fotokopierkosten auf 35,11 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Hinblick auf die gesetzliche Regelung von § 48 Abs. 4 RVG gehe die Kammer von einer differenzierten Betrachtungsweise aus und unterscheide Tätigkeiten in der Angelegenheit, für die die Beiordnung erfolgt sei gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG sowie von Tätigkeiten im Verfahren über die Prozesskostenhilfe gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 RVG. § 48 Abs. 4 Satz 1 und 2 RVG bestimmten eigenständig Besonderheiten in der Sozialgerichtsbarkeit zu Umfang des Anspruchs und der Beiordnung. Betreffend die gebührenauslösende Tätigkeit stelle § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG auf die Angelegenheit, für die die Beiordnung erfolgte sei, ab. § 48 Abs. 4 Satz 2 RVG hingegen regle die gebührenauslösende Tätigkeit in Zusammenhang mit der Tätigkeit im PKH-Verfahren. Stehe das Fertigen der Kopien als die gebührenauslösende Tätigkeit in Zusammenhang mit der Angelegenheit, für die die Beiordnung erfolgt sei, unabhängig von der Tätigkeit im PKH-Verfahren, so sei für die Vergütung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG der Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe bzw. der Beiordnung zu berücksichtigen. Stehe mit dem Fertigen der Kopien die gebührenauslösende Tätigkeit in Zusammenhang mit der Tätigkeit im PKH-Verfahren, so erfolge die Vergütung unabhängig vom Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe bzw. der Beiordnung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 RVG.

In einem sozialgerichtlichen Verfahren mit Betragsrahmengebühren werde die Klagebegründungsschrift, die mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei, dem PKH-Antrag beigefügt. Das Gericht ve...

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