„rechts vor links“- Vorfahrtsregel missachtet - volle Haftung

Die entwickelten Haftungsgrundsätze zur „halben Vorfahrt“ sehen grundsätzlich auch eine Haftung des Vorfahrtsberechtigten in Höhe der einfachen Betriebsgefahr vor, wenn sich der Unfall in einem Kreuzungsbereich mit „rechts vor links“ ereignet hat. Diese Regelung gilt jedoch nicht bei gut einsehbaren Kreuzungen, urteilte das KG Berlin.

In dem vom Kammergericht Berlin zu entscheidenden Fall stritten die Parteien um Schadenersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 12. Dezember 2014. Der Geschäftsführer der Klägerin übersah an einer „rechts vor links“ -  Kreuzung den vorfahrtsberechtigten Beklagten, wodurch es zu dem Unfall kam. Die Klägerin machte daraufhin Schadenersatzansprüche geltend, mit der Begründung, dass die Haftungsgrundsätze zur „halben Vorfahrt“ anzuwenden seien. Der Unfall wäre vermieden worden, wenn sich der Beklagte nur mit mäßiger Geschwindigkeit dem Kreuzungsbereich genähert hätte, so die Klägerin.

KG Berlin: Anteilige Haftungsquote verneint

Das KG Berlin wies die Klage ab und führte hierzu in seinem Urteil aus: Grundsätzlich dürfe ein Vorfahrtsberechtigter darauf vertrauen, dass der Wartepflichtige auf der gesamten Straßenbreite seine Vorfahrt beachte. Dieser Grundsatz, dass der Wartepflichtige in der Regel voll hafte, werde zwar an Kreuzungen mit der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ eingeschränkt. Die von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsgrundsätze zur „halben Vorfahrt“ seien aber auf vorliegenden Unfall nicht anwendbar. Diese gelten nur für schlecht einsehbare Kreuzungen. Hier dürfe sich der „halb“ Vorfahrtsberechtigte der Kreuzung nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern, da auch er seinerseits den rechts Kommenden Vorfahrt zu gewähren habe.

Übersichtliche Kreuzung: Haftungsgrundsätze zur „halben Vorfahrt“ nicht anwendbar 

Komme es dann zu einem Unfall mit einem Wartepflichtigen, weil der Vorfahrtsberechtigte mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in eine solche Kreuzung einfahre, hafte der Vorfahrtsberechtigte gegebenenfalls mit der einfachen Betriebsgefahr. Könne der „halb“ Vorfahrtsberechtigte die von ihm rechts einmündende Straße jedoch rechtzeitig und weit genug einsehen, sei für ihn die Lage ebenso übersichtlich, als wenn er eine Vorfahrtsstraße befahre, so das Berliner Gericht. Daher dürfe er, wie im vorliegenden Fall, ohne Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in einen solchen Kreuzungsbereich hineinfahren.

(KG Berlin, Urteil v. 21.09.2016, 29 U 45/15)    

 

Übrigens: Auch bei Fahrradfahrern gilt die Vorfahrtsregel "rechts vor links".

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