Gericht darf einem Geständnis nicht blind folgen
Dem Grundsatz ist der Bundesgerichtshof mit einem Strafurteil des Landgerichts Aachen gefolgt: Die Richter hatten die Verurteilung der beiden Angeklagten allein auf die abgelegten Geständnisse gestützt und dazu geschrieben:
„Die Feststellungen zur Sache […] beruhen auf den umfassenden und glaubhaften Geständnissen beider Angeklagten, die durch die in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Beweismittel bestätigt und ergänzt worden sind. Zwischen der Kammer und dem Angeklagten K. sowie der Staatsanwaltschaft ist eine Verständigung gemäß § 257 c StPO zustande gekommen."
Angeklagten alles geglaubt
Bei den Richtern kamen keine Bedenken bezüglich der Richtigkeit der Ausführungen der Angeklagten auf, egal ob Beweise vorlagen:
"Die Kammer hat keinen Zweifel, dass das von ihm abgelegte umfassende Geständnis zu den ihm noch vorgeworfenen Taten, das durch das übrige Beweisergebnis bestätigt und verifiziert worden ist, der Wahrheit entspricht. Soweit er sich dahin gehend eingelassen hat, dass er nicht als alleiniger Abnehmer des Rauschgifts, sondern in Absprache mit – von ihm nicht benannten Dritten – gehandelt hatte, konnte ihm dies nicht widerlegt werden und ist im Sinne seiner Einlassung ebenfalls in obige Feststellungen zur Sache eingeflossen.
oder nicht:
" In Bezug auf den Angeklagten V. ist mangels Zustimmung der Staatsanwaltschaft keine Verständigung zustande gekommen […]. Sein gleichwohl zu den ihm noch vorgeworfenen Taten abgelegtes Geständnis war ebenfalls glaubhaft und ist durch die sonstigen Beweisergebnisse bestätigt und verifiziert worden. Auch seine Einlassung zu seiner Rolle bei den Rauschgiftgeschäften konnte ebenfalls nicht widerlegt werden und ist in diesem Sinne bei den Feststellungen zur Sache zugrunde gelegt worden.“
Beweismittel mit Geständnis in Beziehung setzen
Das reichte dem Bundesgerichtshof so nicht aus.
- Die sachlich-rechtliche Begründungspflicht umfasse auch die Verpflichtung, die Einlassung des Angeklagten jedenfalls in ihrem wesentlichen Inhalt wiederzugeben.
- Dies gelte auch in Fällen, in denen der Angeklagte ein Geständnis ablegt.
- Der Grund: ein Geständnis enthebe den Tatrichter nicht von seiner Pflicht, dieses einer kritischen Prüfung auf Plausibilität und Tragfähigkeit hin zu unterziehen
- und zu den sonstigen Beweismitteln in Beziehung zu setzen.
Das Geständnis müsse zwar nicht in allen seinen Einzelheiten dokumentiert werden. Je nach Einzelfall könne es auch genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen. Aber:
„Erforderlich ist außerdem, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegt und begründet, aus welchen Gründen er das Geständnis des Angeklagten für glaubhaft erachtet".
Wenn sich die Angaben des Angeklagten mit sonstigen Beweisergebnissen decken und der Tatrichter seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit des Geständnisses auch auf diese Beweisergebnisse stütze, so sei er zu deren jedenfalls gedrängter Wiedergabe verpflichtet, da anderenfalls eine revisionsgerichtliche Überprüfung seiner Überzeugungsbildung nicht möglich sei.
(BGH, Beschluss v. 29.12.2015, 2 StR 322/15).
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