Ukraine-Krieg: Handlungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen

Die EU hat seit dem 23.2.2022 harte Sanktionen gegen Russland beschlossen. Sie gehen weit über die bereits seit dem Jahr 2014 von der EU – insbesondere nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland – beschlossenen Sanktionen hinaus.

Überblick über die wesentlichen Sanktionen

Die wesentlichen Sanktionen sind:

  • Sanktionslisten: Es wurden zum einen gezielt Sanktionen gegen bestimmte Personen und Personengruppen erlassen. Das betrifft u. a. solche der russischen Regierung oder des Militärs, sämtliche Mitglieder der russischen Staatsduma und verschiedene Oligarchen. Insbesondere gehen damit Reiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten und Verbote der Bereitstellung von Geldern einher.
     
  • Donezk und Luhansk: Grundsätzlich gelten für Waren mit Ursprung aus den Gebieten Donezk und Luhansk Einfuhrverbote in die EU. Verboten sind zudem, sofern keine Ausnahme greift, (indirekte oder direkte) Bereitstellungen von Finanzmitteln oder -hilfen sowie (Rück-)Versicherungen im Zusammenhang mit der Einfuhr solcher Waren. Darüber hinaus bestehen mit Blick auf bestimmte Wirtschaftszweige (Verkehr, Telekommunikation, Energie, Prospektion, Exploration und Förderung von Öl-, Gas- und Mineralressourcen) Investitionsbeschränkungen sowie Ausfuhr- und Handelsbeschränkungen für bestimmte Güter und Technologien (Anhang II der VO 2022/263 vom 23.02.2022). Auch gilt ein Verbot der Erbringung von u. a. touristischen Dienstleistungen.
     
  • Finanzsanktionen: Zudem wird Russland über die Sanktionen der Zugang zu den Kapital- und Finanzmärkten erschwert. Die Finanzsanktionen betreffen mittlerweile ungefähr 70% des russischen Bankenmarkts. Insbesondere ist hier der Teilausschluss aus dem Zahlungsdienstleistungssystems SWIFT oder Sanktionen gegen die russische Zentralbank (z.B. das Einfrieren von Vermögenswerten derselben) zu nennen. Zudem sind Transaktionen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Devisenreserven sowie von Vermögenswerten der russischen Zentralbank, einschließlich Transaktionen mit juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung der russischen Zentralbank handeln, verboten.
     
  • Sektorbezogene Einschränkungen: Ferner bestehen erweiterte Handels-/Ausfuhrbeschränkungen oder -verbote bezogen auf bestimmte Güter und Technologien. Hierunter fallen z. B. solche zur militärischen Nutzung, zur Nutzung für die Luft- und Raumfahrtindustrie, zur Modernisierung von Ölraffinerien, Halbleiter oder dual-use-Güter.
     
  • Luftraum: Die EU hat zudem die Schließung des Luftraums für russische Flugzeuge beschlossen.  

In Abstimmung mit der EU haben auch andere Länder, wie z.B. die USA, Großbritannien etc., Sanktionen gegen Russland verhängt, die im Kern aber die gleichen Institutionen und Personen treffen. Es ist künftig aber nicht ausgeschlossen, dass tlw. weitergehende Sanktionen durch die USA oder Großbritannien als durch die EU verhängt werden.

Handlungsmöglichkeiten deutscher Unternehmen

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Sanktionen gegen Russland ist den in Deutschland bzw. in der EU ansässigen Unternehmen zu empfehlen, ihre Geschäftsbeziehungen mit russischen Vertragspartnern dringend zu überprüfen.

  1. Sofern Geschäftsbeziehungen mit Partnern aus Russland bestehen, sollten die entsprechenden Vertragspartner zunächst mit den aktuell gültigen Sanktionslisten (vor allem mit denjenigen der EU und der USA) abgeglichen werden. Denn ein Sanktionslistentreffer – der dann auf tatsächliche Übereinstimmung mit der sanktionierten Person zu prüfen ist - kann unter Umständen die Folge haben, dass mit dem betroffenen Vertragspartner gegenwärtig keine Geschäfte abgeschlossen oder vollzogen werden dürfen. Im Fall, dass es sich bei den russischen Vertragspartnern um Unternehmen handelt, ist darüber hinaus unbedingt zu empfehlen, auch die Geschäftsleiter und wirtschaftlich Berechtigten (ultimate beneficial owner – UBO) eines solchen Unternehmens mit den Sanktionslisten abzugleichen.
     
  2. Für den Fall eines Sanktionslistentreffers oder wenn die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen einem sanktionierten Industriesektor unterfallen, sollten die damit einhergehenden Konsequenzen genau überprüft werden.

    Vor Abschluss dieser Überprüfung ist nicht zu empfehlen, neue Aufträge vorschnell anzunehmen bzw. neue Verträge abzuschließen. Denn für Verstöße gegen Sanktionsregelungen sind nach deutschem Recht Bußgelder oder Haftstrafen denkbar, auch drohen Ausschlüsse von Vergabeverfahren oder auch durch andere Kunden und Lieferanten.

    Bei bestehenden (Rahmen-)Verträgen mit russischen Vertragspartnern kommt es für die Handlungsmöglichkeiten auf die jeweiligen vertraglichen Regelungen an. Zunächst sollte geprüft werden, ob spezielle Klauseln für den Fall von nach dem Vertragsabschluss ergangenen Sanktionsregelungen vorliegen. In der Regel gehen damit dann außerordentliche Kündigungs-/Aussetzungsmöglichkeiten einher. Auch eine im Vertrag mit aufgenommene Force-Majeure-Klausel (höhere Gewalt) könnte – je nach Inhalt dieser Klausel – ein Recht begründen, den vertraglichen Pflichten für die Zeit der Geltung der einschlägigen Sanktionsregelungen oder für die Zeit des Ukraine-Krieges nicht nachzukommen oder den Vertrag entsprechend anzupassen (Vorkasse, andere Teilung des Transportrisikos). Sollten solche speziellen Klauseln im Vertrag nicht vorzufinden sein, ist nach deutschem Recht eine Anwendung der Grundsätze des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ denkbar, wonach ebenfalls Kündigung, Aussetzung und Anpassung der Konditionen denkbar sind.
     
  3. Anders liegt dagegen der Fall, wenn ein deutsches Unternehmen durch die Sanktionsregelungen nicht daran gehindert wird, abgeschlossene Verträge zu erfüllen. Dies kann vornehmlich darauf beruhen, dass der Vertragspartner auf keiner Sanktionsliste steht oder weil die zu liefernden Produkte den sanktionierten Industriesektoren nicht unterfallen. Hier ist eine vorsorgliche Einstellung einer Belieferung der russischen Kunden bei bereits bestätigten Bestellungen insbesondere dann mit Vorsicht zu genießen, wenn der Vertrag Vertragsstrafen enthält.

    Eine Anpassung des Vertrages nach den oben beschriebenen Grundsätzen bleibt aber möglich. Aufgrund des benannten SWIFT-Ausschlusses und drohender Zahlungsverzögerungen ist dringend zu empfehlen, Vorkasse zu verlangen. Darüber hinaus weigern sich einige Logistik-Dienstleister, Waren nach Russland zu liefern. Daher sollte versucht werden, das Transportrisiko generell auf den Kunden abzuwälzen. Zu empfehlen sind die Incoterms-Regelungen EXW oder FCA Deutschland.
     
  4. In Rahmenverträgen ist darauf zu achten, ob der Verkäufer das ausdrückliche Recht hat, neue Bestellungen abzulehnen. Zu prüfen sind darüber hinaus die ordentlichen/außerordentlichen Kündigungsmöglichkeiten. Auf Grund der ständigen Änderungen der Sanktionen sind Unternehmen gut beraten, die aktuelle Rechtslage stetig zu verfolgen.
Schlagworte zum Thema:  Krieg in der Ukraine, Sanktion, Finanzen, EU-Recht, Vertrag