Fehlerhafte Widerrufsbelehrung erlaubt Rücktritt vom Autokredit- und Kaufvertrag
Mit dem so genannten "Widerrufsjoker" haben sich vor Jahren schon viele Bauherren aus ihrer Baufinanzierung verabschiedet, als die gesunkenen Zinsen ihnen günstigere Finanzierungen ermöglichten. Nun hat diese Instrument sich durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil als Möglichkeit qualifiziert, sich vom abgasmanipulierten Diesel zu trennen.
Rückabwicklung des Autofinanzierungs- und -kaufvertrags nach 1 ½ Jahren
Aufgrund ihrer fehlerhaften Widerrufsbelehrung musste die beklagte Mercedes-Bank den Darlehens- sowie den damit verbundenen Kaufvertrag über einen Mercedes C 250d rückabwickeln. Zwischen Aufnahme des Kredits am 27.9.2016 und Widerruf am 2.2.2018 liegen 1 ½ Jahre, in denen der Besitzer fast 52.000 Kilometer mit dem Auto gefahren ist.
Eine Rückabwicklung, die sich für den Kunden lohnt
45.600 Euro Kredit hatte der Kunde für den Autokauf bei der Mercedes Bank aufgenommen. Mit dem Fahrzeug war alles in Ordnung, bis auf die Tatsache, dass es sich um ein Dieselfahrzeug handelt. Für Diesel neuerdings gesperrte Straßenzüge und Nachrichten über Abgaswerte-Schummeleien mögen dazu geführt haben, dass den Kunden seine Kaufentscheidung reute.
- Er wurde ab seiner Widerrufserklärung von der Raten- und Zinszahlung befreit und
- bekam seine bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Raten zurück
- abzüglich einer Nutzungsentschädigung von rund 9.000 Euro; dies alles
- im Austausch gegen den Mercedes.
Übergabe der Darlehensbedingungen konnte nicht nachgewiesen werden
Was hat die Bank falsch gemacht? In diesem Fall hat sie möglicherweise vergessen, dem Darlehensnehmer die Darlehensbedingungen auszuhändigen. Vielleicht hat der Kunde sie aber auch erhalten. Zumindest hat er eine entsprechende Empfangsbestätigung unterschrieben. Deren Beweiskraft bezieht sich aber grundsätzlich nicht auf die inhaltliche Richtigkeit.
Da der Kreditnehmer bestritt, die Bedingungen erhalten zu haben, ist das Gericht in die Beweiswürdigung eingestiegen. Der als Zeuge befragte Mitarbeiter konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er ganz sicher das umfangreiche Kundenexemplar des Vertrages verschickt hatte oder versehentlich zweimal das Bankenexemplar, bei dem die Darlehensbedingungen nicht explizit ausgeführt sind.
Widerrufsfrist läuft nicht bzw. ist unendlich
Konsequenz des möglichen Versäumnisses war, dass die Widerrufsfrist, die üblicherweise 14 Tage beträgt, nicht in Gang gesetzt wurde. Der Mercedes-Fahrer konnte so den Finanzierungsvertrag nach 1 ½ Jahren noch wirksam widerrufen mit der Folge der Rückabwicklung. Da es sich um ein verbundenes Geschäft handelte, traf den Kaufvertrag das gleiche Schicksal. Denkbar ist ein Widerruf bei unwirksamer Widerrufsbelehrung sogar noch zehn Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrags und vollständiger Rückzahlung der Darlehenssumme (LG Stuttgart, Urteil v. 9.4.2015, 12 O 293/14).
Hohe Anforderungen an Widerrufsbelehrungen führen schnell zu Fehlern
Jeder Fehler in der Widerrufsbelehrung kann diese für die betroffene Bank katastrophalen Folgen haben, v.a. wenn es sich rumspricht. Die gesetzlichen Anforderungen sind hoch und die Rechtsprechung gnadenlos. So hatte das LG Stuttgart in einem parallel gelagerten Fall einen Widerruf nach drei Jahren für wirksam erachtet, weil die Regelung zum Sollzins widersprüchlich formuliert war (LG Stuttgart, Urteil v. 21.9.2018, 25 O 73/18).
(LG Stuttgart, Urteil v. 22.11.2018, 25 O 119/18).
Anmerkung:
Ständige Überwachung der Bedingungen und Mitarbeiterschulungen ratsam
Nicht nur die Mercedes Bank, sondern alle Unternehmer und Finanzierer, insbesondere verbundener Verträge sollten ihre Darlehensbedingungen schleunigst auf den allerneuesten wirksamen Stand bringen und ihre Mitarbeiter schulen, damit ein Fehler wie in diesem Fall nicht wieder unterläuft. Für alle bisherigen Verträge muss die Bank hoffen, dass der Fall des LG Stuttgart nicht die ganz große Runde macht.
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Hintergrund:
Die Rechtsunsicherheit ist groß
Ein klärendes Wort des BGH wäre in Sachen Diesel durchaus wünschenswert gewesen. Die Rechtsprechung zu abgasmanipulierten Dieselfahrzeugen führte zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und erwies sich auch als Armutszeugnis für die Rechtsprechung.Im Zusammenhang mit dem Dieselskandal steht auch eine Verbraucherklage, die es den Dieselkäufern erleichtern soll, ihre Gewährleitungsansprüche durchzusetzen:
Musterfeststellungsklagen
Die Musterfeststellungsklage als neue Verbraucherschutzklage steht seit dem 1.11.2018 zur Verfügung.
Noch in der Nacht zum 1. November reichten der vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband) mit dem ADAC Klage gegen die VW AG beim OLG Braunschweig ein.
- Diese Klage entwickelte sich mittlerweile zum einem Shootingstar in Sachen Akzeptanz durch Registrierung.
- Verbraucher hatten offensichtlich auf die neue Klageform gewartet
- und die zum Jahresende drohende Verjährung von Ansprüchen befeuerte die Eintragung in das Klageregister noch zusätzlich.
Das Gesetz wurde zeitlich extra forciert, um die Position vom Diesel-Käufern zu stärken, deren Ansprüche Ende 2018 zu verjähren drohen. Seit dem 27. November konnten sich Dieselkäufer online beim Bundesamt für Justiz (BfJ) in einem Anmeldeformular ins Klageregister eintragen lassen.
Auch eine Musterfeststellungsklage gegen die Mercedes Benz Bank AG ist mittlerweile anhängig.
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