Corona-Soforthilfen: weitere VG-Entscheidungen zur Rückzahlung

Nach dem VG Düsseldorf hat nun auch das VG Köln zugunsten von durch die Corona-Pandemie geschädigten Betrieben entschieden und mehrere behördliche Bescheide zur Rückzahlungsverpflichtung von Corona-Soforthilfen für rechtswidrig erklärt.

Seit dem Frühjahr 2020 haben die Bundesländer vielen kleinen Unternehmen und Solo-Selbstständigen zur Abwendung wirtschaftlicher Notlagen infolge infektionsrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie pauschale Soforthilfen in Höhe von zumeist 9.000 Euro bewilligt. Nicht wenige Unternehmen sehen sich zur Zeit mit Rückforderungsbescheiden - zumeist über Teilbeträge – konfrontiert.

Bisher in neun Verfahren Entscheidungen zugunsten der Betriebe entschieden

Einige Entscheidungen des VG Düsseldorf und auch des VG Köln geben den betroffenen Unternehmen Grund zu der Hoffnung, einer endgültigen Rückzahlungsverpflichtung zu entkommen. Nachdem das VG Düsseldorf im August bereits in drei Pilotverfahren den klagenden Unternehmern recht gab und die gegen sie ergangenen Rückzahlungsbescheide für rechtswidrig erklärte (VG Düsseldorf, Urteile v. 16.8.2022, 20 K 7488/20; 20 K 217/20; 20 K 393/22; siehe dazu die News v. 18.8.2002: Unternehmer müssen Corona-Soforthilfen nicht zurückerstatten ), folgte das VG Köln dieser Rechtsprechung nun in sechs weiteren Verfahren.

Bewilligungsbescheide unter dem Vorbehalt der Rückforderung?

Im Bundesland NRW erfolgten die Zuwendungen auf der Grundlage des Programms „NRW-Soforthilfe 2020“. Das Land bewilligte die beantragten Soforthilfen in Höhe von pauschal 9.000 Euro in großer Zahl. Später stellte sich das Land auf den Standpunkt, die Bewilligung der Soforthilfe sei in allen Fällen nur vorläufig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt. Sämtliche Bewilligungen seien unter der Grundannahme bestehender Liquiditätsinteresse erteilt worden, die es den betroffenen Unternehmen unmöglich machten, ihren laufenden Verbindlichkeiten nachzukommen.

Betrieblicher Verlust als Voraussetzung für Soforthilfe?

Im Nachprüfungsverfahren erkannten die Behörden einen solchen Liquiditätsengpass nur an, wenn sich aus der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben für die einzelnen Abschnitte des jeweiligen Bewilligungszeitraums ein negatives Betriebsergebnis errechnete, der Betrieb also einen Verlust erlitten hatte. Für die Zeiträume, für die dies nicht der Fall war, fordert das Land die geleisteten Soforthilfen in einer Vielzahl von Rückzahlungsbescheiden nun ganz oder teilweise zurück. Allein beim VG Köln wehren sich zur Zeit ca. 400 betroffene Unternehmen mit Klagen gegen die Rückzahlungsforderungen des Landes, beim VG Düsseldorf sind ca. 500 Verfahren anhängig.

Informationspolitik erweckte weitreichende Unternehmererwartungen

Mit einer ähnlichen Argumentation wie zuvor schon das VG Düsseldorf hat nun auch das VG Köln die Rückzahlungsbescheide für rechtswidrig erklärt. Nach Auffassung des VG hatten sowohl der Bund als auch die Landesregierungen in ihren Informationen über die Voraussetzungen der Corona-Soforthilfen deren Effizienz durch schnelle und unbürokratische Gewährung für kleinere Unternehmen in den Vordergrund gestellt. Die Formulierungen hätten den Eindruck erweckt, dass pandemiebedingte Umsatzausfälle und nicht nur Verluste schnell und effizient ausgeglichen werden sollten.

Unklarheiten gehen zulasten der Behörde

Das VG Köln beanstandete darüber hinaus, dass die von den Klägern in den sechs Verfahren angegriffenen Bewilligungsbescheide in keinem Fall einen Hinweis auf eine mögliche Rückzahlungsverpflichtung oder gar einen ausdrücklichen Rückzahlungsvorbehalt enthielten. Die Betroffenen hätten daher mit einer späteren Rückzahlungsverpflichtung auf Grundlage der Bescheide nicht ohne weiteres rechnen müssen. Auch in den Informationsblättern und auf den Internetseiten des Landes sei eine solche mögliche Rückzahlungsverpflichtung nicht klar erkennbar benannt worden. Jedwede Unklarheit in der Informationsgestaltung gehe zulasten der Behörden.

Bewilligung der Soforthilfe stellte nicht ausschließlich auf die Liquidität ab

Die jetzige Rückforderungspraxis bewerteten sowohl das VG Köln als auch das VG Düsseldorf daher als unrechtmäßig. Die jetzige Vorgehensweise stehe im Widerspruch zur Vergabepraxis des Landes und den bei den Zuwendungsempfängern erweckten Erwartungen. Zum Zeitpunkt der erteilten Bewilligungsbescheide habe das damals zuständige „Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie“ des Landes NRW noch nicht einmal den jetzt in den Vordergrund gestellten Begriff des Liquiditätsengpasses exakt im Hinblick auf einen erforderlichen betrieblichen Verlust definiert.

Mehrere Klagen erfolgreich

Im Ergebnis bewertete das VG die Rückforderungsbescheide in sämtlichen Verfahren daher als rechtswidrig. Die Klagen waren damit erfolgreich. Ähnliches dürfte für den Großteil der noch 400 beim VG Köln anhängigen Verfahren gelten. Allerdings sind die Entscheidungen des VG noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob das Land in die Rechtsmittelinstanz geht oder aus Gründen der Planungssicherheit der betroffenen Unternehmer möglicherweise auf Rechtsmittel verzichtet.

(VG Köln, Urteile v. 16.9.2022, 16 K 125/22; 16 K 127/22; 16 K 406/22 u.a.)

Hintergrund:

Bundesweit sehen sich viele Kleinunternehmer, die Corona-Soforthilfen in Anspruch genommen haben, Rückforderungen der zuständigen Behörden ausgesetzt. In vielen Bundesländern haben Anfang dieses Jahres sogenannte Rückmeldeverfahren begonnen. Soweit sich in diesen Verfahren herausstellen sollte, dass die ursprünglich gemeldeten Liquiditätsengpässe geringer ausfallen, als ursprünglich erwartet, müssen die betroffenen Unternehmen mit Rückzahlungsbescheiden rechnen. Einige Länder gewähren zumindest eine großzügige Rückzahlungsfrist, Baden-Württemberg beispielsweise bis zum 30.6.2023.

Positionierung der Oberverwaltungsgerichte muss abgewartet werden

Viele Unternehmen klagen gegen ergangene Rückzahlungsbescheide. Die Chancen scheinen nach den bisherigen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht schlecht zu sein. Es muss jedoch abgewartet werden, wie sich die Oberverwaltungsgerichte in dieser Frage positionieren werden, zumal auch länderspezifische Besonderheiten sowohl bei der Formulierung der Rechtsgrundlagen für die Soforthilfen als auch bei der Formulierung der Bewilligungsbescheide eine Rolle spielen können.

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