Anspruch auf Beseitigung baulicher Veränderung

Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH hat die Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich einen Anspruch auf Beseitigung einer nicht durch die Wohnungseigentümerversammlung genehmigten baulichen Änderung am Gemeinschaftseigentum durch einen der Wohnungseigentümer. Dieser Grundsatz gilt auch in den Fällen, in denen der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gestattung der baulichen Änderung hat. Eine bauliche Änderung durch einen Wohnungseigentümer erfordert nach dem Diktum des BGH immer zuerst einen Gestattungsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Bauliche Änderungen ohne WEG-Beschluss
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Wohnungseigentümer eine Gewerbeeinheit einer Wohnungseigentumsanlage an die Betreiberin eines Restaurants vermietet. Diese wollte das Restaurant in eine Shisha-Bar umwandeln. Zu diesem Zweck baute sie u.a. eine neue Lüftungsanlage ein. Hierfür ließ sie sowohl die Deckenplatten als auch die Fassade mehrfach durchbohren. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte diese Arbeiten nicht genehmigt.
Beseitigungsklage der Wohnungseigentümergemeinschaft
Nachdem der Wohnungseigentümer dem von der Eigentümergemeinschaft erhobenen Beseitigungsverlangen nicht nachgekommen war, erhob diese Klage auf Beseitigung der baulichen Veränderungen. Die Klage war über 3 Instanzen erfolgreich.
Bauliche Änderungen ohne Genehmigung sind rechtswidrig
Die Instanzgerichte und in letzter Instanz der BGH bejahten einen Anspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Beseitigung der baulichen Veränderungen nach § 1004 Abs. 1 BGB. Der BGH qualifizierte die baulichen Änderungen als rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB, deren Beseitigung die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 9a Absatz 2 WEG gerichtlich durchsetzen könne.
Wohnungseigentümerin als mittelbare Handlungsstörerin
Die durch Handlungen der Mieterin erfolgten Eigentumsbeeinträchtigungen seien der Beklagten als Handlungsstörerin zuzurechnen. Die Störereigenschaft einer Wohnungseigentümerin sei unter wertender Betrachtungsweise zu beurteilen. Es komme darauf an, ob es der Eigentümerin möglich und zumutbar war, die Störung zu verhindern. Nach diesem Grundsatz sei eine Eigentümerin für Störungshandlungen ihres Mieters dann verantwortlich, wenn
- sie dem Mieter den Gebrauch der Sache mit der Erlaubnis zur Ausführung der störenden Handlung überlassen hat oder
- sie es unterlässt, den Mieter von der Störung abzuhalten, obwohl sie aufgrund des Verhaltens des Mieters mit der Störung rechnen musste oder muss oder
- sie es unterlässt, gegen den Mieter einzuschreiten, nachdem sie Kenntnis von der Vornahme der baulichen Veränderungen erlangt hat.
Im konkreten Fall bejahte der BGH die Haftung der Beklagten als mittelbare Störerin, da die Beklagte über die baulichen Änderungen ihres Mieters informiert gewesen sei.
Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderungen
Die Einwendung der Beklagten, ihr stehe gemäß § 20 WEG ein Anspruch auf Gestattung der vorgenommenen baulichen Veränderungen zu, war aus Sicht des BGH unerheblich. Der Senat erkannte an, dass die Rechte der anderen Wohnungseigentümer durch die betreffenden Baumaßnahmen nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt würden. Damit sei wahrscheinlich ein Anspruch gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Gestattung der baulichen Veränderungen zu bejahen. Hieraus folge jedoch keine, den Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB hindernde Einrede.
Gesetzlich normierter Beschlusszwang
Der BGH stellte maßgeblich auf den Sinn und Zweck der Regelung des Gestattungsanspruchs in § 20 Abs. 3 WEG ab. Danach bedürfe jede bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einen Wohnungseigentümer eines legitimierenden Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft (Beschlusszwang). Die Regelung solle sicherstellen, dass jede bauliche Änderung des Gemeinschaftseigentums zuerst von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen und erst im 2. Schritt umgesetzt wird. Würde man einen bestehenden Gestattungsanspruch als Einrede gegen den eigentumsrechtlichen Beseitigungsanspruch akzeptieren, so würde dies die Konzeption des Gesetzes unterlaufen.
Beschlussersetzungsklage bei Verweigerung der Gestaltung
Der BGH wies weiter darauf hin, dass für den Fall einer Verweigerung eines Gestattungsbeschlusses durch die Wohnungseigentümergemeinschaft das Gesetz den Weg der Erhebung einer Beschlussersetzungsklage vorsieht, mit der der Wohnungseigentümer seinen Gestattungsanspruch gegebenenfalls durchsetzen könne.
Beschlussersetzungsklage auch als Widerklage möglich
Den möglichen Ausweg aus diesem Dilemma für die mit der Beseitigungsklage überzogene Eigentümerin habe diese nicht genutzt. Im Fall eines Anspruchs auf Gestattung könne die betroffene Eigentümerin in dem von der Eigentümergemeinschaft eingeleiteten Klageverfahren eine Beschlussersetzungsklage als Widerklage erheben. Dies sei hier nicht erfolgt. Erst nach Anhängigkeit des Berufungsverfahrens habe die Beklagte anderweitig eine Beschlussersetzungsklage anhängig gemacht. Eine Verbindung der beiden Klagen sei im Berufungsverfahren aber nicht mehr möglich, vielmehr habe das Berufungsgericht das Berufungsverfahren zurecht unabhängig von der Beschlussersetzungsklage fortgeführt und entschieden.
Anspruch der WEG auf Beseitigung der baulichen Veränderungen
Im Ergebnis hat der BGH mit dieser Argumentation den bereits vom Berufungsgericht zuerkannten Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der Eigentumsstörung durch die nicht genehmigten baulichen Änderungen bestätigt. Wegen daneben von der Eigentümergemeinschaft geltend gemachter weiterer Ansprüche muss das Berufungsgericht den Sachverhalt weiter aufklären und erneut entscheiden.
(BGH, Urteil v. 21.3.2025, V ZR 1/24)
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