Auch BGH bestätigt Unzulässigkeit der qualifizierten Containersignatur
Nun hat also auch der BGH entschieden, dass die qualifizierten Containersignatur eine Frist nicht zu retten mag.
Fataler Anwaltsfehler am letzten Tag der Frist
Der Anwalt hatte am Tag des Fristablaufs (18.6.2018) seine Berufungsschrift und weitere Dokumente an das elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) versandt und diese mit einer einzigen gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen.
Es ging dabei um viel Geld, fast 50.000 Euro nebst Zinsen. Zur Zahlung dieser Summe, die sich aus rückständigen Mieten zusammensetzte, wurde der Mandant des unglückseligen Rechtsanwalts verurteilt. Dabei blieb es dann auch, denn die Berufung wurde mangels ausreichender Unterschrift des Prozessbevollmächtigen nicht zugelassen.
Geänderte Vorgaben zur elektronischen Signatur seit 1.1.2018
Am 1.1.2018 trat die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr VO /ERVV) in Kraft. Die ERVV definiert die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und ist maßgeblich für die Einreichung von elektronischen Dokumenten bei Gericht (§ 130 a Abs. 2 ZPO). Sie bestimmt klar, dass
- mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qeS,
- einer sog. Container-Signatur übermittelt werden dürfen (§ 4 Abs. 2 ERVV).
BGH erklärt seine bisherige Rechtsprechung für obsolet
2013 und somit vor der neuen gesetzlichen Bestimmung noch hatte der BGH eine ganz andere Auffassung vertreten. Er schätzte die Container-Signatur als sicher genug ein und segnete sie entsprechend ab (Beschluss v. 14.5.2013, VI ZB 7/13). Das ist mittlerweile passé. Der Gesetzgeber hat den Kurs in Richtung Unzulässigkeit solcher gemeinsamen Signaturen im Sinne von Rechtssicherheit und -klarheit eingeschlagen und die Gerichte müssen folgen.
Unsicherheiten, wenn Dokumente den Nachrichtencontainer verlassen
Das Problem mit einer Signatur für den ganzen Nachrichtencontainer ist, dass nach der Trennung der Dokumente die Signatur nicht mehr überprüft werden kann. Verglichen wird sie mit dem Äquivalent in Papierform:
- mehrere Dokumente werden in einem Briefumschlag
- in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen.
- Die Dokumente selbst weisen keine Unterschriften auf,
- nur der Briefumschlag ist mit einem vom Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Vermerk versehen.
- In der Regel aber werden die Briefumschläge nicht auch zur Akte genommen.
Rechtsanwalt hatte Rechtsänderung nicht rechtzeitig bemerkt
Bei dem betroffenen Rechtsanwalt war die Änderung der Rechtslage ein halbes Jahr nach ihrem Inkrafttreten offenbar noch nicht angekommen, sonst hätte er die Berufungsschrift mit einer eigenen qeS (qualifizierte elektronische Signatur) versehen oder sie auf dem herkömmlichen per-Fax-vorab-Post-Weg verschickt. Von Rechtsanwälten wird allerdings erwartet, dass sie sich stets und ständig über Gesetzesänderungen und den Stand der Rechtsprechung informieren.
Hätte hätte Haftungsfalle
Eine frühere Einreichung der Berufung hätte Anwalt und Mandant noch retten können. Das Gericht hätte ihnen dann nämlich mit einem entsprechenden Hinweis die Möglichkeit zur Heilung des Formfehlers geben können.
Schon das BAG erkannte für diesen Fall eine gerichtliche Hinweispflicht im Hinblick auf eine unzureichende Übermittlung aufgrund des Anspruchs eines fairen gerichtlichen Verfahrens:
„Die sich daraus ergebende prozessuale Fürsorgepflicht verpflichtet die Gerichte, eine Partei auf einen offenkundigen Formmangel eines bestimmenden Schriftsatzes hinzuweisen.“
Doch dafür war es hier zu spät. So muss sich der Rechtsanwalt seinem Fehler und einer möglichen Haftung stellen.
(BGH, Beschluss v. 15.5.2019, XII ZB 573/18)
Hintergrund:
Abweichende Entscheidung des OLG Brandenburg
Das OLG Brandenburg hatte in einem ähnlichen Fall anders entschieden und eine teleologische Reduktion des § 4 ERVV ins Spiel gebracht.
- Danach soll eine Containersignatur zulässig sein, wenn das Gericht selbst noch keine elektronischen Akten führt,
- die mit der Containersignatur eingereichten Dokumente sämtlich das gleiche Verfahren betreffen
- und dann bei Gericht in der konventionellen Papierakte landen (OLG Brandenburg, Beschluss v. 6.3.2018, 13, WF 45/18).
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