Vollstreckungsverfahren gegen nicht prozessfähigen Schuldner

Ein Vorsorgebevollmächtigter darf den nicht prozessfähigen Schuldner bei der Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung vertreten. Er ist hierzu im Gegensatz zu einem gerichtlich bestellten Betreuer aber nicht verpflichtet.

Der BGH hat sich mit der Frage befasst, gegen wen Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden können, wenn der Schuldner nicht prozessfähig ist.

Vorsorgevollmacht berechtigte zur Vertretung in allen Vermögensangelegenheiten

In dem Fall hatte der Schuldner einer anderen Person mit notarieller Urkunde eine Vorsorgevollmacht erteilt, die zu seiner Vertretung in allen Vermögensangelegenheiten berechtigte. Nach dem Tod des Schuldners leitete dessen geschiedene Ehefrau wegen rückständiger Unterhaltsforderungen, zu deren Zahlung sich der Schuldner in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet hatte, die Zwangsvollstreckung gegen die Vorsorgebevollmächtigte ein.

Vorsorgebevollmächtigte wehrte sich gegen Abgabe der Vermögensauskunft

Der beauftragte Gerichtsvollzieher hat diese zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft über das Vermögen des verstorbenen Schuldners geladen. Hiergegen setzte sich die Vorsorgebevollmächtigte zur Wehr und hatte vor dem BGH Erfolg. Der BGH stellte klar, dass die Vorsorgebevollmächtigte grundsätzlich berechtigt ist, die Vermögensauskunft und eidesstattliche Versicherung für den Schuldner abzugeben, dass sie hierzu aber nicht verpflichtet ist.

Vertretung des prozessunfähigen Schuldners

Die Vermögensauskunft als Wissenserklärung ist grundsätzlich vom Schuldner selbst abzugeben. Er muss dabei allerdings prozessfähig sein. Ein nicht prozessfähiger Schuldner wird durch seinen gesetzlichen Vertreter – in der Regel einen vom Gericht bestellten Betreuer – vertreten. Eine Vertretung kommt aber auch durch eine andere natürliche Person in Betracht, die schriftlich mit der gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt worden ist. Diese Person steht einem gesetzlichen Vertreter gem. § 51 Abs. 3 ZPO gleich.

§ 51 Abs. 3 ZPO ist auch im Zwangsvollstreckungsverfahren anwendbar

Der BGH hält die Vorschrift des § 51 Abs. 3 ZPO auch im Zwangsvollstreckungsverfahren für anwendbar. Der Anwendbarkeit steht nach Auffassung des BGH insbesondere nicht die Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens entgegen. Die Formalisierung bezieht sich nur auf die Begründetheitsvoraussetzungen, also die Vollstreckungsvoraussetzungen und die Zugriffstatbestände, nicht hingegen auf die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Zwangsvollstreckungsverfahrens.

Das spricht gegen eine einschränkende Auslegung des § 51 Abs. 3 ZPO

Eine einschränkende Auslegung des § 51 Abs. 3 ZPO mit der Folge, dass diese im Vollstreckungsverfahren nicht anwendbar sei, hält der BGH nicht für vereinbar mit dem Grundsatz der Subsidiarität im Sinne des § 1896 Abs. 2 BGB.

Danach soll die Bestellung eines Betreuers zwecks Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen möglichst vermieden werden, wenn dieser eine wirksame und umfassende Vorsorgevollmacht erteilt hat. Dies muss auch für das Vollstreckungsverfahren gelten.

Prüfungsumfang des Gerichtsvollziehers

Der Gerichtsvollzieher muss daher von Amts wegen prüfen, ob

  • der Schuldner zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmacht geschäftsfähig war,
  • die Vollmacht schon und noch in Kraft ist,
  • es sich nicht um eine Vollmacht handelt, mit der Heim- oder Pflegepersonal bevollmächtigt wurde,
  • die Vollmacht die Vertretung im gerichtlichen Verfahren erfasst,
  • der Schuldner aktuell nicht prozessfähig ist und
  • die Vollmacht geeignet ist, die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.

Dabei wird die Prüfung des Gerichtsvollziehers dadurch erleichtert, dass die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht so lange zu vermuten ist, wie deren Unwirksamkeit nicht positiv festgestellt werden kann. Ist die Vollmacht notariell beurkundet worden, spricht dies in besonderem Maße für deren wirksame Errichtung, da der Notar im Falle einer Geschäftsunfähigkeit die Beurkundung abzulehnen hat.

Keine Verpflichtung des Bevollmächtigten

Der BGH stellte allerdings weiter fest, dass ein Vorsorgebevollmächtigter trotz seiner Berechtigung nicht verpflichtet ist, für den prozessunfähigen Schuldner die Vermögensauskunft abzugeben. Insoweit unterscheidet sich seine Rechtsstellung von der eines gesetzlichen Betreuers.

Ein Betreuer ist aufgrund seiner Bestellung durch das Gericht verpflichtet, für die betreute Person nach Möglichkeit tätig zu werden. Dem Vorsorgebevollmächtigten steht es hingegen frei, ob er von seiner tatsächlich bestehenden Vertretungsmacht Gebrauch macht oder nicht.

Da er auf die Vollmacht auch komplett verzichten kann (Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Betreuer), ist es ihm erst recht erlaubt, von ihr im Einzelfall keinen Gebrauch zu machen. Aus diesem Grund durfte der Gerichtsvollzieher die Vorsorgebevollmächtigte nicht zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft laden. Er hätte vielmehr formlos mit ihr klären müssen, ob sie freiwillig zur Abgabe der Vermögensauskunft bereit ist.

(BGH, Beschluss v. 23.10.2019,  I ZB 60/18).

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Hintergrundwissen:

Bei der Vorsorgevollmacht ist inhaltlich zwischen Regelungen der Vermögenssorge und der Personensorge zu unterscheiden. Im Hinblick auf die Vermögenssorge sollte im Einzelnen formuliert werden, dass der Bevollmächtigte berechtigt ist,

  • Vermögenswerte beliebiger Art in Empfang zu nehmen,
  • Verfügungen über Konten und Wertpapierdepots, insbesondere Neuanlage, zu treffen,
  • Verträge, auch Dauerschuldverhältnisse insbesondere mit Kliniken, Pflegeteams etc. zu schließen,
  • die Post entgegennehmen zu dürfen,
  • den Vollmachtgeber gegenüber Behörden zu vertreten und Prozesse in seinem Namen zu führen,
  • den Haushalt aufzulösen und über das Inventar zu verfügen, und ferner angeben,
  • ob Immobiliengeschäfte von der Vollmacht umfasst sein sollen oder nicht, und

negativ abzugrenzen, welche Rechtsgeschäfte/Vermögensbereiche ausgenommen bleiben sollen.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

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