Dashcam-Aufnahmen dürfen bei Bußgeldverfahren genutzt werden

Im Streit um die Verwertbarkeit von Videoaufnahmen, die mittels digitaler Armaturenbrett-Kameras angefertigt werden, hat jetzt erstmalig ein Oberlandesgericht eine Entscheidung gefällt und die Verwertbarkeit dieser Aufzeichnungen für zulässig erachtet. Bei Datenschützern stößt das Urteil auf Ablehnung.

In den letzten Jahren hatten sich schon mehrfach bundesdeutsche Amtsgerichte mit der Frage beschäftigen müssen, ob Aufnahmen, die Autofahrer mit sogenannten Dashcams während der Fahrt machen, als Beweismittel zulässig sind oder nicht. Dabei zeichnet sich bislang keine einheitliche Tendenz ab, denn mal wurden derartige Aufnahmen als unerlaubter Eingriff in die Persönlichkeitsrechte abgelehnt, mal wurden sie zugelassen.

Verwertbar?

Mit dem OLG Stuttgart hat sich jetzt erstmals ein Oberlandesgericht mit dieser Problematik auseinandergesetzt und ist zu dem Urteil gekommen, dass eine solche Aufnahme in einem Bußgeldverfahren als Beweismittel verwendet werden darf.

  • In dem konkreten Fall ging es um einen Verkehrssünder, der eine rote Ampel missachtet hatte, nachdem die Rotphase bereits mehr als eine Sekunde gedauert hatte.
  • Bereits im erster Instanz hatte das Amtsgericht Reutlingen den Fahrer zu einer Geldbuße von 200 EUR und einem Monat Fahrverbot verurteilt
  • und dabei eine Dashcam-Aufnahme eines anderen Autofahrers als Beweismittel genutzt, der den Vorfall aufgezeichnet hatte.

Gegen diese Verurteilung hatte der Betroffene Berufung eingelegt.

Grundrechts-Eingriff

Ebenso wie das Amtsgericht Reutlingen kam das OLG Stuttgart nun jedoch zu dem Urteil, dass die Aufnahme als Beweismittel genutzt werden darf, selbst wenn einiges dafür spräche, dass sie gegen die Vorgaben des Art. 2 GG verstoße  und einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen darstelle.

Allerdings sehe der § 6b BDSG vor, dass Aufzeichnungen dann erlaubt seien, wenn mit ihnen berechtigte Interessen für konkret festgelegte Zwecke gewahrt werden sollen und die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen.

Verkehrssicherheit toppt Persönlichkeitsrecht?

In ihrer weiteren Begründung führten die Richter auch folgende Argumente an:

  • Die Verkehrsüberwachung habe für die Sicherheit des Straßenverkehrs eine hohe Bedeutung,
  • diese seihöher zu bewerten, als der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des einzelnen Verkehrsteilnehmers.
  • Die Aufnahmen seien nicht vom Staat veranlasst worden und der Zeuge habe sich im konkreten Fall auch nicht unter Duldung und Förderung von Behörden zu einem „Hilfssheriff“ aufgeschwungen.
  • Der Verstoß hätte auch durch reguläre, anlassbezogene Messungen und Aufzeichnungen festgestellt werden können.
  • Die Eingriffsintensität sei in dem Fall eher gering gewesen und habe insbesondere nicht den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen, da in den Aufnahmen beispielsweise der Fahrer nicht zu identifizieren gewesen sei. 

Datenschützer wenig begeistert

Datenschützer sehen das Urteil mit einiger Skepsis, insbesondere zweifeln sie die Beurteilung des OLG zum Anlassbezug der Aufzeichnung an.

  • Obwohl der Zeuge seine komplette Fahrt per Dashcam aufgezeichnet hatte, attestierte das OLG der Aufzeichnung einen Anlassbezug,
  • nachdem auf der Aufnahme bereits ein erster Rotlichtverstoß des Betroffenen festgehalten worden war, der jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens war.

Freibrief für Hilfssheriffs

Unter Datenschützern  befürchtet man nun allerdings, dass künftig vermehrt Privatpersonen mit derartigen Dashcam-Aufnahmen auf eigene Initiative für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen wollen.

 (OLG, Beschluss  v. 04.05.2016, 4 Ss 543/15, rechtskräftig).