Bring neues Unternehmensstrafrecht soll Strafen für Unternehmen

Wenn es nach den Justizministern der Bundesländer geht, müssen Unternehmen künftig für Straftaten selbst "gerade stehen". Auf der Justizministerkonferenz, die am 14.11.2013 in Berlin stattfand, sprach sich die Mehrheit für die Einführung eines Unternehmensstrafrechts aus. Kritische Stimmen halten jedoch die derzeit möglichen Sanktionen für ausreichend und befürchten, ein „Verbandsstrafrecht“ träfe die Falschen, nämlich die Arbeitnehmer.

Nordrhein-Westfalen hat mit seinem „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ die Diskussion über die rechtspolitische Notwendigkeit, neben natürlichen auch juristische Personen strafrechtlich belangen zu können, wieder ins Rollen gebracht. Der Gesetzesentwurf soll nun als Grundlage für weitere Beratungen dienen.

Was ist heute möglich?

Das deutsche Strafrecht gilt nur für natürliche Personen. Juristische Personen, die Straftaten begehen, können derzeit nur nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz zur Verantwortung gezogen werden (§§ 30, 130 OWiG). Begeht ein Vorstand beispielsweise eine vorsätzliche Straftat, durch die die Unternehmenspflichten verletzt werden oder das Unternehmen dadurch bereichert wird, kann eine Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro verhängt werden. Das Unterlassen von erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen ist ebenfalls bußgeldbewährt. Die Höhe der möglichen Geldbußen wurde erst kürzlich durch eine Gesetzesänderung verzehnfacht ( Artikel 4 G. v. 26.06.2013, BGBl. I S. 1738, in Kraft seit 30.6.2013).

Inhalt des Gesetzes

Nach dem Gesetzesentwurf soll das geplante Unternehmensstrafrecht nicht in das bestehende Strafgesetzbuch integriert, sondern in einem eigenen „Verbandsstrafgesetzbuch“ geregelt werden. Verbände i.S.d. Entwurfes sind juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften des privaten und öffentlichen Rechts. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, gegen das Unternehmen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Haben Entscheidungsträger verbandsbezogenen Zuwiderhandlungen oder Straftaten begangen bzw. ihre Aufsichtspflichten verletzt, sieht das neue Verbandstrafgesetzbuch als Sanktionsmöglichkeiten Verbandsstrafen oder Verbandmaßregeln vor:

Verbandsstrafen:

  • Verbandsgeldstrafe (fünf bis 360 Tagessätze, Höchstgrenze 10% des durchschnittlichen Gesamtumsatzes)
  • Verbandsverwarnung mit Strafvorbehalt
  • öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung

Verbandsmaßregeln:

  • Ausschluss von Subventionen (bei Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen)
  • Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge (bei vorsätzlichen Zuwiderhandlung und  Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen)
  • Verbandsauflösung (ultima ratio z.B. bei Wiederholungstaten)

Strafmilderung oder gar das Absehen von Strafe ist nach dem Entwurf möglich, wenn beispielsweise Schadenswiedergutmachung betrieben oder die Compliance-Struktur verbessert wird.

Pro: Wirtschaftskriminalität kann nicht mit einem Bußgeldbescheid bekämpft werden

Durch Bespitzelung, Steuerhinterziehungen, Korruption und Produktpiraterie entstehen Milliardenschäden. Nach Ansicht des Justizministers von Nordrhein-Westfalen Thomas Kutschaty ständen aber die derzeit möglichen Sanktionen nach dem Ordungswidrigkeitengesetz in einem völligem Missverhältnis zum angerichteten Schaden, da nur einzelne natürliche Personen zur Verantwortung gezogen werden können. Eine effektive Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sei nicht mit einem Bußgeldbescheid möglich. Die Verantwortlichen gehörten vor Gericht. Zudem müsse auch gewährleistet werden, dass die Öffentlichkeit von kriminellen Machenschaften einzelner Unternehmen erfährt und somit eine Prangerwirkung entsteht. Die Justizminister der anderen Bundesländer schlossen sich dieser Meinung an und stimmten mehrheitlich für die Gesetzesinitiative aus Düsseldorf.

Contra: Gesetz trifft die „Kleinen“

Müsste ein Unternehmen aufgrund der geplanten neuen Verbandstrafen und -maßregeln z.B. Insolvenz anmelden, träfe es vor allem die Arbeitnehmer, die um ihren Job fürchten müssen. Sie wären es dann, die für die Verfehlungen ihrer Unternehmensführung büßen, so die Kritik der Stiftung der Familienunternehmen, die diese Art der Kollektivbestrafung ablehnt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie äußerte sich ebenfalls kritisch zur Gesetzesinitiative. Es bestehe kein Bedarf für ein gesondertes Unternehmensstrafrecht. Die derzeitigen Regelungen ermöglichen bereits heute Sanktionen im hohen dreistelligen Millionenbereich. Auch Strafrechtsexperten warnen davor, Institutionen juristisch verantwortlich zu machen. Das Gesetz liefe dem bestehenden Schuldprinzip entgegen. Das System des Strafrechts kenne keine Verantwortung von juristischen Gebilden. Nur die jeweils dahinter stehenden natürlichen Personen könnten strafrechtlich Schuld auf sich nehmen.

Wie geht es weiter?

Die Länder werden über die genaue Ausgestaltung eines Unternehmensstrafrechts noch weiter beraten, bevor es als Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht wird. Ob die Kritik dann gehört wurde, wird sich spätestens im Bundestag zeigen.

Schlagworte zum Thema:  Strafrecht, Korruption