Zu den Verkehrspflichten der Führer von Elektrokleinstfahrzeugen

Die sich aktuell rasch verbreitenden Elektrokleinstfahrzeuge kommen immer häufiger mit Fußgängern auf Kollisionskurs. Dann stellt sich die Frage, wer auf wen Rücksicht nehmen muss und wie es bei Unfallfolgen mit der Haftung aussieht. Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordung nimmt die Führer von Elektrokleinstfahrzeugen streng in die Pflicht. 

Im vorliegenden Fall stieß eine Segway-Fahrerin mit einem Fußgänger zusammen. In der offensiven Rolle des Klägers: Die Segway-Fahrerin, die sich beim Sturz von ihrem Elektrofahrzeug verletzte.

Unfall auf kombiniertem Geh- und Radweg

Unterwegs waren beide auf einem kombinierten Geh- und Radweg. Der beklagte Fußgänger war gerade dabei, Fotos zu schießen. Dabei ging er ein paar Schritte rückwärts und stieß mit der Segway-Fahrerin zusammen. Bei dem Sturz verletzte sich die Segway-Fahrerin erheblich. Zudem erlitt sie Folgeerkrankungen aufgrund des Sturzes. Von dem Fußgänger verlangte sie unter anderem die Zahlung von Schmerzensgeld.

Segway-Fahrerin hatte Unfall selbst verschuldet - Fußgänger haben auf dem Fuß- und Radweg Vorrang

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, die klagende Segway-Fahrerin habe den Unfall verschuldet, weil sie auf den Fußgänger nicht genug Rücksicht genommen und dadurch ihre Pflichten als Fahrzeugführerin erheblich verletzt habe. Vor diesem Hintergrund scheide eine eine Haftung des beklagten Fußgängers aus.

Das OLG Koblenz bestätigte die Entscheidung. Das OLG verwies auf die Gesetzeslage - § 11 Abs. 4 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordung (eKFV) ­ nach der der Fußgänger auf dem kombinierten Fuß- und Radweg absoluten Vorrang gegenüber der Segway-Fahrerin gehabt habe.

§ 11 Abs. 4 eKFV:

Wer ein Elektrokleinstfahrzeug auf Radverkehrsflächen führt, muss auf den Radverkehr Rücksicht nehmen und erforderlichenfalls die Geschwindigkeit an den Radverkehr anpassen. Wer ein Elektrokleinstfahrzeug führt, muss schnellerem Radverkehr das Überholen ohne Behinderung ermöglichen. Auf gemeinsamen Geh- und Radwegen (Zeichen 240 der Anlage 2 zur StVO) haben Fußgänger Vorrang und dürfen weder behindert noch gefährdet werden. Erforderlichenfalls muss die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr angepasst werden.

Worauf sich Fußgänger verlassen dürfen

Welche Rechten und Pflichten haben Fußgänger auf einem Fuß- und Radweg

Ein Fußgänger muss sich nicht fortwährend nach anderen Verkehrsteilnehmern umdrehen, die ebenfalls den Weg befahren dürfen. Er kann darauf vertrauen, dass andere Verkehrsteilnehmer, die den Weg befahren, auf ihn Acht geben und ihre Fahrweise und die Geschwindigkeit anpassen.

Vorgaben für Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen

Für die Fahrerin des Segways galten laut Gericht folgende Anforderungen:

Sie hätte durch Warnsignale rechtzeitig auf sich aufmerksam machen und sicherstellen müssen, dass diese Warnsignale auch von dem Fußgänger wahrgenommen werden. Hierzu sei es erforderlich gewesen eine Verständigung mit dem Fußgänger zu suchen, entweder über Blickkontakt oder auf andere Weise. Wenn ein Fußgänger nicht auf derartige Signale achte, müsse ein Fahrer eines Elektrokleinstfahrzeugs dieses anhalten, falls nur so eine Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers vermieden werden könne.

Fazit des Gerichts: Die Segway-Fahrerin war ihren erhöhten Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen. Schließlich sei sie auch nach ihrem eigenen Vortrag nicht sicher gewesen, dass der Fußgänger sie wahrgenommen habe. Sie treffe ein so hohes Verschulden am Zustandekommen des Unfalls, dass ein etwaiges Mitverschulden des Beklagten (unachtsames Rückwärtsgehen) zurücktrete.

(OLG Koblenz, Beschluss v. 16.04.2019, 12 U 692/18).

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Hintergrund:

Nach § 1 Abs. 2 StVO hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Die „ElektrokleinstfahrzeugeVO“ gilt für 

  • elektrische Tretroller,
  • E-Scooter,
  • Segways,
  • Hoverboards
  • und E-Skateboards.

Sie habe grundsätzlich Fahrradwege zu benutzen, gegebenenfalls auch kombinierte Rad/Gehwege. Sind keine Fahrradwege vorhanden ist die Nutzung der öffentlichen Straße gestattet. Gemeinsam ist diesen Fahrzeugen die Emissionsfreiheit beim Betrieb.

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Mitverschulden