Dashcam überführt Unfallverursacher – ist das zulässig?

Dürfen Dashcam-Aufzeichnungen zur Klärung eines Unfallhergangs herangezogen werden? Oder wird dadurch unzulässig in die Intim- oder Privatsphäre des Gefilmten eingedrungen? Das OLG Nürnberg gab der Aufklärung den Vorrang.

Ein Lkw-Fahrer fährt auf der Autobahn hinten links auf einen Pkw auf. Doch wer ist schuld an dem Unfall? Die beiden Beteiligten schildern den Sachverhalt komplett konträr.

Der klagende Autofahrer behauptet, er habe verkehrsbedingt abgebremst. Der Fahrer des Lkw sei auf ihn aufgefahren, weil er zu schnell unterwegs gewesen sei und zu wenig Abstand gehalten habe.

Unfallhergang komplett unterschiedlich dargestellt

Laut Schilderung des Lkw-Fahrers dagegen hat sich die Unfallsituation komplett anders dargestellt. Der vor ihm fahrende Pkw-Fahrer sei von der linken zuerst auf die mittlere und dann auf die rechte Spur gewechselt. Dort habe er dann abrupt stark abgebremst und sei stehen geblieben.

Das Besondere an dem Fall: Der Lkw-Fahrer hatte auf seinem Armaturenbrett eine Dashcam, also eine Videokamera, installiert. Mit der hatte er den vor ihm fließenden Verkehr aufgenommen. Nach Sichtung der Aufnahmen kam der Sachverständige zu dem Schluss, dass die Ausführungen des Lkw-Fahrers der Wahrheit entsprachen.

Sachverständiger: Ohne Dashcam wäre keine Beurteilung möglich gewesen

Brisant dabei: Der Sachverständige gab zu, dass er ohne die Verwertung der Bilder nicht hätte entscheiden können, welche der beiden Darstellungen des Unfallhergangs der Realität entsprochen hätten.

Schon vor dem LG Regensburg hatte der klagende Pkw-Fahrer die Auffassung vertreten, dass die Aufzeichnungen der Dashcam nicht verwertet werden dürften. Dies stelle einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar.

Gericht sieht kein Verwertungsverbot der Videoaufnahmen

Das LG Regensburg hatte die Klage bereits abgewiesen. Und auch in der nächsten Instanz konnte sich der Pkw-Fahrer nicht durchsetzen. Das OLG Nürnberg entschied, dass das LG Regensburg in seinem Urteil zu Recht die Dashcam-Aufzeichnungen zu Grunde gelegt hat.

Ein Verwertungsgebot ergebe sich weder aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch aus dem Kunsturheberrecht oder aus datenschutzrechtlichen Normen.

Im Einzelnen argumentierte das Gericht wie folgt:

  • Durch die Aufzeichnung werde weder in die Intim- noch in die Privatsphäre des Pkw-Fahrers eingegriffen;
  • das Interesse des Pkw-Fahrers bestehe zweifelsohne darin, dass sein im öffentlichen Verkehrsraum stattfindendes Verhalten nicht für einen kurzen Zeitraum dokumentiert werde;
  • dem stehe das Interesse des Beklagten gegenüber, nicht auf der Grundlage unwahrer Behauptungen zu Unrecht verurteilt zu werden;
  • im vorliegenden Fall habe das Interesse des Beklagten Vorrang gegenüber dem sehr geringfügigen Eingriff in die Interessen des Unfallgegners, dass sein Verhalten nicht dokumentiert werde.

Ein Verwertungsverbot ergibt sich laut Einschätzung des Gerichts auch nicht dadurch, dass neben dem Pkw-Fahrer in der Unfallsituation auch Dritte durch die Dashcam aufgezeichnet wurden. Begründung des Gerichts: Es gehe in dem Zivilprozess ausschließlich um die Verwertung der für den Unfallhergang relevanten Sequenzen.

Nicht mit Videoüberwachung oder Telefonmitschnitten vergleichbar

Auch eine Analogie zur Videoüberwachung oder zum Mitschnitt von Telefonaten sah das Gericht in den Videoaufnahmen nicht, da sich die Aufnahmen nicht gezielt gegen einzelne Personen richteten.

Schließlich lasse sich auch kein Verwertungsverbot aus dem Kunsturheberrecht ableiten, da die Aufzeichnungen die Person des Pkw-Fahrers nur schemenhaft abbildeten.

Fazit des Gerichts: Die Aufzeichnungen dürfen verwertet werden. Die Schadensersatzansprüche kann der Auto-Fahrer abschreiben.

(OLG Nürnberg, Beschluss v. 10.08.2017, 13 U 851/17)

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