Was ist auf und an dem Balkon erlaubt, was ist verboten?

In Zeiten von Corona wird der Balkon immer öfter zum Urlaubsort. Ob in Balkonien Urlaubsfreude aufkommt, kann davon abhängen, was auf dem Balkon erlaubt ist und was nicht. Hüllenloses Sonnenbaden, abendlicher Grillgenuss mit Freunden und Musik – alles auch bester Stoff für nachbarschaftliche Rechtsstreitigkeiten. Fehlt der Balkon und soll angebaut werden, gibt es ebenfalls Rechtsfragen.

Wer von den Problemen mit dem Covid-19-Virus genug hat und sich nicht auf Mallorca oder am Nordseestrand mit Gesichtsschutzmasken und Abstandsregeln plagen oder in anderen Feriengebieten mit dem Virus persönlich Bekanntschaft schließen möchte, für den kann das heimische Balkonien durchaus eine geeignete Alternative für einen entspannten Sommerurlaub sein. Wer sich hierfür entscheidet, tut gut aber daran, seine Rechte zu kennen und möglichst genau zu wissen, was auf dem Balkon erlaubt ist und was nicht.

Balkon ist Freiraum für Mieter und Wohnungseigentümer

Egal ob Mieter, ob Haus- oder Wohnungseigentümer - der Besitzer darf von Rechts wegen in seiner Wohnung grundsätzlich seine individuellen Bedürfnisse ausleben. Zur Wohnung gehört auch der Balkon. Was ich darauf veranstalte, geht den Nachbarn grundsätzlich nichts an, solange ich dessen Rechte nicht verletze. Es gilt der höchstrichterlich abgesegnete Grundsatz: „My Home is my castle“. Die Wohnung ist ein grundsätzlich unantastbarer Freiraum für die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Bewohners.

BGH erlaubt freie Entfaltung der Persönlichkeit des Bewohners

Auch die zur Wohnung gehörenden Außenbereiche wie Terrassen oder der Balkon dienen als Freiraum für die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Bewohners (BGH, Urteil v. 12.7.1985, V ZR 172/84). Dies gilt auch bei WEG-Gemeinschaften. Der Balkon ist grundsätzlich sondereigentumsfähig (BGH, Urteil v. 18.11.2016, V ZR 49/16) und ist in der Regel selbst dann dem Sondereigentum zuzurechnen, wenn eine ausdrückliche Zuweisung in der Teilungserklärung fehlt (AG München, Beschluss v. 23.2011, 34 Wx 247/11).

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Sonnenbaden auf dem Balkon ist in der Regel erlaubt

Leider ist es mit diesen rechtlichen Grundsätzen in der Praxis oft schwieriger als in der Theorie. Wie so oft stößt man mit seinen geschützten Rechtspositionen immer dann an Grenzen, wenn die Rechte anderer tangiert werden. Die anderen sind bei Balkonien regelmäßig die Nachbarn. Die Rechtsprechung stellt an die Beeinträchtigung der Nachbarn oder sonstiger Dritter allerdings relativ hohe Anforderungen. Alles was sich innerhalb der Terrassen- oder Balkonfläche abspielt, tangiert die Rechte Dritter in der Regel nicht.

Was darf auf den Balkon? Was darf dort geschehen?

Auch auf dem Balkon ist der Mieter oder Eigentümer grundsätzlich"Herr im Haus" und darf ihn entsprechend bestücken und nutzen: Dies gilt für innerhalb der räumlichen Grenzen eines Balkons aufgestellte Parabolantennen und Pflanzen ebenso wie für Rauchen und hüllenloses Sonnenbaden (BGH, Urteil v. 6.11.2005, VIII ZR 5/05; AG Merzig, Urteil v. 5.8.2005, 23 C 1282/04).

Sogar den nackten Gang eines Hausbesitzers durch seinen Garten nach Nutzung seiner Gartensauna müssen Nachbarn nach Auffassung des LG Dortmund akzeptieren. Der klagende Nachbar hatte seine Unterlassungsklage nach einem deutlichen Hinweis des LG zurückgenommen (LG Dortmund, 1 S 13/16).

Hinweis: Provokantes Nacktsonnen auf einem von Nachbarn oder der Öffentlichkeit gut einsehbaren Balkon oder Terrasse kann eine Belästigung der Öffentlichkeit und damit eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 118 OWiG darstellen und unter Umständen mit einem Bußgeld geahndet werden. In den letzten Jahren wurden allerdings keine Fälle bekannt, in denen diese Vorschrift auf das Nacktsonnen auf dem Balkon angewendet wurde.

Sex auf dem Balkon geht zu weit

Bei der Bestimmung der Grenzen erlaubten Verhaltens sind nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich die Wertvorstellungen einer toleranten Gesellschaft zu Grunde zu legen. Eine Grenze kann sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergeben. Auch unter Zugrundelegung eines toleranten Gesellschaftsbildes können gewisse Verhaltensweisen als anstößig empfunden werden. Dies gilt beispielsweise für den Vollzug sexueller Akte auf dem vom Nachbarn einsehbaren Balkon (AG Bonn, Urteil v. 17.5.2006, 8 C 209/05). Bei solchen, auch von einer toleranten Gesellschaft als anstößig empfundenen Verhaltensweisen, kann das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis zu berechtigten Unterlassungsansprüchen des Nachbarn führen (BGH, Urteil v. 22.2.1991, V ZR 308/89).

Grillen auf dem Balkon: Erst in den Mietvertrag schauen

Besonders viel Ärger bereiten im Sommer -je nach Nachbarschaft - die Terrassen- und Balkonfeten mit lauten Unterhaltungen, möglicherweise lauter Musik und mit allerlei Bratgut auf dem kräftig qualmenden Holzkohlegrill. Mieter sollten vor dem ersten Anwerfen des Grills grundsätzlich vorab einen Blick in den Mietvertrag werfen.

Eine mietvertragliche Bestimmung, wonach das Grillen grundsätzlich untersagt ist, ist nämlich wirksam (LG Essen, Urteil v. 17.2. 2002, 10 S 437/01). Im Fall von Wohnungseigentum kann das Grillen auf Balkon und Terrasse auch durch Beschlüsse von Eigentümerversammlungen wirksam untersagt werden.

Laute Musik und Balkonparty: nur bis 22 Uhr

Für alle Feste und Feiern auf dem Balkon gilt: Lärmbelästigungen nach 22:00 Uhr sind grundsätzlich nicht gestattet. Party machen wie auf Mallorca ist auch in Coronazeiten auf dem häuslichen Balkon nicht drin. Es gibt auch kein Rechte in großen Abständen länger als bis 22 Uhr auf dem Balkon zu feiern (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.01.1990, 5 Ss (OWi) 475/89).

Wie oft darf man auf dem Balkon grillen?

Viele Städte und Landkreise haben inzwischen in Rechtsverordnungen die erlaubte maximale Grillhäufigkeit geregelt.

In Berlin darf jeder Wohnungsbesitzer zweimal im Monat grillen, in Bonn einmal im Monat. Wesentlich knausriger ist man im schwäbischen Stuttgart, dort ist Grillen nur einmal im Jahr erlaubt. Auch die Gerichte haben die unterschiedlichsten Urteile zur erlaubten Häufigkeit des Grillens auf dem Balkon gefällt.

  • Das OLG Oldenburg erlaubt Grillen viermal im Jahr (OLG Oldenburg, Urteil v. 29.7.2002, 13 U 53/02),
  • in Aachen ist das Grillen nur im hinteren Teil des Gartens erlaubt (LG Aachen, Urteil v. 14.3.2002, 6 S 2/02).
  • Im grillfreudigen Rheinland hängt das Grillen von der Windrichtung ab. Das OLG Düsseldorf hat das Grillen komplett untersagt, wenn der Nachbar hierdurch einer starken Rauchentwicklung ausgesetzt wird. In diesem Fall wird sogar ein Ordnungsgeld fällig (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 26.5.1995, 5 Ss (OWi) 149/95).

Andere umstrittene Balkonnutzungen

Das Rauchen auf dem Balkon kann zeitlich eingeschränkt werden, wenn hierdurch andere Mieter nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werden oder Gefahren für die Gesundheit drohen. Allerdings besteht der Unterlassungsanspruch nicht uneingeschränkt (BGH, Urteil v. 16.1.2015, V ZR 110/14).

Das Anbringen von Blumenkästen an der Außenseite des Balkons ist nach einem Urteil des LG Berlin grundsätzlich nicht vom allgemeinen Mietgebrauch gedeckt und kann bei Vorliegen eines sachlichen Grundes untersagt werden, da nur der Balkon, aber nicht mehr der um den Balkon herum befindliche Raum mitvermietet ist. Dagegen ist für das Anbringen der Blumenkästen an der Innenseite des Balkons keine Genehmigung des Vermieters erforderlich (LG Berlin, Urteil v. 20.5.2011, 67 S 370/09).

Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch

Nutzt der Mieter den Balkon in einer Weise, die nicht vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gedeckt ist, hat der Vermieter einen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch. Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser gem. § 541 BGB auf Unterlassung bzw. Beseitigung klagen. Gegenüber unzulässigerweise belästigten anderen Mietern ist der Vermieter verpflichtet, Belästigungen durch einen grillenden, lärmenden oder sonstwie auffälligen Mieter abzumahnen und notfalls gerichtlich zu unterbinden oder im schlimmsten Fall durch Kündigung zu beenden.

Dem Nachbarmieter steht aber auch aus § 862 BGB ein Besitzschutzanspruch zu, um gegenüber anderen Mietern Unterlassung eines bestimmten Verhaltens durchzusetzen.

Wenn ein Balkon angebaut werden soll

Gerade die Coronazeit hat dazu geführt, das viele Vermieter und WEG-Geminschaften aber auch einzelen Wohnungsbesitzer Balkone anbauen wollen.

Balkonanbau in der WEG

In der WEG bedarf es einen Beschlusses, egal ob Balkons für alle oder einzelne Eigentümer gebaut werden sollen. Ob der Anbau eines Balkons eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung darstellt oder als Maßnahme einer Modernisierung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 22 Abs. 2 WEG beschlossen werden kann, hängt maßgeblich von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Entscheidend ist jedenfalls, dass der Anbau von Balkonen unzweifelhaft eine nachhaltige Verbesserung der Wohnverhältnisse darstellt, weshalb er regelmäßig als Modernisierung beschließbar ist. Wohl nur im Ausnahmefall wird ein Balkon einmal die Eigenart der Wohnanlage ändern und dann eine bauliche Veränderung darstellen. Dies kann der Fall sein, wenn lediglich an einer von mehreren Wohnungen ein Balkon angebaut werden soll.Jedenfalls kann der nachträgliche Anbau von Balkonen und auch Zweitbalkonen grundsätzlich eine mit doppelt qualifizierter Mehrheit zu beschließende Mondernisierung sein.

Balkonanbau bei der Mietwohnung

Wird in einer Mietwohnung vom Vermieter ein Balkon angebaut, gelten die Grundsätze zur Modernisierungsmaßnahmen wegen Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache bezüglich Ankündigungs- und Duldungspflichten, Sonderkündigungsrecht des Mieters und anschließend mögliche Mieterhöhung → Modernisierung im laufenden Mietverhältnis.

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Schlagworte zum Thema:  Nachbarrecht, Urlaub, Mietrecht, WEG