Unfall nach Fahrbahnwechsel: Wer haftet?

Mit einem plötzlichen Fahrbahnwechsel müssen Verkehrsteilnehmer immer rechnen. Wer nicht auf der Hut ist, handelt sich bei einem Unfall ganz schnell eine Mitschuld ein.

Es gehört zum Alltag im Straßenverkehr: Ein Autofahrer hat sich vor einer Ampel falsch eingeordnet und wechselt deshalb kurzerhand die Spur.

Kommt es zu einem Unfall, stellt sich die Frage nach der Schuld bzw. Schuldverteilung. Im vorliegenden Fall hatte ein Porsche-Fahrer sich vor einer Ampel auf einer Rechtsabbieger-Spur eingeordnet. Als er merkte, dass dies falsch war, setzte er seinen Wagen kurzerhand leicht quer in eine kleine Lücke vor einem Lkw.

Im toten Winkel

Als der Verkehr weiterfloss, fuhr der Lkw auf den Porsche auf. Er hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt. Der klagende Porsche-Fahrer erhielt vom OLG Hamm die Hauptschuld zugesprochen. Angesichts der Größenunterschiede der beiden Fahrzeuge hätte er damit rechnen müssen, in den toten Winkel des Lkw einzufahren, urteilte das Gericht.

Fehlender Blickkontakt

Der Porsche-Fahrer hätte den Fahrstreifen unter den gegebenen Umständen nur wechseln dürfen, wenn er sich vorher mit dem beklagten Lastwagenfahrer verständigt, also beispielsweise Blickkontakt aufgenommen hätte. Dies hatte der Porsche-Fahrer nicht gemacht.

Den beklagten Lkw-Fahrer trifft allerdings eine Mitschuld. Zwar dürfen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Fahrstreifen nicht gewechselt werden, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 StVO nicht gegeben sind: “In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.“

Mit abruptem Fahrbahnwechsel muss immer gerechnet werden

Allerdings muss auch der nachfolgende Verkehr die vor und nebenan fahrenden Fahrzeuge ständig beobachten und mit einem plötzlichen Fahrtstreifenwechsel rechnen. Ein naheliegender Grund dafür besteht darin, dass ein Ortsunkundiger zu spät erkennt, in welcher Richtung er weiterfahren kann oder muss.

Der Lkw-Fahrer hätte sich deshalb mittels des zusätzlich vorhandenen Spiegels vergewissern müssen, ob sich vor dem Lkw ein Fahrzeug befand und die Gefahr einer Kollision drohte.

Der Senat sah die Verursachungsbeiträge des Porsche-Fahrers bei 70 Prozent. 30 Prozent Mitschuld erhielt der Lkw-Fahrer.

(OLG Hamm, Urteil v. 30.10.2012, I-9 U 5/12)

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