Ärztliche Zweitmeinung vor Eingriffen an der Wirbelsäule

Patientinnen und Patienten, die vor bestimmten planbaren operativen Eingriffen an der Wirbelsäule stehen, haben künftig Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 16.9.2021 beschlossen.

Unabhängige und besonders qualifizierte Fachärztinnen und Fachärzte prüfen im Zweitmeinungsverfahren, ob die empfohlene Operation medizinisch notwendig ist, und beraten die Versicherten zu möglichen Therapiealternativen. Da jede Operation auch Risiken birgt, soll mit einer ärztlichen Zweitmeinung vermieden werden, dass sich Patientinnen und Patienten einem medizinisch nicht notwendigen Eingriff unterziehen. Mit dem Beschluss vom 16.9.2021 ergänzte der G-BA seine Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren (Zm-RL) um einen sechsten planbaren Eingriff.

Planbare Operationen an der Wirbelsäule

Zu den planbaren Operationen an der Wirbelsäule, für die das Zweitmeinungsverfahren greift, zählen die dynamische und statische Stabilisierung (Osteosynthese und Spondylodese), die knöcherne Druckentlastung (Dekompression), Facettenoperationen, Verfahren zum Einbringen von Material in einen Wirbelkörper, Entfernung von Bandscheibengewebe (Exzision) sowie das Einsetzen einer künstlichen Bandscheibe (Bandscheibenendoprothese).

Zusätzliche Unterstützung durch wissenschaftlich fundiertem und unabhängigem Informationsmaterial

Neben der ärztlichen Zweitmeinung sollen Patientinnen und Patienten bei ihrer Entscheidung auch mit wissenschaftlich fundiertem und unabhängigem Informationsmaterial unterstützt werden. Der G-BA beauftragte dazu das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), eine entsprechende Entscheidungshilfe zu entwickeln und in den kommenden Monaten auf der Website gesundheitsinformation.de/zweitmeinung bereitzustellen.

Erkenntnisse aus Innovationsfonds-Projekt berücksichtigt

Erstmals flossen in einen Beschluss des G-BA zur Zweitmeinung Erkenntnisse aus einem Innovationsfonds-Projekt mit ein. Das Projekt DEWI hatte in einer systematischen Analyse von Versorgungsdaten gezeigt, dass sich Hinweise auf eine Über- und Fehlversorgung mit Wirbelsäuleneingriffen und diagnostischen Verfahren beobachten lassen. So war für den Zeitraum 2006 bis 2016 bei bestimmen Operationen an der Wirbelsäule ein erheblicher Mengenzuwachs zu verzeichnen, mit deutlichen regionalen Unterschieden, die sich nicht aus einer höheren Krankheitslast ableiten lassen. Diese Indikationen wurden bei der Auswahl der Wirbelsäuleneingriffe mitberücksichtigt.

Zweitmeinungsgebende Fachärztinnen und Fachärzte

Eine Zweitmeinung vor einem Eingriff an der Wirbelsäule können Fachärztinnen und Fachärzte folgender Fachrichtungen abgeben:

  • Orthopädie und Unfallchirurgie
  • Orthopädie
  • Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie
  • Neurochirurgie
  • Physikalische und Rehabilitative Medizin
  • Neurologie
  • Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Anästhesiologie (jeweils mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“)

Ambulant oder stationär tätige Ärztinnen und Ärzte können nach Inkrafttreten des Beschlusses bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eine Genehmigung als Zweitmeiner beantragen und die Leistung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen anbieten.

Versicherte werden zweitmeinungsberechtigte Ärztinnen und Ärzte über die Website des ärztlichen Bereitschaftsdienstes www.116117.de/zweitmeinung finden können.

Inkrafttreten

Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Er tritt nach Nichtbeanstandung durch das BMG und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

G-BA

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