Auswirkungen auf Lieferanten und Kunden durch den Brexit

Was zu erwarten war, hat sich mittlerweile bestätigt: Das Austrittsabkommen zwischen der EU und dem UK ist vom britischen Parlament abgelehnt worden. Nun droht der „harte Brexit“ – und damit einschneidende Folgen für Lieferanten aus der EU, die Kunden im UK beliefern.

Wahl des Gerichtsstands und des anwendbaren Rechts

Der Gerichtsstand bestimmt, welches Gericht im Fall von Streitigkeiten zuständig ist. Für Lieferanten aus Deutschland mit Kunden im UK galt bislang die Empfehlung, deutsches Recht und einen Gerichtsstand in Deutschland zu vereinbaren. Die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in der EU – und damit auch von Urteilen aus Deutschland im UK – war bislang durch die europäische Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 gesichert. Infolge des Brexits würde Großbritannien jedoch aus dem Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Im Verhältnis zu Deutschland würde dann – mangels neuer Regelungen – das 1960 zwischen Deutschland und dem UK abgeschlossene Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen greifen. Die dort geregelten Anforderungen zur Anerkennung und Vollstreckung sind jedoch weitaus umständlicher als die bisherigen europäischen Regelungen. Es ist daher zu empfehlen, für künftige Lieferbeziehungen eine Schiedsklausel zu vereinbaren; die Anwendung deutschen Rechts sollte beibehalten werden. Bestehende Rahmenverträge können durch Zusatzvereinbarungen angepasst werden. Lieferanten, die bereits ein Urteil gegen einen Kunden in UK erstritten haben, sollten die Vollstreckung noch vor dem 29.03.2019 einleiten.

Vereinbarung von Incoterms 2010

Vorsicht ist künftig auch bei der Verwendung von Incoterms geboten. Weiterhin für Lieferanten uneingeschränkt zu empfehlen ist die Vereinbarung einer EXW-Klausel (ex works/ab Werk, Sitz des Lieferanten). So enden hier Gefahr- und Kostentragung des Lieferanten mit Bereitstellung der Güter an seinem Sitz. Risiken bestehen hingegen bei der Vereinbarung von F-Klauseln (z.B. FCA/free carrier/frei Frachtführer), C-Klauseln (z.B. CPT/carriage paid to/frachtfrei bis) und D-Klauseln (z.B. DAP/delivered at place/geliefert benannter Bestimmungsort), die einen Bestimmungsort im UK vorsehen. Da im Falle eines harten Brexits ab dem 29.03.2019, 23:00 Uhr britischer Zeit gelieferte Waren an der Grenze zum UK verzollt werden müssen, ist mit erheblichen Lieferverzögerungen zu rechnen. Diese Lieferverzögerungen würden bei F-, C- und D-Klauseln mit einem Bestimmungsort im UK dazu führen, dass der Lieferant sämtliche Zusatzkosten wie Standgelder oder Mehrvergütungen des Spediteurs tragen müsste. Außerdem haftet der Lieferant unbegrenzt für Schäden, die durch die Verzögerung eintreten. Im Falle einer Vereinbarung von DDP (delivered duty paid/geliefert verzollt benannter Bestimmungsort) träfe den Lieferanten zusätzlich die Verantwortung für die Einfuhrabfertigung. Deswegen sollte diese Klausel nach Möglichkeit ab sofort nicht mehr vereinbart werden. Sofern ein Kunde die Vereinbarung einer EXW-Klausel nicht akzeptiert, können als Kompromiss F-, C- und D-Klauseln (außer DDP) mit einem Bestimmungsort in Kontinentaleuropa vereinbart werden. In diesem Fall geht das Risiko von Verzögerungen an der Grenze zulasten des Käufers.

Möglichkeiten der Kaufpreisanpassung

Sofern sich der Lieferant (z.B. infolge der Vereinbarung einer DDP-Klausel) bereits zur Verzollung der gelieferten Ware verpflichtet hat, können die hiermit verbundenen Mehrkosten nicht gegenüber dem Kunden geltend gemacht werden. In vielen Lieferverträgen enthaltene „Force-Majeure-Klauseln“, die eine Vertragsanpassung oder sogar ein Rücktrittsrecht im Falle von unvorhersehbaren Ereignissen vorsehen („höhere Gewalt“), helfen hier für aktuelle Verträge nicht weiter: So ist spätestens seit Dezember 2015 der Brexit kein unvorhersehbares Ereignis mehr, da zu diesem Zeitpunkt die Durchführung des Austrittsreferendums feststand. Verträge, die nach Dezember 2015 geschlossen wurden, können daher nicht unter Berufung auf den Brexit abgeändert werden. Auch gesetzliche Vertragsanpassungsmöglichkeiten (z.B. § 313 BGB) greifen aus denselben Gründen nicht. Für Lieferanten empfiehlt es sich daher, ab sofort spezifische Kaufpreisanpassungsklauseln in Lieferverträge aufzunehmen. Diese sollten explizit die Kostentragung von durch den Brexit verursachten Preissteigerungen regeln.

Auswirkung auf Produktzulassungen

Die CE-Kennzeichnung ist eines der relevantesten „Gütesiegel“ auf europäischer Ebene. Durch Anbringen der CE-Kennzeichnung versichert ein Hersteller, dass sein Produkt allen EU-Richtlinien und Vorgaben entspricht, die für derartige Produkte gelten. Ein harter Brexit hätte zur Folge, dass die CE-Kennzeichnungspflicht im UK nicht mehr gilt. Es ist jedoch denkbar, dass Großbritannien ähnliche oder strengere Vorgaben entwickelt, die von Lieferanten sodann einzuhalten sind. Für etwaige, hieraus resultierende Zusatzkosten sollte ebenfalls eine vertragliche Regelung zur Kostentragung getroffen werden. Umgekehrt müssen Lieferanten aus dem UK für Lieferungen in die EU weiterhin die CE-Kennzeichnungspflicht erfüllen.

Fazit

Ob – und wenn ja wie – der Brexit am 29.03.2019 tatsächlich stattfinden wird, ist weiterhin offen. Die Unsicherheit besteht und bleibt. Lieferanten sollten daher rechtliche Vorkehrungen für einen harten Brexit treffen, indem sie ihre Lieferverträge und Lieferkonditionen anpassen.


Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies, Johanna Hennighausen und Jonas Laudahn, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB

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