Umstrittene Gesichtserkennung - EU unentschlossen, Anbieter bauen Datensammlungen auf
Der Einsatz von (automatisierten) Gesichtserkennungsverfahren gehört zu den am heftigsten umstrittenen Themen im Bereich Datenschutz.
- Während vor allem Sicherheitspolitiker derartige Maßnahmen verstärkt einsetzen möchten, um etwa Straftäter in der Öffentlichkeit aufspüren zu können oder weil sie sich eine abschreckende Wirkung durch die Überwachung öffentlicher Orte versprechen,
- lehnen Datenschützer diese Technik entschieden ab. Sie zweifeln einerseits die Praxistauglichkeit und Zuverlässigkeit einer automatisierten Gesichtserkennung ab und befürchten vor allem die Risiken einer umfassenden Totalüberwachung und den Verlust der Privatsphäre.
EU-Kommission wollte automatisierte Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen untersagen
Die Europäische Kommission plante In einem Entwurf für das Weißbuch zur KI-Strategie aus dem Dezember, automatisierte Gesichtserkennung zumindest befristet in öffentlichen Räumen zu untersagen. In einem neuen Entwurf für das Weißbuch vom 21. Januar fehlen die entsprechenden Formulierungen jedoch, wie das Magazin Politico berichtet.
US-Firma bunktert drei Milliarden zugängliche Aufnahmen und bietet sie Behörden an
Für einiges Aufsehen sorgte ein Bericht der New York Times , der viele Befürchtungen der Skeptiker zu bestätigen scheint.
Demnach hat das bislang kaum in der Öffentlichkeit in Erscheinung getretene Unternehmen "Clearview" eine riesige Bilddatenbank mit rund drei Milliarden Fotos von Personen aufgebaut. Die Aufnahmen stammen dabei vor allem aus frei zugänglichen Quellen im Internet, insbesondere aus Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder auch Youtube sowie weiteren Diensten. Damit dürfte diese Bilddatenbank deutlich größer sein als die meisten der anderen bislang bekannten Datenbanken dieser Art.
Zugang zu Riesen-Foto-Datenbank an 600 US-Behörden verkauft
Dem Bericht zufolge hat das Unternehmen den Zugang zu dieser Bilddatenbankan mehr als 600 Behörden verkaufen können, aber auch schon einige Unternehmen sind Kunden von "Clearview".
Um welche Behörden es sich dabei handelt, ist nicht bekannt, es sollen aber zahlreiche US-Polizeibehörden und sogar das FBI dazu gehören.
So wirbt das Unternehmen beispielsweise auch auf seiner Website mit einem Zitat eines kanadischen Polizisten, nach dessen Aussage seine Dienststelle über "Clearview" bereits zahlreiche Opfer und Täter von Sexualverbrechen identifizieren konnte. Andere Kunden berichten von aufgeklärten Ladendiebstählen oder Körperverletzungen.
Gesichtserkennung für jedermann?
Gegenüber der New York Times, räumte der Firmengründer Hoan Ton-That auch ein, dass man bei "Clearview" auch schon den Prototypen einer Computerbrille entwickelt habe, mit der der Träger durch die integrierte Kamera jederzeit fremde Menschen identifizieren könne, sofern diese in der Bilddatenbank erfasst seien. Die Brille sei in der Lage, neben dem Namen auch weitere Informationen zu den erkannten Personen anzuzeigen. Es bestünden derzeit allerdings keine Pläne, diese Brille auf den Markt zu bringen.
Auch Google wollte schon eine Datenbrille an den Markt bringen
Diese Zurückhaltung dürfte zumindest teilweise wohl darauf zurückzuführen sein, dass vor einigen Jahren bereits der Versuch von Google, mit Google Glass eine Datenbrille zu etablieren, auch an einem allgemeinen Misstrauen gegenüber einem solchen Produkt gescheitert war. 2011 hatte zudem der damalige Google-Chef Eric Schmidt geäußert, dass man zwar eine Gesichtserkennung entwickelt, diese aber aufgrund des enormen Missbrauchpotentials bewusst zurückgehalten habe.
US-Politiker sind wegen Gesichtserkennung alarmiert
In den USA forderten Politiker wie der demokratische Senator Ron Wyden nach dem Erscheinen des Berichts mehr Transparenz. So sollten die Bürger ein Recht darauf haben zu erfahren, ob Fotos von ihnen in einer privaten Datenbank gelandet seien. In einigen Städten wird zudem bereits über ein Verbot der automatischen Gesichtserkennung nachgedacht, in San Francisco hat es bereits ein solches Verbot verabschiedet.
Plan für ein Verbot zur Gesichtserkennung in der EU
Zum heiklen Thema der automatisierten Gesichtserkennung gibt es auch Regulierungspläne der EU-Kommission. Von ihr wird ein zumindest temporäres Verbot für den Einsatz derartiger Techniken in Betracht gezogen. Aus einem Entwurf für ein Weißbuch, der vom US-Magazin Politico veröffentlicht wurde, geht hervor, dass die EU-Kommission dabei an ein auf drei bis fünf Jahre befristetes Verbot für möglich hält, das für staatliche und private Akteure gelten soll.
Diese Zeit solle dazu genutzt werden, zunächst einmal eine grundsätzliche Methodik zur Abschätzung der Folgen dieser Technik zu entwickeln, potentielle Maßnahmen eines Risikomanagements zu identifizieren und zu entwickeln, um die Grundrechte der Bürger zu bewahren und möglichen Missbrauch zu verhindern, denn über die Gesichtserkennung würden auch genaue Bewegungsprofile und eine automatische Verfolgung von Personen möglich seien. Dementsprechend hoch müssten die rechtlichen Anforderungen an die Speicherung und Nutzung dieser Daten sein. Ein generelles Verbot lehnt die EU-Kommission jedoch ab.
Gesichtserkennungspläne sind raus aus dem Entwurf des neuen Bundespolizeigesetzes
Auch der Bundesinnenminister Seehofer hatte für das geplante neue Bundespolizeigesetz den Plan, Gesichtserkennung zur Abschreckung und Überführung einzusetzen. Doch mit einem neueren Entwurf soll es der Bundespolizei nun offenbar nicht eingeräumt werden, an sicherheitsrelevanten Orten Software zur Gesichtserkennung einzusetzen.
Als der Entwurf am 23.1. zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung ging, fehlte der Abschnitt mit dem umstrittenen Thema. Laut Spiegel fürchtete der Minister, durch Einführung der umstrittenen (und unausgereiften) Methode die Akzeptanz der Bevölkerung für Videoüberwachung zu verlieren. Dies gilt auch deshalb, weil entsprechende Pilotprojekte wegen der Art der Durchführung stark kritisiert wurden und hohe Fehlerquoten aufwiesen.
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