LSG zur Beweislast für Notwendigkeit von Auslagen beigeordneter Rechtsanwälte
Eine Rechtsanwältin initiierte den Rechtsstreit. Sie kämpfte u.a. um Kosten, die sie für Aktenkopien verauslagt hatte. Es ging um 85,15 Euro. Vorangegangen war ein sozialgerichtliches Verfahren, in dem sie einem Beklagten beigeordnet war, der zu viel gezahlte Sozialleistungen zurückerstatten sollte.
Kostenbeamtin versagt Erstattung von Kopierkosten
Die Kostenbeamtin bei der Landeskasse bestand darauf, dass die Anwältin den Nachweis erbringen müsse, dass die Ausgaben wirklich notwendig waren. Sie setzte die Kosten ohne die geltend gemachte Dokumentenpauschale fest. Die Anwältin in eigener Sache legte dem Gericht die gefertigten Kopien vor. Sie gab an, nicht die gesamte Akte kopiert zu haben, sondern nur Auszüge, die sie für die Klagebegründung und zur gründlichen Vorbereitung des Gerichtstermins benötigt hätte.
Das Sozialgericht wies die Erinnerung der Rechtsanwältin zurück, weshalb diese per Beschwerde den Weg in die nächsthöhere Instanz ging. Das LSG Berlin-Brandenburg sah die Rechtslage tatsächlich anders und bestätigte den Anspruch auf Erstattung des Kopiergeldes, wenn auch in etwas geringerem Umfang, was aber daran lag, dass die Anwältin weniger Kopien eingereicht hatte als behauptet.
Wer trägt die Beweislast?
Die Geister scheiden sich an der rechtsdogmatischen Entscheidung, wem die Beweislast zuzuweisen ist:
- der Staatskasse, die beweisen muss, dass die Ausgaben nicht erforderlich waren oder
- dem Rechtsanwalt, der aufzeigen muss, dass die Kosten nötig waren für das Verfahren?
Das Gesetz sagt Folgendes:
„Auslagen, insbesondere Reisekosten, werden nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren.“ (§ 46 Abs.1 RVG)
Das LSG Berlin-Brandenburg sieht die Beweislast bei der Staatskasse
§ 46 RVG enthält, so das LSG, eine Sonderregelung für die Vergütung beigeordneter Rechtsanwälte aus der Staatskasse. Sie gelte ausnahmslos für alle Auslagen. Der Wortlaut in Form der Negativ-Formulierung (… werden nicht vergütet…), weise der Staatskasse die Beweislast zu. Das LSG ist auch der Ansicht, dass die Auslagen im Zweifel großzügig anzuerkennen sind.
Rechtsanwälte brauchen Spielraum, damit sie gute Arbeit leisten können
Das LSG sieht weder den Kostenbeamten noch das Gericht in der Pflicht/Befugnis die eigene Auffassung an die Stelle der Meinung des Rechtsanwalts zu setzen. Dieser allein hat den Rechtsstreit geführt; nur er ist für die sachgemäße Vertretung der Partei verantwortlich. Hinsichtlich der Erforderlichkeit der Auslagen steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu.
Obergerichte sind sich uneins
Andere Gerichte wie das OLG Celle, das KG Berlin oder das OLG München sehen die Sache anders herum, gehen also davon aus, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit der Auslagen beim Rechtsanwalt liegt.
Anhaltspunkte für zu hohe Kosten, können Beweislast verlagern
Dieser gegenteiligen Auffassung kommt das LSG Berlin-Brandenburg einen Schritt entgegen, indem es darauf hinweist, dass jeder Beteiligte die Kosten der Prozessführung so niedrig wie möglich zu halten hat. Gibt es einen Anscheinsbeweis dagegen, verschiebt sich die Beweislast auf den Anwalt.
Im Fall von Kosten für Aktenkopien dürfen diese z.B. nicht gefertigt werden, wenn die Unterlagen von vornherein irrelevant sind oder von denen der Anwalt sicher erwarten kann, dass von ihnen schon Abschriften oder Kopien existieren, auf die er rechtzeitig zurückgreifen kann.
(LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.4.2020, L 39 SF 219/17 B E; rechtskräftig).
Hintergrund: Was ist erforderlich?
Der Gesetzgeber hat mit Nr. 7000 VV RVG eine – wenn auch pauschalierte – Erstattung der tatsächlich angefallenen Auslagen vorgesehen und ausdrücklich nicht den Weg gewählt, die Höhe der Auslagenerstattung prozentual von den Gebühren abhängig zu machen.
Nach Nr. 7000 Nr. la) VV RVG erhält der Rechtsanwalt die Aufwendungen für Ablichtungen und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten erstattet, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.
Bei dieser Beurteilung ist auf einen objektiven Maßstab, also auf den Standpunkt eines vernünftigen, sachkundigen Dritten abzustellen. Zwar habe der Rechtsanwalt dabei einen gewissen und auch nicht zu engen Ermessenspielraum, eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reiche indes nicht aus (OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.03.2012, 2 Ws 49/12).
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